Die Ferienerinnerungen verblassen, die Souvenirs bleiben – obwohl oft gerade sie zum Vergessen wären. Die annabelle-Redaktion kann ein Lied davon singen.
Die Siebenmeterstiefel
Frank Heer, Reporter
Only twenty Dollars, sagte der Hippie, als ich in seiner Brockenstube im kalifornischen Joshua Tree vor einem Paar Cowboyboots mit Stickerei und hohen Absätzen stand. Sie waren etwas ausgelatscht und made in Korea, und trotzdem, ich nickte, a very good price. Eine Woche später, zuhause in Zürich. Die Stiefel passten meiner Frau vorzüglich. Und weil am Wochenende Neil Young in Locarno spielte, warf sie das Schuhwerk in den Koffer, und ab gings gen Süden. Schon auf dem Weg vom Hotel zur Piazza Grande löste sich die linke Sohle. In einer Cafeteria half man uns mit Klebeband aus, kurz darauf löste sich die rechte Sohle. Zum Glück standen wir da schon fast vor der Bühne, Young spielte «Powderfinger», und alles schien gut zu werden. Doch nun taten meiner Frau die Füsse weh, was ich daran erkannte, dass sie schmerzverzehrt lächelte, wenn ich ihr zuzwinkerte. Trotzdem blieb sie tapfer und wippte da und dort im Takt. Wieder zuhause, begriff ich den Ernst der Lage: Die Stiefel sind nicht mehr zu retten, sagte der Schuster. Ich nickte und dachte: Only twenty Dollars.
Was: Cowboystiefel (getragen) aus Joshua Tree, Kalifornien, Preis: 20 Dollar
I’m a Gnu, How Do You Do?
Brigitte Zaugg, Produzentin
Mit meinen Pareos aus angeblicher Seide, fadenscheiniger Baumwolle und grösstenteils Polyester könnte ich die Eigernordwand tapezieren. Meine Schmuckstücke aus Glasperlen, Muscheln, Holzchrälleli und dürftig versilbertem Blech ergäben einen gut assortierten Schmuckstand auf jedem Flohmarkt der Welt. Lauter Fehlkäufe, könnte man meinen, denn ich trage nie Ketten und selbst im Hochsommer ausschliesslich Jeans. Aber nein! Lauter Zukäufe. Zukäufe, mit denen ich den Preis des jeweiligen Objekts meiner wahren Begierde gedrückt habe. Tönt nach Geiz, ist jedoch von Indonesien bis Tansania und von Indien bis Brasilien die goldene Regel: Buy more, pay less! Je mehr Dinge ich kaufe, umso glücklicher ist der lokale Souvenirhändler. Da darf das einzelne Stück dann ruhig ein bisschen weniger kosten. Das kleine Gnu auf meinem Küchenregal zum Beispiel, aus einem Laden am Strassenrand auf dem Rückweg aus der Serengeti: Hinter einer Armada von Elefanten und Nashörnern in allen Grössen, da stand es, das Einzige seiner Art, in der hintersten Ecke und schaute mich mit seinen hölzernen Augen traurig an. Das musste ich haben! Hätte ich nicht nach einem Gnu, sondern nach einem Kaffernbüffel gefragt, der Verkäufer hätte es mir ohne Zögern als traurigen Kaffernbüffel angepriesen. So aber ist es mein Gnu geworden, nach zwei Stunden Verhandeln und zum ungefähr halben Preis. Und natürlich unter Zukauf von etlichen Halsketten und Pareos, für die ich insgesamt wohl etwas mehr als die andere Hälfte des Gnu-Preises bezahlt habe.
Was: Gnu (geschnitzt), Arusha, Tansania, Preis: Schwierig zu rekonstruieren
Das Klötzchen an meinem Bein
Sven Broder, Reportagechef
Es war jetzt nicht das Feriensouvenir, das ich mir gewünscht hatte. Ich las es beiläufig am Strand auf. Es sah nicht besonders schön aus. Zudem juckte es. Dass ich es überhaupt mitgenommen hatte, fiel mir erst auf, als ich bereits im Flugzeug zurück in die Schweiz sass. Auch meiner Frau gefiel es nicht. Ich glaube mich zu erinnern, dass sie sogar verstohlen kreischte, als ich es ihr zeigte, so als präsentierte ich ihr zwischen den Sitzreihen eine seltene Urwaldkröte, die ich gerade im Begriff war, illegal auszuführen. Dabei wars nur ein Ei. Faustgross. Direkt über meinem rechten Fussknöchel. Und egal, was genau sich darin befand, es stand kurz davor auszuschlüpfen. Zuhause ging ich damit zum Doktor. Nicht schön, fand auch er. Wieder gegangen bin ich an Krücken. Mit einem Gips von der Zehenspitze bis zur Leiste. Ein gebrochener Mann. Meine Tochter fühlte Mitleid. Ihr grosser Bruder schämte sich für mich. «Mein Gott, was hast du da für ein tolles Souvenir mitgebracht?», fragten die Leute. Da hätte ich dann gern etwas Gefährliches erzählt. Etwas mit Klippen. Mit hohen Wellen oder so. Aber meist kam mir mein Sohn zuvor und sagte die Wahrheit: «Ihn hat eine Sandfliege gestochen …!»Die potenzielle Blutvergiftung liess er weg – fand er wohl total überdramatisiert, angesichts der Dimension des Vorfalls.
