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Das steckt hinter der «Awakening»-Bewegung

Leben

Das steckt hinter der «Awakening»-Bewegung

Die Anhängerinnen der globalen «Awakening»-Bewegung sind auf der Suche nach sich selbst – und glauben an die Rückkehr einer göttlichen weiblichen Kraft. Magie, spirituelle Rituale und Schwesternschaft: Eine Spurensuche im hohen Norden und in der Schweiz.

Martha Alva Dille veranstaltet in ihren Workshops mit Vorliebe Kakao-Zeremonien. Zeremonien, wie sie vor Jahrhunderten bereits von den Mayas und den Azteken begangen wurden und die Alva Dille von ihren Aufenthalten in Guatemala und Peru nach Schweden mitgebracht hat. «Kakao ist nicht einfach Schokolade», beeilt sie sich zu sagen, «sondern eine heilige Medizin, die deinen Körper entspannt, dein Herz öffnet und dein Bewusstsein in einer liebevollen Umarmung wach werden lässt.»

Für die eineinhalbstündige Zeremonie bittet sie die Frauen – meist sind es etwa dreissig– ins Freie; in einen Kreis unter Bäumen. Sie vermischt Kakao-Paste mit warmer Pflanzenmilch und Wasser, fügt Cayennepfeffer, Zimt und Salz hinzu und süsst den Sud mit Ahornsirup. Die Frauen trinken den Kakao, dann verbinden sie sich mit einem Tuch die Augen und fangen an, zu den Rhythmen schamanischer Trommeln zu tanzen. Erst zaghaft, dann immer ekstatischer, während Martha Alva die vier Elemente anruft – Feuer, Wasser, Erde, Luft – und die Frauen anweist, sie in sich aufzunehmen, sie in ihre Herzen zu atmen und in ihre Unterleiber, um sich ihrer Sinnlichkeit gewahr zu werden und der Energien, die in ihren Körpern zu fliessen beginnen.

«Sacred Womb Festival»: Hunderte von Frauen nehmen teil

Martha Alva Dille, 37-jährig, gebürtige Norwegerin, ist Schamanin und Mitorganisatorin des «Sacred Womb Festival», das im August in Ängsbacka durchgeführt wurde; in einem idyllisch gelegenen Kurszentrum für «spirituelles Wachstum» in der Nähe des Städtchen Molkom beim Vänernsee. Hunderte von Frauen aus allen Schichten und Altersgruppen lockt das Festival jährlich an. Sie kommen, «um sich auf die Geheimnisse weiblicher Schöpfung zurückzubesinnen, die unmittelbar mit den Schwingungen der Erde verbunden sind», wie auf der Website des Festivals zu lesen ist, «um sich zu erheben, ihren Raum einzufordern und in Schwesternschaft zusammenzustehen» – wohlwissend, fügt Martha Alva hinzu, dass sie Teil sind von etwas, das grösser ist als sie selbst.

Am «Sacred Womb Festival» im schwedischen Ängsbacka haben diese Frauen gerade eine Naturmeditation mit orgasmischer Atmung hinter sich. Noch beseelt von diesem Ritual kriechen sie auf allen vieren zum nächsten Fotoshooting mit Elin Berge, statt zu gehen.

Am «Sacred Womb Festival» im schwedischen Ängsbacka haben diese Frauen gerade eine Naturmeditation mit orgasmischer Atmung hinter sich. Noch beseelt von diesem Ritual kriechen sie auf allen vieren zum nächsten Fotoshooting mit Elin Berge, statt zu gehen.

Wiederkehr einer göttlichen weiblichen Kraft

Was auf den ersten Blick wie ein etwas abgedrifteter skandinavischer New-Age-Trend erscheint, ist bei Weitem kein lokales Phänomen, sondern eine globale Erweckungsbewegung. Sie nennt sich «Female Awakening», das weibliche Erwachen. Ihre Anhängerinnen glauben an die Wiederkehr einer göttlichen weiblichen Kraft oder besser: Sie feiern das neue Sichtbarwerden des weiblichen Antlitzes von Gott.

