Sita Mazumder ist für eine Wirtschaftsprofessorin zu jugendlich, zu hübsch, zu quirlig, zu sexy und zu unangepasst. Wie schön!
Zu Sita Mazumders grösseren Problemen gehört vermutlich, dass andere sich in ihrer Gegenwart stets etwas mittelmässig fühlen. Was ist schon die eigene bescheidene Karriere gegen ihren Turbo-Werdegang? Wie schafft sie es, neben ihrer Hundertprozentprofessur auch noch eine eigene Firma zu führen, nicht zu vergessen all die Verwaltungsratsmandate, die Lehraufträge in Zürich, St. Gallen, New York, die Bücher und Kolumnen, die sie publiziert? Warum absolviert diese Superwoman ihre 70-Stunden-Woche mit einem entspannten Lächeln, während der Rest der arbeitenden Bevölkerung schon nach 40 Stunden in den Seilen hängt? Und weshalb sieht sie zu alledem auch noch unverschämt gut aus? Ja, man könnte glatt Angst bekommen vor Prof. Dr. oec. publ. Sita Mazumder.
«Stimmt», sagt sie, «manche halten mich für einen Übermenschen.» Auf keinen Fall aber möchte sie, dass dieser Eindruck von Dauer ist. «Ich mache ständig Fehler», sagt sie. «Ich lasse manchmal sogar groben Stuss raus, weil ich schneller spreche, als ich denke. Ich könnte nie in die Politik gehen, denn dafür bin ich viel zu undiplomatisch und zu ehrlich. Ich bin auch keine Intelligenzbestie, die ihr Gehirn pausenlos mit gescheiten Sachen füttern muss. Abends will ich ‹Grey’s Anatomy› schauen wie jeder andere auch.» Sogleich wird klar, was das Bemerkenswerte an Sita Mazumder ist: ihre Authentizität und Frische, die in der von steifen Anzugträgern dominierten Finanzbranche wie eine Provokation wirken muss.
Mazumder, die früher als Model jobbte, unterrichtet am Institut für Finanzdienstleistungen der Hochschule Luzern. Wenn sie in Jeans und Converse-Turnschuhen den Hörsaal betritt, halten die Studentinnen sie für eine Kommilitonin, zumal sie viel jünger aussieht als ihre 41 Jahre. Und niemals würde sie sich mit «Frau Professor» ansprechen lassen. Wenn allerdings jemand den Fehler macht, ihr dumm zu kommen, wie neulich die Verkäuferin in der Hermès-Boutique, die die vermeintliche Studentin fragte: «Gell, Fräulein, Sie wissen schon, dass bei uns alles ganz teuer ist?», dann zückt sie mit unschuldigem Lächeln ihre Visitenkarte und freut sich diebisch über den Gesichtsausdruck ihres Vis-à-vis. Ist es nicht ein Riesenspass, die Erwartungen der Leute gegen den Strich zu bürsten?
Auch wenn Sita Mazumder für eine Ökonomieprofessorin, wie man sie sich gemeinhin vorstellt, zu jugendlich, zu hübsch, zu quirlig, zu sexy gekleidet und zu unangepasst ist, sollte man sie auf keinen Fall unterschätzen. Das Studium der Wirtschaftswissenschaften schloss sie in der Minimalzeit von acht Semestern und mit summa cum laude ab, obwohl sie nebenher zu 80 Prozent bei einer Bank arbeitete. Für ihre Doktorarbeit, in der sie der Frage nachging, wie Schweizer Banken mit den Geldern von geächteten Diktatoren umgehen sollen, erhielt sie einen wichtigen Forschungspreis. Später untersuchte sie, was die Anschläge vom 11. September 2001 für wirtschaftliche Folgen hatten. Sie rechnete aus, dass al-Qaida mit einem Einsatz von lächerlichen 500 000 Dollar – so viel hatten die Attentate auf die Twin Towers gekostet – direkte Folgeschäden von 55 Milliarden Dollar verursachte. (Mal abgesehen von den weiteren 700 Milliarden für die beiden Kriege in Afghanistan und im Irak, den Prozess- und Gefängniskosten für gefasste Terroristen, den Einbussen im Aussenhandel und Tourismus.) Inzwischen gilt Sita Mazumder als anerkannte Expertin für Geldwäscherei, Korruption und Terrorismusfinanzierung. Gerade war sie wieder für fünf Wochen in New York, um dort zum zehnten Jahrestag von 9/11 über ihr Fachgebiet zu referieren.
