Die «New York Times»-Journalistin Taffy Brodesser-Akner ist mit virtuosen Promi-Porträts berühmt geworden. Nun hat sie ihren ersten Roman verfasst – nicht halb so glamourös wie ihre Artikel, dafür doppelt so amüsant.
Promis gibt es viele. Es gibt auch ganze Heerscharen von Journalisten, die über Promis berichten. Selten jedoch sind Journalisten, die über Prominente berichten und dadurch selbst zum Star werden. Taffy Brodesser-Akner zählt zu diesem exklusiven Club. Porträts von VIPs wie Bradley Cooper, Gwyneth Paltrow und Jimmy Buffett haben ihr in den Vereinigten Staaten den Titel «Michelangelo der Porträtschreiber» eingebracht. Ihre Fans können nicht genug bekommen von der unverwechselbaren Melange aus mit Empathie gepaarter Schonungslosigkeit, entwaffnender Ironie und stilistischer Virtuosität, die sie ihren Sujets auf den Seiten des «New York Times Magazine» angedeihen lässt.
Jetzt hat Taffy Brodesser-Akner mit «Fleishman steckt in Schwierigkeiten» ihren ersten Roman verfasst. Das Gespräch mit ihr findet coronavirusbedingt übers Handy statt, während sie ihren Hund spazieren führt. Sie stapft im Regen einer jener Strassen entlang, die die properen Kleinstädte in New Yorks Nachbarstaat New Jersey miteinander verbinden. Immer wieder ist das Geräusch der vorüberfahrenden Autos zu hören. «Hier geht kein Mensch zu Fuss irgendwohin», sagt sie. «Deshalb funktioniert Social Distancing in dieser Gegend auch so gut.» Ihrem Lachen ist der Sarkasmus der gebürtigen New Yorkerin anzuhören, die sich nie hätte alpträumen lassen, einmal in der Provinz zu landen (die Gründe für den Umzug in die Pampa: der frühere Job ihres Mannes als politischer Reporter bei der Lokalzeitung und erschwingliche Grundstückpreise). Die Redaktion der «New York Times» in Manhattan liegt zwar nur eine knappe Zugstunde entfernt, aber das Bedauern darüber, nun zu den Pendlern zu gehören, teilt Taffy Brodesser-Akner mit Libby, einer der Figuren in ihrem Roman.
«Fleishman steckt in Schwierigkeiten» handelt vom frisch geschiedenen Toby Fleishman, einem Leberarzt knapp über vierzig, der dank Dating-Apps einen zweiten sexuellen Frühling erlebt und zugleich versucht, seinen beiden Kindern ein halbwegs stabiles Zuhause zu bieten. Eines frühen Morgens liefert seine Ex-Frau Rachel die Kids unangemeldet bei ihm ab und macht sich aus dem Staub. Schluss mit geteiltem Sorgerecht! Erzählt wird seine Geschichte von Libby, einer Jugendfreundin von ihm, die nach und nach auch ihre eigene und die Geschichte Rachels mit einflicht.
«Wenn ich mir in einem Punkt vollkommen sicher war», konstatiert Libby an einer Stelle, «dann darin, dass eine Frau nur auf eine Weise jemanden dazu bringen kann, ihr zuzuhören: indem sie ihre Geschichte durch einen Mann erzählt.» Davon ist auch Taffy Brodesser-Akner überzeugt: «Wenn du willst, dass eine Story ein Hit wird, schreib über einen Mann. Über Männer wollen Männer und Frauen lesen. Über Frauen nur Frauen.» Wie die Journalistin Libby hat auch sie einmal für ein Männermagazin gearbeitet. Bei der Mode- und Lifestyle-Gazette «GQ» fand sie bald heraus, dass sie hemmungslos über sich selbst schreiben konnte, solang sie die eigenen Erfahrungen nur ins einfühlsame Porträt eines Herzensbrechers wie Robert Pattinson verpackte oder in das des Designers und Regisseurs Tom Ford.
«Wenn du willst, dass eine Story ein Hit wird,
schreib über einen Mann. Über Männer wollen
Männer und Frauen lesen. Über Frauen nur Frauen»
Mit dem Seelenstriptease hält sie sich allerdings zurück. «Wenn ich auftauche in dem, was ich schreibe, dann nur, um als Brücke zum Lesepublikum zu dienen», sagt sie. «Ich betrachte mich als Vertreterin der Normalsterblichen und interessiere mich für die Gemeinsamkeiten, die zwischen uns und den Stars bestehen, nicht für die Unterschiede. Diese Leute sind nämlich nicht halb so merkwürdig wie die Art, in der wir sie wahrnehmen.»
Wer sich für die Gemeinsamkeiten zwischen Taffy Brodesser-Akner und Libby interessiert, sei gewarnt: «Fleishman steckt in Schwierigkeiten» ist keine Autobiografie. Es ist die süffige Studie einer verkorksten Ehe, eine Satire über die Klassenkrämpfe der Reichen und Schicken an New Yorks Upper East Side und ein Panorama diverser Midlife-Krisen – manchmal ein bisschen zu geschwätzig, die Figuren gelegentlich ein wenig zu karikaturenhaft, aber immer locker und intelligent.