«5000 Jahre lang haben wir mit einem männlich dominierten Gottesbild gelebt, das einhergegangen ist mit patriarchalen Strukturen, die Frauen unterdrückt und ihren Körper degradiert haben. Jetzt ist es Zeit, dieses historische Trauma zu bewältigen. Jede für sich, aber auch gemeinsam mit anderen Frauen», erklärt die schwedisch-britische Literaturwissenschafterin Kristina Turner (54). Sie hat sich in England und Schweden als Ritualbegleiterin einen Namen gemacht. In der Szene ist sie jedoch vor allem bekannt als Geburtsaktivistin. Sie kämpft für eine feministische Rückeroberung des Gebärsaals, um Frauen zu ermöglichen, wie sie sagt, die Geburt als ganzheitlichen, ja sogar spirituellen Vorgang erleben zu dürfen.

Awakening-Bewegung hat in den letzten Jahren enorm an Schwung gewonnen

Dass nach dem weiblichen Gottesbild geforscht wird, ist keineswegs neu, Wissenschafterinnen beschäftigen sich seit den Siebzigerjahren damit. Ebenso wenig neu ist, dass Frauen nach spezifischen Formen weiblicher Spiritualität suchen. Doch die Awakening-Bewegung hat in den letzten Jahren enorm an Schwung gewonnen. Weshalb, ist nicht leicht zu beantworten. «Ich vermute, es hängt damit zusammen, dass Frauen begonnen haben, sich das Bewusstsein für ihren zyklischen Körper zurückzuerobern», meint Kristina Turner. Frauen hätten keine Lust mehr, zu verstecken, dass sie in einem Körper leben, der in ständigem Wandel begriffen ist, sondern sie wollen das Zyklische zu einer Kraft erheben. «Aufzuwachen bedeutet», fasst sie zusammen, «das göttlich Weibliche und dessen Verankerung im Körper der Frau zurückzuerobern, weil der weibliche Körper aufgrund seiner zyklischen Natur den pulsierenden Verlauf der Schöpfung erlebt.»

Die Gebärmutter, das «magische Organ»

Um diese Verankerung zu würdigen, halten die Frauen ihre Rituale häufig in der Natur ab; im Wasser, im Wald, auf Felsen und Wiesen, ja sogar im Schnee. Eine spezielle Rolle wird in diesem Kosmos der Gebärmutter zuteil, dem «magischen Organ», das Leben hervorbringt und in dem Weisheit, Intuition, Kreativität, aber auch sexuelle Traumata verankert sein sollen. Zu ihren Ehren werden «Sacred Womb»-Rituale durchgeführt, an denen Frauen, allein oder im Beisammensein mit ihren «Schwestern» das göttlich Weibliche anrufen, sich in einer inneren Meditation mit ihrer Gebärmutter verbinden und im Geiste in sie «hineinreisen».

«Sacred Womb Festival»: Über hundert Frauen kamen 2019 dafür nach Ängsbacka.

Die Gefahr, patriarchale Strukturen zu zementieren

Dieser als Wiederentdeckung gefeierte Fokus auf die weibliche Biologie findet jedoch nicht nur Anhängerinnen. Ingrid Tomkowiak etwa, emeritierte Professorin für Populäre Literaturen und Medien an der Uni Zürich, sieht darin alles andere als ein weibliches Awakening. «Denn die Betonung der weiblichen Reproduktionsfähigkeit ist ein patriarchales Konstrukt, das Frauen eingeimpft wurde, damit sie nicht aus ihren herkömmlichen Rollen ausscherten», so Tomkowiak. «Die Männer waren nicht daran interessiert, sich Konkurrenz heranzuzüchten. Stimmten sie das Loblied auf die weibliche Biologie an, hiess dies für die Frau: ‹Du bist und bleibst Hausfrau, Mutter und Hüterin des Herdfeuers.› Insofern läuft das ‹weibliche Erwachen› Gefahr, jene patriarchalen Strukturen, von denen es sich loslösen will, erst recht zu zementieren.»

