Thee Satisfaction: Das ungewöhnliche Hip-Hop-Duo aus Seattle
- Text: Adrian Schräder; Fotos: David Belisle
Sie sind dunkelhäutig, lesbisch, gebildet, sensibel – und machen Hip-Hop. Das Duo Thee Satisfaction aus Seattle begegnet Gegenwind mit Lockerheit und Herz.
Sie sind im völligen Einklang mit ihrer Musik. Und im Einklang miteinander. Das ist unschwer zu erkennen. Wenn Stasia Irons und Catherine Harris-White als Stas und Cat auf der Bühne stehen und der iPod einen ihrer Beats spielt, bewegen sie sich, als ob dem Ganzen eine Choreografie zugrunde läge: Wiegeschritt nach links, Arme nach oben, Wiegeschritt nach rechts, Arme wieder runter. Dazu immer mal wieder eine Drehung, ein leichter Ausfallschritt, ein Fingerschnippen, ein konspirativer Blick in die Augen der Partnerin. Alles scheint nach einer geheimen Absprache zu geschehen.
Die Vertrautheit kommt nicht von ungefähr: Die beiden Musikerinnen, die im Frühjahr mit «Awe Naturale» ihr Debütalbum als Thee Satisfaction vorlegten, bilden nicht nur eine Arbeitsgemeinschaft, sie sind auch ein Paar. Bekennende Lesben. Schön, wenn man sagen könnte: nichts Besonderes! Doch in der homophob durchzogenen Männerdomäne des US-Hip-Hop stellen rappende Frauen eine exotische Minorität.
Klar, es gibt die Schrillen, Lauten, Hysterischen, die Lady Gagas des Rap, aber kaum dunkelhäutige Lesben mit Uniabschluss, Hang zum Gefühligen und einer Leidenschaft für Jazz, Tanz und Improvisation.
Der Anfang war hart
Hart sei es anfänglich gewesen, nicken Stas und Cat in Interviews. Ablehnung aufgrund von Andersartigkeit, Rassismus und Sexismus sei ihnen widerfahren.
Vor vier Jahren, als ihre Karriere noch ganz am Anfang stand, seien sie in ihrer Heimatstadt Seattle, der einstigen Grunge-Schmiede, die in den Neunzigern Bands wie Nirvana und Pearl Jam hervorgebracht hatte, völlige Sonderlinge gewesen: Frauen, die rappen und singen, die weder Musiker noch einen DJ auf der Bühne haben und über schwebenden Jazz-Passagen turnen, das mutete dort seltsam an.
«Wee Sound Weird» (Wir klingen komisch) hiess denn auch einer ihrer ersten Songs. Eine kleine Lo-Fi-Hymne, aufgenommen mit dem Gratisprogramm Garage Band von Apple.
Heute boomt die alternative Hip-Hop-Szene
«Mittlerweile geht in Seattle ganz schön viel ab», sagt Stas. «Alle Stilarten, alle sexuellen Ausrichtungen sind vertreten.» Die alternative Hip-Hop-Szene boomt, nicht zuletzt dank Stas und Cat, die sich in ihren Songs so liebevoll ins Wort fallen.
Man ist stolz auf sie und ihre Andersartigkeit, erst recht seit sich das ehemalige Nirvana-Label Sub Pop – noch immer eine der besten Adressen für alternative Musik – ihrer angenommen hat. Der hypnotische Sound von Thee Satisfaction, geprägt von Freigeist-Soulern wie Erykah Badu oder Jill Scott, von Jazzgrössen wie Ella Fitzgerald oder Hip-Hop-Pionieren wie A Tribe Called Quest, wird heute in die ganze Welt exportiert.
Musik machen stand am Anfang nicht im Mittelpunkt
Dabei stand «Musik machen» anfänglich gar nicht auf ihrer To-do-Liste. In ihrer Bio heisst es: «Sie lernten sich unter wahrhaft kosmischen Umständen an der Universität von Washington in Seattle kennen.» Das klingt zu schön, um nicht Schicksal zu sein. Cat studierte Jazzgesang, Stas Englisch. Man näherte sich an, verliebte sich und zog zusammen.
Stas liebte Gangsta Rap aus den Neunzigern, Poetry Slam, das Schreiben, Cat eher den Jazz, den R&B, das Singen. Schnittmenge: Neo Soul. Dazu wurde getanzt, zum Beispiel zuhause im Wohnzimmer, nachzusehen in kurzen Youtube-Clips, viele davon nur wenige Hundert Mal angeklickt. Die Filmchen sind unspektakulär, doch sie machen die originelle Selbstgenügsamkeit, das Aufgehen in den Grooves, den Dialog über die Musik sichtbar.
Beim ersten Hören haftet ihren Songs etwas Nervöses an. Die kreisenden, manchmal schrillen Loops, die gebrochenen Beats, von Afro-Rhythmen und stoischen Wiederholungen durchzogen, die sie aus dem Kosmos zu fischen scheinen, wie einst Freejazzer Sun Ra, eines ihrer grossen Vorbilder. Doch dann mündet die Musik in einen hypnotischen Wirbel, der einen aufsaugt und erst wieder ausspuckt, wenn Cat das Mikrofon absetzt, zum iPod geht und «Stop» drückt.
Keine Kampfparolen, sondern kleine Mantras
Freilich, im grossen Fluss des Hip-Hop, dem umsatzstärksten Musikgenre der Gegenwart, sind Cat und Stas kleine, bunte Fische, die achtgeben müssen, nicht gefressen zu werden. Und selbst wenn ihnen gelegentlich ein lyrischer Seitenhieb an jene entfährt, die ihnen Böses wollen, so findet man in ihren Texten weder Kampfparolen noch diffamierenden Ballast.
Stattdessen kleine Mantras wie «To know you is to love you and to love you is to know you» oder «Whatever you do, don’t funk with my groove». In beiden Zeilen steckt die gleiche Botschaft: Nennt uns komisch, nennt uns anders, nennt uns schräge Lesben – wir sind hier, um Herzen zu öffnen!
CD: Awe Naturale (Sub Pop)
Live: 11. 11., Rote Fabrik, Zürich (im Vorprogramm von Shabazz Palaces)
1.
Die Botschaft von Thee Satisfaction: Wir sind hier, um Herzen zu öffnen