Nebenher plant sie Konferenzen und Tagungen, etwa die Women’s Business Conference in Zürich, berät Firmen, organisiert Hochzeiten oder richtet Wohnungen ein, denn ihre Firma Purple hat neben konventioneller Unternehmensberatung auch Lifestyle-Dienstleistungen im Angebot. Gibt es irgendetwas, das sie nicht kann? «Ja. Singen», sagt Sita Mazumder. «Wenn ich unter der Dusche trällere, fällt der Vorhang runter. So grauenhaft ist meine Darbietung.» Burn-out-gefährdet sei sie nicht, «das hat mir mein Arzt bestätigt». Sie könne sich «brutal gut» entspannen. «So gut, dass ich fast meinen Namen vergesse.» Zur Not fahre sie ein, zwei Wochen in ihr Shangri-La, das Luxushotel Palm Twins auf Phuket – und schwupps sei ihre Batterie wieder aufgeladen.
Ihre Schaffenskraft hat fast unheimliche Züge. Woher kommt diese manische Energie?
Mag sein, dass sie schon während ihrer schwierigen Kindheit beschlossen hat, es allen zu zeigen. Als Tochter eines «dunklen Inders», der in den Sechzigerjahren als Ingenieur in die Schweiz kam, und einer Schweizer Mutter mit französischen Wurzeln entsprach sie schon rein äusserlich nicht dem Durchschnitt. «In der Primarschule fühlte ich mich als totale Aussenseiterin.» Mit 16 machte sie gegen alle Widerstände den Pilotenschein. Seither liebt sie «alles, was fliegt oder fährt». Aktuell gerade Vespas, Helikopter und ihren Mini.
Endgültig zur Kämpfernatur wurde sie, als sie mit 23 lebensbedrohlich erkrankte. Dass es sich um einen Tumor handelte, hielt sie geheim. Nicht einmal ihr Freund und ihre Mutter wussten damals Bescheid. Weshalb wollte sie die Krankheit mit sich allein ausmachen? Hätten ihr ein bisschen Trost und Unterstützung nicht gutgetan? «Nein», sagt sie. «Für mich war es leichter so. Ich hätte die mitleidigen Blicke nicht ertragen.» Sita Mazumder, 153 Zentimeter klein und zierlich, ist ein toughes Cookie. Zwei Jahre dauerte es, bis sie ihr Studium wieder aufnehmen konnte. Ihr «Hunger nach Lernen und Entdecken» war grösser als je zuvor.
Wie hält es eine Frau, deren Herz so leidenschaftlich für die Karriere schlägt, mit der Liebe? Gehen die Männer vor ihrer Brillanz in die Knie? Oder suchen sie panisch das Weite, aus Angst, ihr nicht genügen zu können? «In der Vergangenheit habe ich weiss Gott nicht immer ein glückliches Händchen mit Beziehungen gehabt», sagt Sita Mazumder. Schlimm war das nicht, im Grunde genommen hatte sie sich längst damit abgefunden, dass es auf die Dauer keiner mit ihr aushalten würde. «Doch dann setzte sich eines Tages Ronny neben mich», Ronny Alder, ein Unternehmer aus der Motorsportbranche, «lustig ohne Ende, ein herzensliebes Mondkalb, mir in keinster Weise unterlegen». Sita Mazumder, in der Liebe mit derselben Just-do-it-Mentalität ausgestattet wie im Beruf, beschloss sogleich, dass dies der Mann sei, mit dem sie alt werden wollte. Subito zog man zusammen. «Okay, ich habe ein bisschen gepusht. Er hat aber auch gern nachgegeben.»
Fünf Jahre ist das nun her. Und noch immer spricht sie über ihren Partner, als könne sie kaum glauben, was für ein Wunderwesen sie sich da geangelt habe. «Es war ein Griff in den Regenbogen», sagt sie. Sie wisse gar nicht, womit sie ihn verdient habe. «Der muss aus der Retorte kommen. Der ist zu gut, um wahr zu sein. Irgendwo muss er doch einen Abgrund haben, aber ich finde einfach keinen.»
Mag sein, dass solche Töne ungewohnt sind für eine Ökonomieprofessorin. Doch wer täglich im Fernsehen sieht, wie dröge und überheblich Vertreter von Finanz und Wirtschaft ihre Auftritte vor den Medien absolvieren, wie peinlich sie darauf achten, bloss nichts Persönliches aufschimmern zu lassen, der wünscht sich mehr, viel mehr Sita Mazumders.
Women’s Business Conference
Am 9. November findet im Zürcher Hotel Park Hyatt die von Sita Mazumder organisierte 6th Women’s Business Conference statt. Moderiert von Susanne Wille, referieren und diskutieren hier zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung über die Herausforderungen der Zukunft. Mit dabei sind unter anderem die Ex-Bundesrätin Elisabeth Kopp, Jeannine Pilloud, Leiterin Personenverkehr bei den SBB, sowie das 15-jährige Gesangstalent Julia Star. Der Anlass kostet 390 Fr.