Neuer Stellenwert für «typisch» weibliche Eigenschaften

Diesen Einwand lässt Kristina Turner nicht gelten. Es gehe darum, den Frauenkörper nicht länger als defizitär zu sehen, sondern ihn aufzuwerten und damit auch «typisch» weiblichen Eigenschaften wie Empathie, Fürsorglichkeit oder Kommunikationsfähigkeit einen neuen Stellenwert zu verleihen. Eigenschaften, so Turner, die in gewissen Wirtschaftskreisen mittlerweile als Schlüsselqualitäten gelten.

Die Awakening-Bewegung versteht sich insofern auch als Treiber in Richtung einer postpatriarchalen Gesellschaftsordnung, in welcher weniger Hierarchien vorherrschen, weniger Gewalt und Ausbeutung. «Denn der Ausbeutung der Natur etwa liegen dieselben Energien zugrunde wie den sexuellen Übergriffen an Frauen», betont Kristina Turner. Aus diesem Grund werden die #MeToo-Bewegung und insbesondere die weltweiten Klimademonstrationen, an deren Spitze hauptsächlich Frauen stehen, als Manifestationen «weiblichen Erwachens» erkannt.

Die Bewegung trifft auf jeden Fall einen Nerv: Dem Weckruf folgen Frauen in den USA, in Ländern Südamerikas und Asiens, in England, Südafrika und in der Schweiz – auch wenn, fügt Turner nicht ohne Selbstironie hinzu, Festivals und Retreats noch immer vornehmlich von weissen, yogaaffinen Frauen geleitet werden.

«Sacred Feminism»

Was genau die Anziehungskraft dieser Bewegung ausmacht, diese Frage stellt sich nach wie vor. Denn allein mit ihrem politisch-spirituellen Überbau lässt sie sich kaum erklären. Frauen wird zwar generell eine erhöhte Affinität zu Spirituellem nachgesagt, und die Rückeroberung des «femininen Antlitzes von Gott» jenseits konventioneller religiöser Dogmen kann durchaus ein emanzipatorischer Akt sein. Nicht umsonst wird das weibliche Erwachen auch als neue Welle des Feminismus bezeichnet, als «Sacred Feminism». Doch ist die Bewegung in erster Line wohl deshalb so attraktiv, weil sie es Frauen erlaubt, sich in einem sicheren Rahmen mit ihrer Weiblichkeit und ihrer Sexualität auseinanderzusetzen; mehr aber noch, sich zusammen mit anderen Frauen fallen zu lassen, fernab jeglichen Leistungsdrucks und vor allem: des männlichen Blicks.

Im Frauenkreis: «Ich kam weg vom Kopf in den Körper»

Pascale, eine 30-jährige Projektleiterin aus Zürich und Mutter einer kleinen Tochter, formuliert es folgendermassen: Durch ihre Schwangerschaft sei ihr bewusst geworden, dass sie, die eigentlich so rational und analytisch sei, nicht alles mit dem Kopf lösen könne. Sie habe einen Weg gesucht, zu sich selbst zu kommen. Vor einem halben Jahr hat sie sich deshalb zum ersten Mal in einen Frauenkreis gewagt. «Ich habe dort Raum bekommen, zu sein, wie ich bin, ohne bewertet zu werden und ohne immer alles begründen zu müssen», erzählt sie. «Ich konnte traurig sein, weil ich einfach traurig war. Verletzlich, weil ich mich gerade verletzlich fühlte. Lachen, weil mir nach Lachen zumute war. Ich kam weg vom Kopf in den Körper. Das war ungeheuer heilsam.» Das bedeute nun aber nicht, dass sie das Rationale verdrängt habe – «aber ich bin durch diese Erfahrung kompletter geworden».