Mit einer milden Midlife-Krise begann auch der Roman. Taffy Brodesser-Akner, Jahrgang 1978, hatte wie Libby die vierzig überschritten: «Ich fühlte mich plötzlich alt und sah, wie viele meiner Freunde und Bekannten, deren Hochzeiten wir vor zwanzig Jahren gefeiert hatten, sich wieder scheiden liessen.» Mit Schrecken stellte sie ausserdem fest, dass ihre eigene Ehe ins dreizehnte Jahr ging – das Jahr, in dem die Ehe ihrer Eltern zerbrach. «Je mehr Ehen um mich herum in die Brüche gingen, desto dringender wollte ich wissen: Was läuft da schief ?» Geldschwierigkeiten, eine Fehlgeburt, eine verunglückte Hausrenovation: Die Gründe für das Ende von Ehen sind natürlich so vielfältig wie die Ehen selbst. Eines aber hörte Taffy Brodesser-Akner immer wieder: «Die Männer klagten, ihre Frauen seien ständig wütend. Die Frauen klagten, sie seien wütend und ihre Männer würden sie niemals fragen, warum.»
Rachel ist tatsächlich ungeheuer wütend. Und das Warum kümmert Toby nicht die Bohne. In seiner Version der Geschichte tönt Rachel nach einer vergifteten Karrierefrau, die einen bunten Strauss Statussymbole dem Familienpicknick im Grünen jederzeit vorzieht. Es ist ziemlich raffiniert, wie Taffy Brodesser-Akner fast unmerklich die Glaubwürdigkeit des sympathischen Toby unterhöhlt und dabei verdeutlicht, dass unsere Gesellschaft Männern gegenüber, die von morgens bis abends Geld scheffeln, noch immer viel mehr Nachsicht entgegenbringt als ambitionierten Frauen.
«Die meisten Frauen unserer Generation haben Feministen geheiratet», sagt Taffy Brodesser-Akner. «Das meine ich ernst: Es sind Männer, denen ihre Mütter die Prinzipien der Geschlechtergleichheit eingebläut haben. Aber viele von ihnen sind schlicht überfordert von der Realität verrückt spielender Kinder, von Bergen ungewaschener Wäsche und von Frauen, die möglicherweise mehr verdienen als sie selbst und am Abend zu müde sind, um sich auch noch ihr Gejammer anzuhören.» Das sind gewiss keine revolutionären Erkenntnisse. Aber «Fleishman steckt in Schwierigkeiten» ist wie guter Tofu: richtig zubereitet echt köstlich.
«Die meisten Frauen unserer Generation
aben Feministen geheiratet.
Das meine ich ernst»
Als Autorin der «New York Times» ist Taffy Brodesser-Akner daran gewöhnt, dass in ihren Artikeln jeder Strichpunkt rigoros auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft wird. Als Autorin eines Romans durfte sie hemmungslos drauflos erfinden. Das empfand sie als befreiend. Nur schon deshalb, weil sie zwar leidenschaftlich gern schreibt, aber noch immer vor jedem Interview nervös ist. Ein ziemliches Hindernis, wenn man bedenkt, dass sie die Protagonisten ihrer Porträts jeweils über Monate hinweg begleitet und sie mit Fragen löchert, auf die die Betreffenden vielleicht nicht die geringste Lust haben. Noch schlimmer: Manche haben nicht die geringste Lust auf Taffy Brodesser-Akner selbst. Wie zum Beispiel Nicki Minaj. Die Rapperin reagierte auf die Reporterin schon beim ersten Treffen wie eine Katze auf einen Hund und schlief schliesslich mitten im Interview ein. Die darauffolgenden Begegnungen verliefen ähnlich harzig. Taffy Brodesser- Akner gelang das Kunststück, dieses Material in eines ihrer amüsantesten Porträts zu verwandeln, und zwar ohne die Diva durch den Kakao zu ziehen.
Inzwischen ist Taffy Brodesser-Akner wieder zuhause angekommen. Sie überlässt den nassen Hund zum Abtrocknen ihrem Mann, der sich bis dahin um die zwei Jungs gekümmert und erfolglos versucht hatte, die Rätsel des virtuellen Schulunterrichts zu lösen. Denn um eines klarzustellen: Die Ehe der Brodesser-Akners ist durchaus intakt. Nicht zuletzt wegen Fleishman: «Wir haben während meiner Arbeit an diesem Buch so viele Ehefallen durchdiskutiert, dass wir davor in nächster Zeit vermutlich gefeit sind.» Mit dem Renommee seiner Frau scheint Claude, der Brodesser zu -Akner, kein Problem zu haben. Eher die Akner selbst. Im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen anstatt wie sonst knapp daneben, findet sie schwer gewöhnungsbedürftig.