Leben
Prostituierte und Psychopathen – so werden trans Menschen in Filmen dargestellt
- Text: Céline Geneviève Sallustio
- Foto: Netflix
Der Netflix-Dokumentarfilm «Disclosure» thematisiert die Darstellung von trans Menschen in Hollywood-Filmen – und zeigt, wie obszön und menschenverachtend ihre Rollen gezeichnet werden. Doch es besteht Hoffnung.
Inmitten der «Black-Lives-Matter»-Bewegung, der Coronakrise und des Pride-Monats diskriminierte die «Harry Potter»-Autorin J. K. Rowling öffentlich die trans Community. Im selben Monat Juni verwehrt Präsident Trump trans Menschen den Zugriff auf medizinische Behandlungen. Und doch tut sich auf politischer und kultureller Ebene etwas, wenn es um die Akzeptanz und Gleichberechtigung von trans Menschen geht: Der amerikanische Supreme Court erliess ein neues Gesetz, das trans Menschen vor Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt schützen soll. Fast gleichzeitig erscheint der Netflix-Dokumentarfilm «Disclosure». Darin wird deutlich, wie trans Personen auf der Leinwand dargestellt werden.
Der Dokumentarfilm kombiniert Hollywood-Filmszenen mit Kommentaren von trans Autoren, Schauspielern und Produzentinnen. Der Regisseur Sam Feder lässt beispielsweise die «Orange Is the New Black»-Schauspielerin und LGBTQ-Aktivistin Laverne Cox zu Wort kommen. Auch Lilly Wachowski («The Matrix») wird in «Disclosure» als die wohl bekannteste trans Regisseurin der Welt interviewt. Weniger bekannte Prominente wie Jamie Clayton («Sense 8») oder Rain Valdez aus der Serie «Sneaky Pete» äussern sich in der Doku ebenfalls zur kulturellen Repräsentation transgeschlechtlicher Menschen – auch mit persönlichen Anekdoten.
Trans Charaktere sind entweder Prostituierte oder Psychopathen
«Disclosure» heisst auf Deutsch Offenlegung. Und der Film legt tatsächlich offen, auf welche obszöne und menschenverachtende Art und Weise trans Menschen auf der Leinwand dargestellt werden: «Entweder sie werden als Puppen dargestellt, die ihren Körper verkaufen, als psychisch Kranke oder sie sind inexistent», sagt Laverne Cox.
Doch der Titel «Disclosure» ist nicht unproblematisch. Jen Richards, Schauspielerin und Schriftstellerin, erklärt im Film, weshalb: «In Filmausschnitten mit trans Menschen sieht man, wie sich Menschen im Umfeld der trans Figur verraten und belogen fühlen. Doch ich hasse diesen Gedanken von Enthüllung, da er voraussetzt, dass es etwas zu enthüllen gibt.» Richards weiter: «Es verstärkt die Annahme, dass es ein Geheimnis gibt und ich verpflichtet bin, es mitzuteilen. Ausserdem setzt es den Gedanken voraus, dass das Gegenüber ein Problem mit dem Geheimnis haben könnte. Und: Dass die Gefühle des Gegenübers wichtiger sind als meine eigenen.»
Rollenbesetzungen von trans Figuren sind problematisch
«Disclosure» kritisiert unter anderem auch die Besetzung von transgender Filmrollen mit Cis-Menschen. «Die Öffentlichkeit sieht trans Frauen als verkleidete Männer mit schönen Frisuren und gutem Make-up. Und dieses Bild wird jedes Mal verstärkt, wenn wir einen Mann sehen, der eine trans Frau spielt», sagt Jen Richards. Dies trägt dazu bei, dass wir insbesondere trans Frauen nicht als Menschen, sondern als verkleidete Objekte wahrnehmen.
Mehr als nur übertriebene Weiblichkeit
Ein perfektes Beispiel dafür ist die Filmbiografie «The Danish Girl». Darin besetzt der Cis-Mann Eddie Redmayne die Hauptrolle der Lili. Mit dieser Besetzung gewann der Film zahlreiche Auszeichnungen. Richards sagt dazu: «Die femininen Anteile von Lili werden im Film sehr stark hervorgehoben. Dies reduziert sie auf die Darstellung einer trans Person und einer enormen Weiblichkeit statt einer ganzheitlichen Person, deren trans Sein nur ein Aspekt von vielen ist.»
Diese Perspektive auf die Darstellung von trans Menschen in Filmen hat mir persönlich die Augen geöffnet. Habe ich doch bisher nie hinterfragt, weshalb ein Cis-Mann eine trans Frau spielt und was für Auswirkungen das auf unser Bild von trans Menschen haben könnte.
Trans Menschen sind keine Witzfiguren
Die Palette an Filmausschnitten, die die Doku zeigt, ist enorm vielfältig. Dennoch bin ich wohl zu jung, um viele der gezeigten Beispiele zu kennen. Umso erschreckender war für mich, wie einseitig und einheitlich trans Menschen in den vergangenen Jahrzehnten medial porträtiert wurden. Ein Film, der mich in meiner Kindheit begleitet hat und sich vieler Klischees bedient, ist «Big Mama’s Haus». Die Komödie handelt davon, dass der FBI-Agent Malcolm Turner für seine Einsätze gern in andere Rollen schlüpft und sich dabei verkleidet. Unter anderem als die Schwarze Grossmutter «Big Mama». Sie wird wie eine Puppe dargestellt, die sich aufgrund ihrer massiven Silikoneinlagen kaum bewegen kann. Auch ich habe mich damals über diese Witzfigur schlappgelacht. Aber genau das ist der Punkt: trans Menschen sind keine Witzfiguren – und trotzdem werden sie in zahlreichen Hollywoodfilmen als solche dargestellt. Welche Problematik hinter solchen Darstellungen steht, wurde mir erst mit dem Film «Disclosure» bewusst.
Gleichzeitig schöpft die Dokumentation Hoffnung auf ein neues Bewusstsein: Die Serie «Pose» handelt etwa von der Ballroom Culture in den 80er-Jahren, einem Zufluchtsort für queere und trans Menschen mit latein- und afroamerikanischem Hintergrund. Die Rollen wurden ausschliesslich mit trans Menschen besetzt. Und auch in Interviews werden trans Personen heute ganz andere Fragen gestellt als noch vor einigen Jahren, wo ihre Geschlechtsidentität im Mittelpunkt stand. Ganz egal, ob konservative Filme oder undifferenzierte Fragen: «Disclosure» stellt sie auf den Kopf und erklärt auf verständliche Weise, weshalb eine breite und authentische mediale Repräsentation so wichtig ist. Und obwohl diese nicht das Ziel, sondern nur das Mittel zum Zweck ist, ist sie essenziell.