Der Alltag zwischen Kindern, Beruf und Partnerschaft ist ein Balanceakt, der für viele Frauen purer Stress bedeutet. So weit, so klar. Die Anhängerinnen des «weiblichen Erwachens» sehen diesen Stress jedoch in einem grösseren Zusammenhang. So sollen Frauen in modernen Hochleistungsgesellschaften vornehmlich nach «typisch männlichen» Prinzipien funktionieren, ihr Leben aufs Tun, kaum mehr aufs Sein ausrichten. Dadurch hätte sich ihnen der Zugang zum femininen Teil ihres Bewusstseins verschlossen – zum Gefühl für ihren Körper, ihre Intuition, den Instinkt für ihre Bedürfnisse.

Genau hier setzt etwa die Prozessbegleiterin Alice Hong (38) an. Unter dem Motto: «Reclaiming Your Body» («Hol dir deinen Körper zurück») veranstaltet sie an ihren Frauenkreisen eine Entkleidungszeremonie: Die Teilnehmerinnen streifen sich ihre Kleider Schicht um Schicht ab, befreien sich im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn aus ihren Hüllen, um sich gewahr zu werden, wie es ist, nackt zu sein. Und dann, in diesem Zustand der Nacktheit, werden sie mit Fragen konfrontiert wie: «Was fühle ich?», «Was bereitet mir Genuss?», «Was ist es, wonach mein Körper wirklich verlangt?»

«Die Frauen haben regelrecht danach gedürstet»

Alice Hong ist die Initiantin des «Wild Women Gathering », des Treffens der wilden Frauen. «What a time to be alive!», schreibt sie auf ihrer Website. «Es ist jetzt mehr denn je Zeit, uns mit unserer verkörperten Weisheit zu verbinden.» Und sie schwärmt von der Magie, die entsteht, wenn Frauen zusammenkommen, zusammen lachen, weinen und voneinander lernen. Als die Kanadierin im März dieses Jahres zu ihrem ersten «Wild Women Gathering» in Zürich bat, kamen auf Anhieb 120 Teilnehmerinnen. «Die Frauen», so Alice, «haben regelrecht danach gedürstet.»

Vielleicht baut ihr Erfolg auch darauf, dass sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, Frauen beizubringen, sich selbst zu lieben, und sie zu ermutigen, auszubrechen aus dem Gefühl, nie zu genügen. «Die tiefe Wunde des Weiblichen ist, sich nicht wertvoll zu fühlen, seine Stimme und die eigenen Bedürfnisse gering zu schätzen. Viele sind sogar stolz darauf, sich kleinzumachen», sagt Hong. Manchmal sei sie fassungslos darüber, wie viel Scham in Frauen steckt. Am liebsten würde sie ihnen zurufen: «Wenn du bloss einsehen könntest, wie schön du bist!» Sie kontere dann aber meist so: «Das Universum hat so viel Energie in die Entstehung deines Körpers investiert. Warum schämst du dich dafür?»

Dieses Gefühl, gesteht sie im Gespräch, sei ihr selbst keineswegs fremd. Jahrelang habe sie mit sich gerungen, weil sie dachte, nicht gut genug zu sein. Aber irgendwann sei die Zeit gekommen, sich aus ihrer Opferrolle zu befreien und die volle Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen: «Für alles», betont sie, «können wir dem Patriarchat nicht die Schuld in die Schuhe schieben.»

Frauenkreise in der Schweiz: Eine Fülle an Angeboten

Das Treffen der wilden Frauen mag einer der hippsten Frauenkreise der Schweiz sein – der einzige ist es nicht. Ein flüchtiger Blick ins Internet genügt, um die Fülle des Angebots zu erahnen – und die Nachfrage, die dahintersteckt. Unter frauenkreise.ch findet man den «Wild Wolf Sisterhood bei Vollmond» in Rapperswil-Jona, den «Frauenheilkreis Winterthur mit Sabine» oder den «Freien Trommelkreis für Frauen» in Bern. Es gibt den «Sisterhood of Rose Frauenkreis» in Wald ZH oder den «Ruf der Erde» in Schaffhausen.

