Selbstverteidigung – eine Mini-Serie in zwei Teilen. Zweiter Teil: Der beste Schutz ist Selbstbewusstsein.
Wer von Selbstverteidigung spricht oder Techniken zur Selbstverteidigung trainiert, kommt früher oder später darauf, dass jegliche Verteidigung seiner selbst im Kopf beginnen muss. Oder anders gesagt: Technik, Taktik und Muskelkraft sind gut, aber sehr viel wirksamer ist die richtige Einstellung – die richtige Einstellung zu sich selbst. «Bevor ich in meinem Einzelcoaching mit dem körperlichen Training beginne, finde ich mit den Teilnehmenden heraus, vor welchen Situationen sie Angst haben, wo ihre Blockaden sind, welche Stärken sie haben, wie sie ihre Grenzen definieren und vor allem: wie sie ihre Rolle in der Gesellschaft sehen», erklärt Christian Wanner, Kommunikationsberater, Coach und Trainer für Selbstverteidigung. Dies sei gerade für Frauen eine grundlegende Erkenntnisarbeit. Frauen übernehmen schon früh Rollenmuster, die in einem Ernstfall verheerende Folgen haben können. «Sie glauben, dass sie nett und schön sein müssen, um geliebt zu werden und haben deshalb häufig Hemmungen, laut Nein zu sagen, geschweige denn zuzuschlagen», sagt Wanner.
Frauen müssen also lernen, aus der Rolle zu fallen, das heisst lautstark zu protestieren, zu schreien, ihre Bedürfnisse klar zu formulieren, Grenzen zu setzen und diese dann auch mit aller Entschlossenheit zu verteidigen. «Wer weiss, dass er das kann, erlangt ein Selbstbewusstsein, das sicht- und spürbar ist», sagt Denise Bundi Rüegg, Trainerin bei Pallas, der Schweizerischen Interessengemeinschaft Selbstverteidigung für Frauen und Mädchen. «Das ist ein wichtiger Schritt, um gefährliche Situationen abzuwenden.» Denn Studien haben gezeigt, dass eine massive Gegenwehr bei bis zu 85 Prozent der Vergewaltigungsversuche zum Ablassen des Täters führt (siehe Studie). Schon blosses Schreien schlägt jeden zweiten Täter in die Flucht, geringer Widerstand oder Weinen bleibt hingegen meist erfolglos.
Infos zu Kursen und Veranstaltungen: www.pallas.ch, www.functionalfighting.ch
Die Zahl
10 000 – So viele Male muss eine Bewegung mindestens wiederholt werden, bis sie im Muskelgedächtnis verankert ist. Das heisst, bis man sie reflexartig beherrscht.
Die Studie *
– Ohne Gegenwehr des Opfers: Vollendete Vergewaltigung in 74% der Fälle.
– Bei leichter Gegenwehr: Vollendete Vergewaltigung in 36% der Fälle.
– Bei massiver Gegenwehr (Treten oder Schlagen, lautes Schreien, Beissen oder an den Haaren ziehen): Abbruch in 85% der Fälle.
* zum Verhalten von Sexualtätern; Quelle: www.kriminalitaet.info