Zeitgeist
Ramadan: Warum ich die Fastenzeit mag – und welche Tipps helfen
- Text: Marina S. Haq
- Bild: Shutterstock
Am 23. März beginnt der heiligste Monat für Muslim:innen: der Ramadan. Reportage-Praktikantin Marina S. Haq gibt persönliche Tipps und berichtet von ihren Erfahrungen.
Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Kalenders und mit dem Fasten (arab. sawm) eine der fünf Säulen im Islam. Es ist für Muslim:innen die heiligste Zeit im ganzen Jahr, denn in diesem Monat offenbarte der Engel Gabriel dem Propheten Muhammad an einem Abend, der als «Lailat al-Qadr» (d. h. arab. die Nacht der Bestimmung) bekannt ist, die ersten Verse des Korans.
Das genaue Datum dieser Nacht ist nicht ganz klar. Es wird angenommen, dass es irgendwann in einer ungeraden Nacht – das heisst am 21., 23., 25., 27. oder 29. – in den letzten zehn Tagen des Ramadans stattfand. Muslim:innen feiern die Nacht der Bestimmung oft am 27. des Ramadan.
Da der islamische Kalender ein Mondkalender ist, beginnt der Ramadan am Morgen, nachdem der Halbmond sichtbar geworden ist. Daher beginnt der erste Tag des Ramadans im gregorianischen Kalender jedes Jahr etwa elf Tage früher. Der Ramadan dauert 29 oder 30 Tage und endet mit dem Fest Eid-al-Fitr, bei dem Freund:innen und Familie zusammenkommen und mit Gebeten und Geschenken feiern.
«Im heiligen Monat geht es um so viel mehr als das Fasten»
Viele denken, dass es im Ramadan nur um das Fasten zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang geht. Das Fasten ist in der Tat sehr wichtig: Diese Praxis stärkt die Willenskraft, Disziplin und Selbstbeherrschung sowie das Mitgefühl für die Hungernden. Dennoch ist das Fasten nur ein Element von ganz vielen.
Im heiligen Monat geht es um so viel mehr: Muslim:innen konzentrieren sich auf ihre Beziehung zu Gott, lesen den Koran, beten jeden Tag, denken über den Sinn ihres Lebens nach und reflektieren über ihre eigenen Muster und Gewohnheiten. Sie helfen Menschen in Not, spenden Geld für wohltätige Zwecke und verbringen viel Zeit mit ihren Lieben.
In guter Erinnerung
Ich habe mit dem Fasten begonnen, als ich ein Teenager war. Meine Eltern haben mich nie dazu gezwungen, ich beschloss einfach eines Tages, an den Ritualen dieses heiligen Monats teilzunehmen. Meine jüngeren Brüder folgten meinem Beispiel kurz darauf.
Ich habe diese Fastenmonate immer in guter Erinnerung behalten, da ich das Gefühl hatte, dass sie zu Hause eine mystische Atmosphäre schufen: Jede:r wachte früh auf, frühstückte in den frühen Morgenstunden und war den ganzen Tag über so produktiv wie möglich, bevor wir am Abend zusammenkamen, um zu beten und gemeinsam eine köstliche Mahlzeit zu essen.
«Ich glaube nicht, dass es noch tiefer gehen kann»
Im Laufe der Jahre hat mir der Fastenmonat immer besser gefallen, da ich erst allmählich die tieferen Bedeutungen dahinter verstand. Das ist es, was ich persönlich am meisten am Ramadan liebe: Ich sehe ihn jetzt als eine Art Regenerationszeit. Ich halte inne, reflektiere meinen Glauben an Gott und mein ganzes Leben. Meine Ziele, meine Beziehungen zu Freund:innen und zur Familie.
Der Ramadan ist für mich ein Moment im Jahr, an dem ich neu entscheiden kann, was für ein Mensch ich sein und was für ein Leben ich führen will. Was möchte ich hinter mir lassen und was möchte ich in Zukunft beibehalten? Dieser Monat ist für mich eine Selbstfindungsreise zur Stärkung der Beziehung zu sich selbst und zu demjenigen, der einen geschaffen hat. Ich glaube nicht, dass es noch tiefer gehen kann.
In der Schweiz geht das Leben normal weiter
Natürlich ist es nicht immer einfach, während des Ramadans zu fasten, wenn man in der Schweiz lebt. Anders als in islamischen Ländern, wo sich das gesellschaftliche Leben an diesen heiligen Monat anpasst, geht das Leben hier in der Schweiz normal weiter.