Und immer geht es um dasselbe, stets lesen sich die Beschreibungen so, als wären sie rosa-umwolkter Ratgeberliteratur entnommen. Und doch ziehen sie Frauen quer durch alle Altersgruppen und mit den unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen an: Hebammen, Versicherungsexpertinnen, Schulleiterinnen.

«Frauenkreise fangen die Sehnsucht nach Veränderung auf»

«Frauenkreise fangen die Sehnsucht nach Veränderung auf. Viele Frauen ziehen irgendwann in ihrem Leben Bilanz. Sie hinterfragen ihr Arbeits- wie auch ihr persönliches Umfeld, suchen nach neuen Wegen, wie sie ihre Talente entfalten können, und zwar auch so, dass sie in der Gemeinschaft, in der sie leben, eine Wirkung erzielen», sagt Eleanor Rutman (44), Regisseurin, Coach und Initiantin des Workshops «Weibliche Kraft» in Zürich.

Mit ihrem zweitägigen Anlass wolle sie Frauen dazu inspirieren, «ihr Wachstumspotenzial zu erkennen und zur aktiven Schöpferin ihres Lebens» zu werden. Und der Drang zur inneren Erkenntnis, so Eleanor Rutman, sei nicht mehr reine Frauensache. Auch Männer machten sich auf den Weg zur tieferen Bewusstwerdung. Im «Zeit des wilden Mannes» zum Beispiel, wo Männer einige Tage in der Natur verbringen und ihre archaische Kraft erforschen. Oder an Haka-Workshops, in denen Männer sich zum Haka, dem traditionellen Tanz der Maori versammeln, um ihre Stärke zu erkennen und in Kontakt zu treten mit ihrem «inneren Krieger».

Eines der begehrtesten Kraftzentren befindet sich jedoch im Emmental, in Lützelf lüh. Hier empfängt Diana Richardson, 66-jährig, gebürtige Südafrikanerin, Buchautorin und Pionierin des «Slow Sex». Sie ist eine eindrückliche Erscheinung: lange, graue Haare, ein wissendes Lächeln, ungeschminkt. Zweimal pro Jahr gibt sie im Waldhaus Lützelflüh den Kurs «Zeit für Weiblichkeit. Ein tantrischer Reinigungsprozess für Frauen». Er ist konstant ausgebucht.

Frauen wollen wieder Lust verspüren

Diana Richardson erklärt den Run auf ihren Kurs so: Frauen seien auf der Suche nach etwas Neuem. Etwas, das sie wieder Lust verspüren lässt. Und dann spricht auch sie davon, dass Frauen – wie Männer – zunehmend die Verbindung zu ihrem Körper verlieren, weil sie sich zu sehr vom Verstand leiten liessen. «Doch sind Frauen geradezu Meisterinnen darin, gegen die Wahrheit ihres Körpers zu handeln», sagt sie, «seine Reaktionen nicht ernst zu nehmen, getrieben von der Angst, nicht zu gefallen, auch beim Sex.» Um eine Probe aufs Exempel zu machen, erzählt sie, habe sie mal die Teilnehmerinnen eines Kurses gefragt, wer von ihnen ihren Partner in sich eindringen lasse, bevor sie selbst dazu bereit sei. «Es hoben alle die Hand.»

