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Solidarität!

Leben

Solidarität!

  • Text: Barbara Loop

Für Redaktorin Barbara Loop sind oft ökonomische Zwänge für Ungleichheit verantwortlich. Deswegen demonstriert sie am 14. Juni nicht nur gegen althergebrachte Rollenbilder, sondern auch gegen Lohnungleichheit und prekäre Arbeitsverhältnisse.

Ich staunte nicht schlecht über die Reaktionen, als ich in Erwartung meines ersten Kindes verkündete, dass ich nach dem Mutterschaftsurlaub weiterhin 80 Prozent arbeiten würde. Bei drei Kita-Tagen und je einem Tag Betreuung durch mich und meinen Mann sahen Bekannte und Familienmitglieder das Wohl des Kindes, vor allem aber meinen Kräftehaushalt in Gefahr. Was mich überraschte, war nicht der Umstand, dass sich niemand um die Kräfte meines Mannes zu sorgen schien. Und ich konnte auch akzeptieren, dass nicht alle meine Überzeugung teilen, dass Kinder nicht allein ihre Eltern brauchen, um sich geborgen zu fühlen und glücklich zu sein. Nein, erstaunt hat mich, dass offenbar niemand in Betracht zog, dass auch mein Einkommen notwendig ist, damit wir als Familie so leben können, wie wir es uns eingerichtet haben.

In den Debatten um Gleichstellung der Geschlechter kommt Erwerbsarbeit vor allem als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und als Mittel zur gesellschaftlichen Anerkennung vor. Man diskutiert über die gläserne Decke, über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, mit Kindern glücklich zu werden, über den Unwillen oder die Unfähigkeit von Frauen, sich im Job durchzusetzen, und über die psychologischen Spätfolgen einer Kita-Kindheit – und man vergisst dabei, dass es nicht zuletzt auch ökonomische Zwänge sind, welche die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zementieren.

Gemäss einer vom Seco in Auftrag gegeben Langzeitstudie steigt hierzulande die Zahl der sogenannt atypisch-prekären Arbeitsverhältnisse, der Jobs also, die entweder befristet, auf Abruf, als Praktikum, in kleinem Pensum oder unter anderweitig unsicheren Bedingungen vergeben werden. Betroffen sind häufig Angestellte im Dienstleistungssektor – und besonders häufig Frauen. Auch Unterbeschäftigung, ein Beschäftigungsgrad also, der unter dem erwünschten Pensum liegt, trifft in drei von vier Fällen Frauen.

Ein Fakt ist auch, dass Frauen in der Schweiz überdurchschnittlich oft von Armut betroffen sind. Von den 570 000 Personen, die laut Bundesamt für Statistik 2015 in Armut lebten, waren 330 000 Frauen. Und es sind nicht nur althergebrachte Rollenbilder, sondern auch Lohnungleichheit und prekäre Arbeitsverhältnisse, die die Entwicklung begünstigen, dass Frauen nach wie vor den Grossteil der unbezahlten Arbeit übernehmen. Sie betreuen die Kinder, kümmern sich um den Haushalt, pflegen alte und kranke Angehörige – und riskieren so etwa nach einer Scheidung, einem Todesfall des Partners oder im Alter in die Armut abzurutschen.

Gemessen an diesen Frauen ist meine finanzielle Abhängigkeit klein. Ich und meine Familie könnten eine Reduktion des Arbeitspensums wohl verkraften, ohne in eine finanzielle Notlage zu gelangen. Aber bei einem Streik geht es immer auch um Solidarität. Am 14. Juni gehe ich also auch für diejenigen Frauen auf die Strasse, die diese Wahl nicht haben: für die schlecht bezahlten Putzfrauen, die noch immer viel zu oft in prekären, wenn nicht illegalen Arbeitsverhältnissen dafür sorgen, dass berufstätige Paare wie mein Mann und ich die Gleichstellung leben können. Für die Mütter und Schwiegertöchter, die ihre kranken Kinder und alten Verwandten auch an diesem Tag nicht einfach allein lassen können. Und für die Frauen, die es sich nie erlauben könnten, ihren Job für einen Frauenstreiktag aufs Spiel zu setzen.