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Regisseur Mano Kahlil über seinen ersten Spielfilm

Leben

Regisseur Mano Kahlil über seinen ersten Spielfilm

  • Interview: Mathias Heybrock

«Die Schwalbe» eröffnet am 21. Januar die Solothurner Filmtage. Es ist die Geschichte einer jungen Schweizerin, die im Nordirak nach ihrem Vater sucht. Der kurdische Regisseur Mano Kahlil über die Dreharbeiten und den Sieg der Liebe.

Mathias Heybrock: Mano Kahlil, Ihr Film spielt im Nordirak, in der autonomen Region Kurdistan. Ausgangspunkt ist Erbil, das nur 90 Kilometer von Mossul entfernt liegt, einer Bastion des Islamischen Staats (IS). War das nicht riskant?
MANO KAHLIL: Während der Dreharbeiten kamen wir sogar noch näher an Mossul heran. Das war allerdings im Frühjahr 2014 – also einige Wochen, bevor der IS die Stadt einnahm. Der Tod war dennoch allgegenwärtig. Einen Tag vor unserem Abflug fiel meine Nichte in Syrien einem IS-Attentat zum Opfer.

Unglaublich.
Ja. Meine Nichte war 25, im fünften Monat schwanger und arbeitete für den Stadtrat von Kamishli – eine kurdische Stadt in Syrien, nahe der türkischen Grenze. Sie ist auch meine Heimatstadt. Die Täter waren zwei junge Araber aus der Nachbarschaft. Sie brachten acht Leute um und sprengten sich anschliessend selbst in die Luft.

Haben Sie nie daran gedacht, den Film abzusagen?
Eigentlich war er dann der Grund, selbst am Leben zu bleiben. Ich habe den Film als ein Baby betrachtet, das jetzt zur Welt gebracht werden muss. Aber es war schwierig, mir ging es sehr schlecht. Mein Bruder kam aus Syrien zu Besuch, der Vater meiner Nichte. Wir konnten zusammen trauern, das war ein Trost.

Hatten Sie keine Bedenken wegen Ihrer Sicherheit und derjenigen des Teams?
Der Druck, der auf mir lastete, war schon gross. Ich war zudem der einzige im Schweizer Filmteam, der Kurdisch sprach, alles hing an mir. Aber ich kenne den kurdischen Norden des Irak sehr gut. Ich habe dort schon mehrfach für das Schweizer Fernsehen gedreht, habe viele Kontakte zur Polizei sowie zur Armee, den Peschmerga. Ich würde auch jetzt wieder hinfahren.

Wirklich?
Ja. Die autonome Republik Kurdistan ist zwar vom Krieg umtost, aber relativ sicher. Die Grenze zum arabischen Irak wird streng bewacht. Wenn man so will, ist es eine israelische Art von Sicherheit, es gibt viele Strassensperren und Kontrollen. Einmal war ich allein mit dem Taxi unterwegs und machte ein kleines Experiment: Ich sprach weder mit dem Fahrer kurdisch noch mit den Soldaten an den Checkpoints.

Und was geschah?
Ich wurde sofort nach meinen Pass gefragt, mein Koffer kontrolliert. Aber ich finde das natürlich gut, ich bin den Peschmerga dankbar. Und wo immer wir drehten, standen einige Soldaten zu unserem Schutz bereit – mit scharfer Munition.

Ihr Film handelt von der Suche nach dem Vater. Warum?
Die Idee kam mir, weil unsere westliche Gesellschaft pluraler wird. Menschen unterschiedlicher Kulturen treffen sich, verlieben sich – trennen sich manchmal jedoch auch schnell wieder. Wenn dann ein Kind aus einer solchen Begegnung entsteht, stellen sich ihm irgendwann Fragen. So, wie es im Film die junge Schweizerin erlebt, deren Vater aus einer anderen Kultur stammt. Sie glaubt, dass er tot ist, erfährt aber zufällig, dass er noch lebt. Sie fragt sich: Wer ist dieser Mann? Warum hat er mich alleine gelassen? Ihre Reise ist eine Suche, nach den eigenen Wurzeln, nach ihrer Identität.

