Unter dem Hashtag #SchweizerAufschrei berichten Frauen auf Twitter von Sexismus im Alltag. Das ist gut. Die Debatte über sexistische Verhaltensformen muss geführt werden. Laut und immer wieder. Auch dann, wenn die Schreie längst wieder verstummt sind. Wir bleiben dran.
Man muss es neidlos eingestehen: Donald Trump hat etwas vollbracht, was unzählige Kampagnen und Demonstrationen vorher kaum geschafft haben. Er hat die Diskussion um den «ganz normalen» alltäglichen Sexismus zu einem nationenübergreifenden Thema gemacht – auch in der Schweiz. Vor etwa zwei Wochen lancierte die Genderforscherin Franziska Schutzbach den Hashtag #SchweizerAufschrei. Seither berichten Schweizer Frauen von verbalen und tätlichen Übergriffen, denen sie immer wieder ausgesetzt sind.
Das ist gut so. Die Debatte um sexistische Verhaltensformen gehört auf den Tisch. Immer wieder. Ganz besonders aber auch dann, wenn die Aufregung um den Hashtag verebbt ist, der Aufschrei wieder verstummt ist. Denn Sexismus ist kein neues Phänomen. Es ist so alt wie die Gesellschaft selbst. Und es ist schwer zu fassen. Denn Sexismus äussert sich schon in kleinen Dingen, die oft so selbstverständlich geworden sind, dass sie kaum mehr auffallen. Er äussert sich in achtlos dahergesagten Nebensätzen («Sie ist eine Frau, ABER sie macht sehr gute Arbeit») oder in der chronischen Unterrepräsentation von Frauen in den Medien und an Podiumsdiskussionen (in der Deutschschweizer Presse, im Radio und Fernsehen sind in der Regel 83 Prozent der befragten Experten Männer). Sexismus zeigt sich darin, dass sich das Vorurteil, dass eine Frau selber schuld ist, wenn ihr sexualisierte Gewalt widerfährt, hartnäckig hält, oder darin, dass Vergewaltiger nur in den wenigsten Fällen zu Gefängnisstrafen verurteilt werden. Und Sexismus manifestiert sich in der strukturellen Ungleichbehandlung von Frau und Mann, in der Tatsache etwa, dass Frauen in der Schweiz für dieselbe Arbeit im Schnitt noch immer rund 20 Prozent weniger verdienen als Männer oder hierzulande nur knapp 4 Prozent der Konzernchefs weiblich sind.
Es gibt in Sachen Gleichberechtigung noch viel zu tun – für Frauen wie für Männer. Und auf der banalen, alltäglichen Ebene heisst das: Aufmerksam sein, wach bleiben, den Mund öffnen, eingreifen, seinen Standpunkt klarmachen, wagen, unangenehm zu sein, Rückgrat beweisen, auch wenn es unspektakulär ist. #Feminism, #Gleichstellung ist kein Trend, mit dem sich kurz mal ein Statement-T-Shirt zieren lässt, sondern eine Haltung.
Feminismus, Frauenpolitik und Frauenrechte: Darüber schreiben wir. Hier finden Sie die gesammtelten Artikel im Dossier.
annabelle-Redaktion: Wie wir Feministen wurden
Barbara Achermann, 37
Geschrei für Gerechtigkeit
Dinah Leuenberger, 27
Feminismus für alle!
Helene Aecherli, 50
«Ich musste ins Kochen, die Jungs lernten
für die Matheprüfung»
Stephanie Hess, 31
Nur weil ich ein Mädchen bin
Kerstin Hasse, 26
Jede Stimme ist wichtig
Sven Broder, 40
Feminismus – keine Frage des Geschlechts
Viviane Stadelmann, 26
Weil Flüstern nicht ausreicht