Schluss mit der Pille!
- Text: Miriam Suter
Junior-Online-Editor Miriam Suter findet: Die Antibabypille für den Mann ist längst überfällig! Und fragt sich: Was könnten Wissenschaftergattinnen damit zu tun haben?
«Ich will die Pille absetzen!», teilte ich meinem Frauenarzt während der Jahresuntersuchung mit. Er zog die Augenbrauen hoch: «Was, wenn Sie schwanger werden?». Ich war 26 – eine mögliche Schwangerschaft hätte mich nicht ins Verderben gestürzt. Ich wollte die Hormone absetzen, weil ich mit Nebenwirkungen zu kämpfen hatte: Depressionen, dröhnende Kopfschmerzen, die mich mehrmals die Woche plagten, und eine praktisch nicht mehr existente Libido. Mein Frauenarzt war von meinem Plan wenig begeistert. Hormonfreie Alternativen gäbe es kaum, meinte er. Und überhaupt seien sie lange nicht so sicher wie die Pille. Ausserdem sorge die Pille für schöne Haut und sei bequem in der Anwendung, erklärte er, und tätschelte seine von Bayer gesponserte Holzfigur.
Ich starrte meinen Arzt ungläubig an. Wie weit lag seine letzte Weiterbildung wohl schon zurück? Also sprach ich auch mit meinem Hausarzt darüber, um eine zweite Meinung einzuholen. «Sie wissen aber, dass das Kondom weniger Schutz bietet als die Pille?», fragte der mich, nachdem ich ihm von meinem Vorhaben erzählt hatte. Ich war genervt. Zwei Spezialisten, Männer, die doppelt so alt waren wie ich, behandelten mich wie ein Kind.
Überfrau dank Pille
Warum stellte ich mich überhaupt so an? Ist doch praktisch: Die Pille sorgt schliesslich dafür, dass ich weniger Pickel habe. Ich kann dank der Pille jederzeit und überall Sex haben, ohne schwanger zu werden. Der Mann muss sich nicht mit dem Kondom abmühen, und ich kann mit ihr meine Monatsblutung ausfallen lassen, wenn ich Strandferien plane. Die Pille macht mich zur fehlerfreien Überfrau, und davon träumt doch wirklich jede von uns!
Liebe Frauen, Sie wissen bestimmt, welchen Hormoncocktail wir uns mit der Pille täglich reinpfeifen. Und dass das Risiko für Thrombosen und Embolien damit enorm ansteigt – je nach Zusammensetzung der Pille um das Achtfache. Daneben gehören depressive Verstimmungen, Migräne, Leberschäden, Brust- und Gebärmutterhalskrebs zu weiteren Risiken und möglichen Nebenwirkungen. Ich habe keine Lust mehr, das alles in Kauf zu nehmen, und habe es satt, dass Verhütung noch immer Frauensache ist.
Frauen, auf die Barrikaden!
Wir schreiben das Jahr 2016 – wo bleibt die Pille für den Mann? Wir züchten künstliche Organe und entdecken Gravitationswellen, aber für Männer gibt es noch immer keine einfach zugängliche Alternative zum Kondom? Ernsthaft? Langsam glaube ich an Verschwörungstheorien. Beispielsweise, dass es eigentlich schon lange eine Antibabypille für Männer gibt, und dass männlichen Forscher – deutlich in der Überzahl – ihr Bekanntwerden verhindern. Die Pille ist etwas für Mädchen! Was muss passieren? Sollen sämtliche Wissenschaftergattinnen auf die Barrikaden gehen und mit Liebesentzug drohen, bis die Pille für den Mann auf den Markt kommt? So wie die Frauen im US-Filmdrama «Chi-Raq»? No Pill, no Pussy?
Ich weiss es nicht. Fest steht: Tausende Frauen, die in Internetforen von ihren negativen Erfahrungen mit der Pille berichten, können nicht falsch liegen. Meine Freundinnen, die eine nach der anderen wegen diverser Beschwerden die Pille absetzen, können nicht falsch liegen. Es muss etwas geschehen! Gynäkologinnen und Gynäkologen müssen aufhören, die Pille als Verhütungsmittel Nummer eins zu promoten. Sie müssen auf Alternativen hinweisen. Sie sollen sich besser über gross angelegte Studien, wie den Pillenreport 2015 aus Deutschland, informieren – die Ärztin einer Freundin hatte davon nämlich keine Ahnung. Apothekenpersonal muss Beschwerden ernst nehmen und im Zweifelsfall an einen Arzt verweisen.
Seit ich die Pille abgesetzt habe, fühle ich mich im Reinen mit meinem Körper, kann besser mit Stress umgehen und bin viel ausgeglichener – auch abends im Bett. Meinen Frauenarzt habe ich übrigens gewechselt. Aber in einem Punkt hatte er Recht: Die Zeit ohne Pille ist ein «heisser Ritt».