Diese Suche führt in eine Zeit zurück, in der Kurden Kurden bekriegten.
Iraks Diktator Saddam Hussein liess die Kurden bekämpfen und töten. Er tat es auch mit Hilfe einiger kurdischen Stammesführer, die für dieses Morden gut bezahlt wurden. Nach Saddams Sturz erliess die neue kurdische Regierung eine Amnestie gegen diese Stammesführer – sie wollte kein weiteres Blutvergiessen mehr. Doch damit sind nicht alle Kurden einverstanden. Sie fragen sich, wo diese Verbrecher stecken.

Ihr Film sagt: Sie leben mitten unter den anderen nordirakischen Kurden, in schönen, grossen, gut bewachten Häusern.
Das ist so. Oder sie geniessen ihr Leben in Zürich. Und die Generäle von Saddam, unter denen es auch Kurden gab, führen heute den IS. Sie haben die Ideologie der Baath-Partei mit einer noch verhehrenderen getauscht.

Im Moment häufen sich die Niederlagen des IS. Wird der Krieg bald enden?
Ich habe keine Kugel, mit der ich in die Zukunft blicken kann. Was ich aber sagen kann, ist, dass der IS definitiv verliert. Er hat kein Lebensziel, nur seine Bosheit, seinen Vernichtungswillen. Das überlebt er niemals. Hitler hat auch nicht gesiegt. Die Liebe, die Schönheit, die Gerechtigkeit gewinnt.

Wie schätzen Sie die Zukunft des kurdischen Nordirak ein?
Es wird ein unabhängiges Kurdistan geben, wo die Menschen vor Krieg und Verfolgung sicher sind. Die Türkei führt gerade wieder Krieg gegen die Kurden in der Türkei; halb unbemerkt, im Schatten des Kriegs gegen den IS. Die Kurden haben ein Recht auf ihr eigenes Land.

Mano Khalil wurde in 1964 in Kamishli im kurdischen Teil Syriens geboren. Von 1981 bis 1986 studierte er Jura und Geschichte in Damaskus, anschliessend Film in Prag. Khalil kehrte in seine Heimat zurück, wurde dort aber verfolgt und verhaftet. Er floh 1993 in die Schweiz. Zunächst ins Tessin, dann nach Bern, wo bereits sein Bruder lebte, der später nach Syrien zurückging. Mano Khalil wurde durch zwei begeistert aufgenommene Dokumentarfilme bekannt: «Unser Garten Eden» (2010) über das lebendige Völkergemisch in einer Berner Schrebergartensiedlung. Und «Der Imker» (2013) über einen kurdischen Imker, der im türkisch-kurdischen Krieg Frau und Kinder und sein Bienenvolk verlor – und in der Schweiz zurück ins Leben findet. Khalil lebt mit seiner Familie in Bern.

«Die Schwalbe» 
Die junge Schweizerin Mira (die Zürcher Schauspielerin Manon Pfrunder) entdeckt, dass ihr totgeglaubter kurdischer Vater noch am Leben ist. Sie macht sich auf die Suche und reist ohne Sprachkenntnisse in den kurdischen Nordirak, weswegen sie die Begleitung eines jungen kurdischen Übersetzers dankbar akzeptiert. Mira fühlt sich bald zu ihm hingezogen – nicht ahnend, dass der Mann eine eigene Agenda hat. Dramaturgisch nicht ohne Schwächen, bestechen die dokumentarischen Momente: Menschen von der Strasse, die in die Handlung integriert werden, ein jesidisches Fest, das den Hintergrund einer Szene bildet. Auch der Einblick in die kurdische Gesellschaft ist hochinteressant: «Frei von Kleider- und sonstigen Vorschriften», wie es einmal heisst – aber noch lange nicht frei von blutigen Konflikten.

«Die Schwalbe» ist ab 4. Februar in den Kinos zu sehen und eröffnet am 21. Januar als Weltpremiere die 51. Solothurner Filmtage. Die Lieblingsfilme des Programms unserer Redaktion finden Sie hier.

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