Was: Insektenstich (entzündet), Nopparat Thara Beach, Thailand, Preis: Kostenlos
Buena Vista Smoking Club
Stefanie Rigutto
Ich rauche nicht. Und den Gestank von Zigarren kann ich nicht ausstehen. Trotzdem zuckte ich nicht mit der Wimper, als mein Guide in Havanna meinte, wir müssten jetzt eine Zigarre rauchen. Das mache man so in Kuba. Ich rief «Claro! Vamos!» und sass wenig später im kleinen Hinterzimmer einer alten Kolonialvilla. An einem Tischchen sass ein Typ vor einem Berg Tabakblätter. Er rollte einen Puro und sagte: «Nimm.» Der Guide schaute erwartungsvoll. Ich griff zu. Paffte wie eine Grosse. Die Zigarre schmeckte süsslich und kratzte nicht einmal im Hals. Noch besser gefiel sie mir, wenn ich den Mundteil ins Rumgläschen tunkte, das plötzlich vor mir stand. Wahrscheinlich war ich gleichzeitig high und betrunken, jedenfalls sah ich mich bereits zuhause auf unserer Terrasse sitzen, eine Cohiba rauchend, den Fuss lässig zu einem Son wippend. Logisch, dass ich ein paar fette Montecristos kaufte und – der Romantik wegen – ein paar Romeo y Julietas. Das war 2009. Die Zigarren habe ich immer noch. Mittlerweile sind sie trocken wie Staub.
Was: Zigarren (gerollt), Havanna, Kuba, Preis: 60 CUC (ca. 55 Franken)
Was war ich für ein Pilzkopf
Claudia Senn, Kulturredaktorin
Welcher Teufel mich wohl geritten hatte, so einen Mist über die Grenze zu schmuggeln? Nach einem orgiastischen Pilzrausch an einem thailändischen Strand war ich überzeugt, der Erleuchtung noch niemals so nahe gekommen zu sein. Das musste ich wiederholen! Gemeinsam mit meinem daheimgebliebenen Freund! Also versteckte ich zwei Portionen der muffig riechenden Zauberdroge im Gepäck. Doch wieder zuhause, liess die geplante Orgie immer länger auf sich warten. Es fehlten die Palmen, das Meer, die Abenteuerlust. Bald war auch der Freund weg. Schliesslich vergass ich die Pilze. Jahre später, nachdem sie zwei Umzüge und drei Liebhaber überstanden hatten, warf ich sie ohne den leisesten Hauch von Bedauern weg. Mit weniger Glück hätte diese Eskapade in einem thailändischen Knast oder in einer Arrestzelle am Zürcher Flughafen enden können. Vielleicht ekelten sich die Zöllner vor meinem versifften Rucksack, an dem der Dreck von drei Monaten Asien klebte. Oder die Drogenschnüffelhunde mochten keine Gammelpilze. Danke, Schicksal, das war echt nett von dir!
Was: Magic Mushrooms (getrocknet), Ko Phangan, Thailand, Preis: 3 Dollar
Die Vögel der weissen Massai
Barbara Achermann, Redaktorin
Madame Nini ist Schneiderin, ihr Atelier eine offene Veranda in Lomé, Westafrika. Sie arbeitet auf einer handbetriebenen Nähmaschine, in einer Ecke glüht Kohle für das Bügeleisen. Madame nimmt meine Masse. Drei Tage später stehe ich bei ihr vor ihrem vergilbten Spiegel und frohlocke. Ich liebe mein neues Kleid à l’africaine mit den tausend winzigen Vögelchen, die alle Richtung Himmel fliegen. Als ich es, zurück in Basel, aus dem Koffer berge und zärtlich bügle, sucht mich ein Anfall von Melancholie heim. Ich ahne bereits, dass ich diesen afrikanischen Traum in der Schweiz nicht tragen werde. Im besten Fall würde ich als von allen guten Geschmäckern verlassene Entwicklungshelferin bemitleidet. Viel eher aber als weisse Massai verspottet. Nur ein einziges Mal wage ich es, das Kleid anzuziehen, daheim, für meinen Mann. Er schaut mich lange an, legt dann den Kopf schräg, faltet die Hände und sagt: «Seltsam. Deine Brüste sehen darin so klein aus.»
Was: Kleid (massgeschneidert), Lomé, Togo, Preis: ca. 26 000 CFA-Francs (50 Franken)