Ganz sicher nicht, sagt unsere Autorin, die es wissen muss, stehen ihr doch gleich drei dieser viel gepriesenen «schwulen Freundinnen» zur Seite.
Sind Schwule die besseren Freundinnen? Ganz sicher nicht, sagt unsere Autorin, die es wissen muss, stehen ihr doch gleich drei dieser vielgeprisenen «schwulen Freundinnen» zur Seite.
«Sie sehen gut aus, haben Stil, sind gepflegt, wissen stets genau, wovon man redet. Sie beraten dich beim Shoppen, schwärmen für dieselben Männer, heulen und lachen mit dir. Sie sind quasi beste Freundinnen», schreibt das Magazin «Men’s Health» über schwule Freunde. Das würden viele Frauen unterschreiben. Wie oft höre ich von meinen Freundinnen Dinge wie «Ich beneide dich so» und «Ich wünsche mir sehnlichst auch einen schwulen Freund». Dass sie neidisch sind, verstehe ich natürlich. Meine drei schwulen Freunde sind grossartig. Aber die Vorstellung, diese Männer seien wie beste Freundinnen, ist komplett falsch.
Meine schwulen Freunde sind keine Fashionexperten
Ich war noch nie mit einem von ihnen shoppen. Wenn ich sie frage, ob mir ein Kleid steht, bekomme ich die gleichentwort wie von jedem anderen Mann. Also etwas zwischen «Ja, ehem, hmm, jaja» und «Doch, ja, das sieht lustig aus». Warum Mann einer Frau nie, wirklich nie sagen darf, dass ein Kleidungsstück
«lustig» aussieht, begreifen sie genauso wenig wie ihre heterosexuellen Kollegen. Sie selbst kaufen bei H&M ein und lassen die Hemden dann von einer Putzfrau bügeln. Natürlich sind Schwule «gepflegt». Aber sind das mittlerweile nicht die meisten Männer? Jedenfalls habe ich von meinen schwulen Freunden noch nie einen Schminktipp bekommen, keiner von ihnen sagt mir, welche Tagescrème die beste für meine Haut wäre, und genau wie alle anderen Männer fragen auch sie, wenn ich einmal Lipgloss statt normale Pomade benutze: «Für wen hast du dich denn heute so wahnsinnig aufgebrezelt?»
Nein, sie schwärmen auch nicht für die gleichen Männer wie ich. Philip steht auf Männer mit behaarter Brust, breiten Schultern, tiefer Stimme. Männer über vierzig. Typ: Bruce Willis. Dario steht auf Bubi-Typen à la Orlando Bloom. Mit einer Haut wie ein Babypopo, feminine Männer halt. (So jedenfalls würde ich sie nennen. Er natürlich nicht.) Und Mircos Männergeschmack? Da kommt eigentlich niemand draus, worin der genau besteht. Komischerweise ist jeder der drei überzeugt, dass er den genau gleichen Geschmack hat wie ich. «Sie steht eben wie ich auf die hübschen jungen Typen» – «Nein, sie braucht nicht so einen Bubigrind, sondern einen richtigen Mann, 35 aufwärts.» Und wenn sie sich auf jemanden einigen können, ist er ein einziger Kompromiss und darum garantiert ein Reinfall.
Apropos Reinfall. Nein, sie heulen nicht mit mir, wenn mich ein Mann enttäuscht hat. Nicht dass sie gefühlskalt wären. Im Gegenteil. Aber benimmt sich ein Mann wie ein Idiot, hat er mich ihrer Meinung nach nicht verdient und sollte schnellstmöglich vergessen werden. Schluss. Basta. Ende der Diskussion. Abende mit den «Desperate Housewives», «Sex and the City» oder zum tausendsten Mal «Pretty Woman», wie man sie in einem solchen Fall mit der besten Freundin verbringen würde, stehen nicht auf dem Plan. Stattdessen wollen sie im Kino «Sennentuntschi» schauen und amüsieren sich köstlich, wenn mir bei den Horrorszenen übel wird und ich immer tiefer in meinem Sessel versinke. Typisch Mann!
Meine schwulen Freunde raten mir nie, mit dem Sex «noch zu warten». Habe ich mich mit einem Mann verabredet und sie wissen davon (was oft der Fall ist, denn sie sind neugierig, sehr sogar), fragen sie, ohne zu zögern: «Und wie wars? Hattest du einen Orgasmus? Hast du geschluckt? Habt ihr Petting gemacht? Wenigstens geknutscht?» Im Gegensatz zu besten Freundinnen reden sie viel öfter und viel offener über Sex. Das ist wahrlich sehr nützlich. Manchmal. Denn sie sind ehrlicher als jede Frau. Erklären ohne Umschweife, warum wir Frauen «unvergleichbar schlechter» blasen als Männer. «Also das zarte Umegvätterle, das ihr macht, das bringt rein gar nichts. Vor allem bei beschnittenen Männern darfst du nicht zimperlich sein.» Manchmal ist ihre Art, über Sex zu reden, aber auch gewöhnungsbedürftig. Denn nicht selten erzählen sie von Praktiken aus der Schwulenszene, von denen ich nicht mal wusste und auch nicht wissen wollte, dass es sie gibt.
Meine schwulen Freunde sind ehrlicher als jede Frau
Warum wir Frauen uns ständig über alles und alle Gedanken machen, warum wir das Leben manchmal «so schwernehmen», verstehen sie nicht. «Du könntest ja einfach mal ein bisschen
mit ihm zusammen sein, und wenn es dann nicht gut ist, lässt du es halt wieder bleiben.» Eine beste Freundin würde so etwas nie raten. Nie.
Schwule können genauso schlecht oder gut kochen wie andere Männer. Dario zum Beispiel weiss nicht einmal, wie man Ofenkartoffeln macht. (Ich auch nicht. Darum mussten wir meine Schwester anrufen und um Rat fragen. Aber meine Kochkünste stehen nicht zur Debatte.) Und von wegen Gourmet: Beim Italiener bestellt er jedes Mal das Gleiche – eine Pizza Margherita.
Schwule können sich – wie alle Männer – einige Tage oder Wochen nicht melden und dann völlig verblüfft fragen, was denn los sei, wenn man deswegen sauer ist. Ganz im Gegensatz zu besten Freundinnen verübeln sie es mir aber auch nicht, wenn ich selbst mich eine Zeit lang nicht melde. Sie sagen mir ohne Umschweife, was ich zu einem Date anziehen muss, einfach «weil das super aussieht», ob es nun Mode ist oder nicht. «Du hast in diesem Kleid Wahnsinnsbrüste» würde bei jedem anderen Mann bescheuert klingen. Sie stellen mich ihren schönsten heterosexuellen Bekannten vor und sind dann nicht böse, wenn ich den Rest des Abends mit denen verbringe. Im Gegenteil. Ohne Neid verfolgen sie mein Liebesleben mit grösstem Interesse. Jeder Mann wird diskutiert und bewertet. Und wenn ich ihnen von einem Es-ist-irgendwie-kompliziert-Mann erzähle, entwerfen sie Masterpläne, überlegen hin und her, was es zu tun gilt, sind aber nicht enttäuscht, wenn der ach so tolle Plan über den Haufen geworfen wird, weil der Mann nicht mehr aktuell ist.
Nein, schwule Freunde sind nicht die neuen «besten Freundinnen». Aber sie sind die besten Freunde. Und sie wären es auch, wären sie nicht schwul.