Schwanger einen Job zu suchen?
- Text: Rahel Röthlin, Bild: Getty Images
Selbstsicher legte ich meinem Chef die Kündigung auf den Tisch. Mein Herz klopfte und mir war vor Aufregung leicht übel. Denn ich wagte endlich den grossen Schritt in die Selbstständigkeit.
Auch wenn ich wusste, dass die Arbeit als freie Journalistin hartes Brot ist: Ich wollte den hektischen Alltag des Tagesjournalismus hinter mir lassen, um mich tieferen Recherchen zu widmen. Als langjährige Fernsehjournalistin und mit Studium im Sack war ich dazu bestens gerüstet – dachte ich zumindest.
Zwei Wochen später wurde mir klar, dass die Übelkeit nicht nur von der Aufregung allein kam. Ich war ungeplant schwanger. Ein kleiner Mensch wuchs in mir heran. Und mit ihm auch plötzlich eine Riesenangst. Angst um meine berufliche Zukunft und Angst um die finanzielle Sicherheit unserer baldigen kleinen Familie.
Mein Partner und ich entschieden uns, das Kind zu behalten. Und dass ich für unsere finanzielle Sicherheit versuchen werde, meinen eben gekündigten Job zurückzubekommen. Trotz Personalmangel und einer dreijährigen, guten Zusammenarbeit, verneinte der Chef meine Anfrage.
Etwas später erfuhr ich, dass er meine Stelle der Praktikantin gegeben hatte. Und ich merkte: Sie, blutjung und ungebunden, war kein wirtschaftliches Risiko. Ich, die Schwangere, bald 30-Jährige, hingegen schon.
Zwischen meinem letzten Arbeitstag und dem Tag der Geburt meines Kindes lagen nun noch fünf Monate. Bereits wölbte sich der Bauch unter meinem T-Shirt. Der RAV-Berater lächelte mir mitleidig zu. Die Chancen, dass mich jemand bis zur Niederkunft einstellen würde, seien «äusserst klein».
Und da ich meine Arbeitslosigkeit selbst zu verschulden hätte, würde ich mit zwischen 31 und 55 Einstelltage zu rechnen haben, schätzte er. Sprich: Mir drohten bis zu elf Wochen Lohnausfall. Sechzig Arbeitstage sind die «Höchststrafe».
Meine Gedanken rasten. Wie sollte ich mir nun Baby-Bettchen, eine angemessene Wohnung, Kinderkleidchen und Co. leisten? Meine Jobsuche begann mit dem zu erwartenden Rückschlag. Die Antwort auf meine erste Bewerbung kam exakt drei Minuten nach dem Versenden meines E-Mails: «Wir haben passendere Bewerber», hiess es.
Laut Gesetz muss eine Schwangere ihren Zustand bei einer Bewerbung nicht preisgeben. Ich tat es dennoch – direkt im Bewerbungsmail. Erstens war mein Bauch inzwischen schwer zu verstecken und zweitens wollte ich bei einem Unternehmen arbeiten, bei dem eine Frau ihre Schwangerschaft nicht verbergen muss, um einen Job zu er- oder behalten.
Obwohl mich also «kaum jemand einstellen würde», verordnete mir das RAV fünf Bewerbungen pro Monat. Es fühlte sich sinnlos an. Meine Bemühungen liefen alle ins Leere. Dabei habe ich nichts unversucht gelassen. Sogar als Redaktorin bei einem kirchlichen Gemeindeblatt habe ich mich beworben. Das E-Mail ging direkt an den Herrn Pfarrer. Doch auch dieser konnte nicht genug Nächstenliebe aufbringen, eine im siebten Monat schwangere, unverheiratete Frau einzustellen.
Der Lichtblick in dieser Zeit: Völlig unerwartet strich die Arbeitslosenkasse fast alle meine Einstelltage, und ich musste nicht länger auf meinen versicherten Lohn warten. Ein Stein, so gross wie das Matterhorn, fiel von meinem Herzen.
Nun bin ich bald im achten Monat schwanger. Somit stehen noch fünf weitere vom RAV verordnete Bewerbungsschreiben an. Die letzten zwei Monate vor der Niederkunft sind schwangere Frauen von der Bewerbungspflicht befreit.
Nach dem 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub werde ich meine Stellensuche auf dem RAV fortsetzen. Aber ich will meinen Traum, als freie Journalistin zu arbeiten, weiterhin verfolgen. Auch mit einem schreienden Neugeborenen zuhause.
Was ich mir wünsche? Dass meine Tochter diese Kämpfe um die reibungsfreie Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mehr führen muss.»