Wir Muslim:innen stehen also vor der Herausforderung, zu improvisieren und eigene Wege für unseren Ramadan zu finden. Im Laufe der Jahre habe ich viele Erfahrungen gesammelt und Tipps für mich entdeckt, um meinen Ramadan einfacher und angenehmer zu gestalten – ohne dabei mein Studium, meine Arbeit und mein Sozialleben vernachlässigen zu müssen.
Meine 10 Tipps:
1.
Viel Wasser zwischen Iftar und Suhoor
Für Menschen, die – wie ich – Kaffee lieben, ist es besser, eine Woche vor dem Ramadan damit zu beginnen, den Kaffeekonsum immer mehr zu reduzieren. Während des Ramadans ist es am besten, seinen Flüssigkeitsbedarf mit ausreichend Wasser zu stillen, statt Kaffee oder Tee zu trinken. Ich versuche, zwischen Iftar (die erste Mahlzeit am Abend nach Sonnenuntergang) und Suhoor (die letzte Mahlzeit vor Sonnenaufgang, um circa 3 Uhr) zwei Liter Wasser zu trinken.
2.
Mahlzeiten vorbereiten
Man sollte früh genug die Mahlzeiten für Iftar und Suhoor planen. Denn wenn man weiss, was man zubereiten möchte, wird man am Abend nicht ziellos mit leerem Magen durch die Gänge der Einkaufsläden wandern – und nach allem greifen, worauf man Appetit hat. Ausserdem weiss man dann auch sofort, was man in den frühen Morgenstunden zum Frühstück essen kann; nur für den Fall, dass man etwas später aufwacht, als man wollte.
3.
Beherrschung!
Die Iftar-Mahlzeit sollte man weder zu schnell, noch sollte man zu viel davon essen. Vor allem sind zu viele Kohlenhydrate nicht gut, denn man bekommt davon oft Bauchschmerzen.
4.
Das Fasten richtig brechen
Sobald Zeit für Iftar ist, bricht man das Fasten mit einer Dattel, so wie es der Prophet getan hat. Datteln sind hierfür perfekt, weil sie nach dem Fastentag für einen Energieschub sorgen.
5.
Mehrere Wecker stellen
Obwohl man halb am Schlafen ist, ist es wichtig, in den frühen Morgenstunden um etwa 3 Uhr etwas zu frühstücken, um den ganzen Tag über Energie zu haben. Ich habe Freund:innen und Bekannte, die lieber ausschlafen, aber für mich ist es essenziell, etwas Kleines zu mir zu nehmen. Aus diesem Grund stelle ich mir absichtlich mehrere Wecker, damit ich auf jeden Fall aufwache.
6.
Ablenkung
Die ersten Tage des Ramadans sind die schwierigsten, da sich der Körper zunächst an das Fasten gewöhnen muss. Während dieser ersten paar Tage bekomme ich Migräne, Bauchschmerzen und bin sehr müde. Dies wird im Laufe des Monats weniger und weniger. Besonders am Anfang der Fastenzeit lenke ich mich gerne vom Hungergefühl ab, indem ich spazieren gehe, ein Buch lese oder Freund:innen treffe.
7.
Gutes Zeitmanagement
Da ich morgens mehr Energie habe, erledige ich meine wichtigsten Aufgaben am Morgen. Zudem ist es wichtig, früh schlafen zu gehen, damit man gegen 3 Uhr zum Frühstück kurz aufstehen kann. Ich versuche, spätestens um 23 Uhr im Bett zu sein.
8.
Sportzeiten anpassen
Da man besser keinen Sport treiben sollte, ohne Wasser zu trinken, verschiebe ich meine Sportzeiten auf den Abend. Ich gehe ungefähr eine Stunde vor Iftar joggen oder ins Fitnessstudio, da ich weiss, dass ich bald essen und trinken kann. Oder ich treibe nach der ersten Mahlzeit nach Sonnenuntergang Sport.
9.
Während der Periode
Ausgenommen vom Fasten sind neben Schwangeren, alten und kranken Menschen, Menschen, die Medikamente einnehmen müssen, auch Frauen während ihrer Periode. Ich würde während dieser Zeit trotzdem nicht zu viel essen, sonst ist es schwierig, danach in den Rhythmus des Fastens zu kommen.
10.
Ramadan-Journal
Dieses Jahr habe ich mich zum ersten Mal dazu entschieden, ein Ramadan-Journal zu führen, das ich bei Orell Füssli gekauft habe. Damit kann ich meine Ziele und To-dos auflisten, meine Mahlzeiten planen und die Seiten, die ich täglich im Koran lese, notieren. Ich freue mich schon darauf, das Journal in ein paar Jahren wieder durchzublättern und mich an meinen Ramadan 2023 zurückzuerinnern.
Wunderbarer und informativer Artikel. Danke