Schlicht eine Wucht
- Text: Nathalie De Geyter; Foto: Micha Freutel
annabelle-Modechefin Nathalie De Geyter fürchtet sich vor grossen Autos. Eigentlich. Dann stieg sie in den Audi Q8.
Ich muss gestehen: Grosse Autos haben mir schon immer Angst gemacht. Und das nicht nur, wenn ich versuche, mich auf dem Velo an ihnen vorbei zu schlängeln. Mir scheint, dass das Risiko, etwas kaputt zu machen, proportional mit der Grösse des Autos steigt, egal, ob ich drin sitze oder nicht.
Von meinen Eltern habe ich dieses Unbehagen sicher nicht geerbt. Sie hatten nie viel übrig für Autos, wollten sie nur praktisch und eben gross. Schliesslich musste eine fünfköpfige Familie darin Platz haben. Deshalb fuhren sie, als meine Geschwister und ich noch Kinder waren, einen riesigen, quietsch-blauen Achtplätzer mit lärmenden Schiebetüren, den ich schrecklich hässlich und angsteinflössend fand. Zum Glück sieht man die sogenannten Eurovans heute kaum mehr. Stattdessen sind die Schweizer Strassen mit SUV überflutet. Sie sind genauso praktisch und gross wie unser damaliges Schiebetürenmonster, nur einiges protziger.
Jetzt stehe ich also in einer Tiefgarage und nehme für diesen Test den Schlüssel des neuen Audi Q8 entgegen. Ein leuchtendes Riesengefährt – ein Sport Utility Vehicle – in der Farbe Dragon Orange. Mein erster Gedanke: monströs! Der passt ja in kein Parkfeld. Und dann: Wie bekomme ich das Ding bloss aus der Höhle raus und ins Zürcher Verkehrschaos rein? Zwei Co-Piloten helfen mir: Der eine ist menschlicher Natur, der andere perfekt programmiert. Automatisch stellt Co-Pilot Nummer zwei die Musik leiser, während ich uns aus der Tiefgarage hinausmanövriere, und rechnet die Aufnahmen der Seitenkameras zu einem Vogelperspektiven-Bild um – live. Es ist, als würde ich ein Spielzeugauto durchs Kinderzimmer schieben. Nicht schlecht! Ruckzuck sind wir draussen und mittendrin im Verkehrschaos. Trotzdem ist es im Auto überdurchschnittlich ruhig, gar friedlich. Co-Pilot Nummer eins lehnt sich zurück und schläft sofort ein. Jetzt muss ich mich also auf mich selbst und die Technik verlassen. Das Auto fährt geschmeidig, lässt zu keiner Zeit Unsicherheiten zu und warnt mich vor jeder Gefahr, bevor ich sie überhaupt erahnen kann. Alles ist intuitiv bedienbar. Auf der Autobahn bin ich übrigens nicht die einzige, die Respekt hat vor diesem Wagen. Keiner fährt auf, alle machen sofort Platz, wenn ich überholen möchte. Als wir etwa zwei Stunden später im Fischer- und Bauerndorf Portalban am Neuenburgersee ankommen, bin ich schon fast tiefenentspannt, was selten vorkommt, wenn ich mich hinter dem Steuer eines SUV befinde. Ich muss zugeben, ich fühle mich stark und sicher in dem Koloss. Das Ungetüm scheint gezähmt. Na ja, ich habe mich wohl eher von ihm verführen lassen. Seine Qualitäten zeigt er, je länger man ihn fährt. He’s a keeper! Die einzige Hürde zeigt sich beim Aussteigen: eleganter Auftritt? Schwierig. Der Abstand zwischen Sitz und Tür ist ziemlich gross, und die Höhe des Autos macht das Ganze auch nicht einfacher. Da braucht es etwas Schwung und wohl mehr Übung. Oder längere Beine.
Als wir uns abends auf den Rückweg machen, freue ich mich sogar auf das Auto als stillen Rückzugsort. Ich fühle mich nicht bedrückt wie sonst vor langen Autobahnfahrten. Der Riese wird mich bestimmt sicher nachhause geleiten. Nur das schlechte Gewissen bleibt, weil wir zu zweit in einem Auto fahren, das wohl eher für eine fünfköpfige Familie konzipiert ist, die weit vom urbanen Zentrum entfernt auf dem Land wohnt.