«Es sind die Brüste, die den weiblichen Körper wecken»

In ihren Kursen lernen Frauen, wieder ein Gefühl für ihren Körper zu entwickeln, üben Entspannungstechniken und Selbst-Massage. Zudem rät ihnen Diana Richardson, eine innere Verbindung zu ihren Brüsten aufzubauen, statt sich damit zu beschäftigen, wie sie von aussen aussehen. Denn über die Brüste öffne sich der Körper, beginne die Energie zu zirkulieren, vom Herz runter zur Vagina. «Es sind die Brüste, die den weiblichen Körper wecken», sagt Diana lächelnd. Ein schöner Satz. Dann gibt sie noch diesen mit auf den Weg: «Weiblichkeit ist nichts, was du dir erarbeiten musst. Weiblich – das bist du einfach.»

Sobald das Weibliche und das Männliche in Harmonie zusammengefunden haben, werden alle Menschen freier sein, zu wählen, wer sie sein wollen, prophezeit das «weibliche Erwachen». «Es ist wie in der Natur», sagt Helen Light, eine der Anhängerinnen der Bewegung in Schweden. «Pflanzen wachsen Seite an Seite, und dennoch sieht keine so aus wie die andere. Jede blüht in ihrer eigenen Kraft.»

«Mich hinter Rollen oder Fassaden zu verstecken, geht heute nicht mehr»: Helen Light vom «Self Love Sister Circle».

Helen hatte ihr Erweckungserlebnis vor fünf Jahren an ihrem ersten Frauenzirkel auf Bali. Während einer Übung, bei der sie angeleitet wurde, sich in die Wahrnehmungen ihres Körpers hineinzubegeben, hatte sie plötzlich das Gefühl, am ganzen Körper mit Ketten festgezurrt zu sein, daran gehindert zu werden, ihr Leben aus voller Kraft zu leben. Und sie sah in einer Vision Generationen von Frauen hinter ihr, die genauso gefesselt gewesen waren wie sie, und sie verspürte den Drang, sich selbst und damit auch die anderen Frauen zu befreien.

Zurück in Schweden hängte sie ihren Job in der Hotelbranche an den Nagel. Sie bildete sich zur Yogalehrerin aus, vertiefte sich in Tantra-Praktiken und gründete in Stockholm den Frauenkreis «Self Love Sister Circle». In jener Zeit begegnete sie der Fotografin Elin Berge, die für ihre Dokumentation über das «weibliche Erwachen» ein fast schon ikonisches Bild von ihr machte: ein Porträt in Nahaufnahme, schaut man genau hin, erkennt man eine Träne, die über ihre rechte Wange rinnt.

«Dieses Bild zeigt meine Verletzlichkeit, gleichzeitig aber auch meine Entschlossenheit, die ich auf meinem Weg gewonnen habe. Mich hinter Rollen oder irgendwelchen Fassaden zu verstecken – das geht heute nicht mehr.» In diesem Prozess liegt für Helen Light denn auch die Essenz des «weiblichen Erwachens»: Die ureigene innere Lebenskraft zu aktivieren und die Freiheit zu finden, niemandem mehr gefallen zu müssen.

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1.

Fühlen, wie mutig und stark sie sind: Frauen gehen barfuss über glühende Kohlen…

2.

… und zwischen den Workshops nackt baden.

3.

Die Kraft, die in ihr steckt: Wie Kelsey (r.) finden viele Frauen während der Schwangerschaft zur Awakening-Bewegung oder sie sind Geburtshelferinnen so wie Susannah (l.).

4.

«Inte din Fitta»: Das Tattoo von Hannah-Maria bedeutet «Nicht deine Pussy». Die junge Schwedin hatte es sich stechen lassen, weil sie es nicht mehr aushielt, dass fremde Männer ihr in Clubs an die Wäsche gingen.

5.

Teresa, eine schamanische Priesterin, spürt die grosse Göttin: Mutter Natur.

6.

Einfach mal treiben lassen: Jeanette am «Sacred Women’s Retreat» in Stockholm 2017.

7.

«Womb Awakening»: In der Gebärmutter sollen alte Traumata stecken, die geheilt werden wollen.

8.

«Der Teufel»: Über Tarot wird die weibliche Intuition ausgespielt.