Haben Frauen in der Schweiz grundsätzlich weniger Probleme mit ihren Problemen? annabelle-Reportagenchef Sven Broder hegt da so seine Zweifel. Denn tendenziell geht es immer nach unten, und das nicht nur mit den Brüsten.
Frauen in der Schweiz könnten einem leidtun, denn der Probleme sind viele, aber so richtig darum kümmern tut sich hierzulande niemand. Jedenfalls kein so fürsorgerisches Frauenheftli, wie es sie in Deutschland gibt. Sie umsorgen Frau wie Der-dich-liebende-Fett-verbrennende-Orgasmuskäfer, quasi das therapeutische Pendant zur eierlegenden Wollmilchsau (Wer will in Zeiten von Veganismus und biozertifizierten Angoraziegen noch so was Barbarisches wie Wollmilchsauen?).
Auf den Titelseiten besagter Magazine lächeln durchwegs schöne, junge, glückliche Models. Die Zielgruppe jedoch, so muss man annehmen, ist das Gegenteil: alte Frauen mit Komplexen. Mein Kollege Michalis Pantelouris hat es neulich auf dem Branchenportal «Übermedien» auf den Punkt gebracht, als er sich die deutsche «Illu Nr. 1» zur Männerbrust nahm und ihre Coverschlagzeilen studierte: «Schlank im Schlaf», «Mit kleinen Tricks zum tollen Busen», «Wie finde ich den richtigen Therapeuten», «Entspannt durch die Wechseljahre» und «18 Frisuren, die sofort zehn Jahre jünger machen». Diese Illustrierten schafften es, schrieb Pantelouris, «mehr Probleme auf ihren Titel zu packen, als Donald Trump sich in der Woche selber bastelt.» Und sitzt der Floh eben erst mal im Ohr, juckt es mehr als je zuvor. Deshalb sorgte er sich nach der Testlektüre völlig zu Recht: «Ich weiss sogar, dass auch Männer Wechseljahre haben können, und jetzt, wo ich das weiss, kriege ich sie garantiert. Danke, Leben.»
Nun soll nicht mit Dreck werfen, wer selber im Beautysalon sitzt. Diesen Vorwurf muss ich mir gefallen lassen. Treffen tut er mich nur peripher. Der Anspruch an eine Frauenzeitschrift ist hierzulande doch ein wenig höher. Doch heisst das auch, dass Frau in der Schweiz grundsätzlich weniger Probleme hat? Ganz ehrlich: Ich hege da so meine Zweifel. Frau scheint nämlich ziemlich universell auf Problemzone gebürstet zu sein, was gerade in Kombination mit dem unter ihresgleichen ebenfalls weit verbreiteten Kontroll- und Perfektionswahn eine echte Herausforderung darstellt. Zumal sie auch noch recht resistent auf die sich selber auferlegten Optimierungsprogramme reagiert. Wohl noch nie haben sich so viele Frauen so intensiv um ihr Wohlbefinden bemüht; als Hund auf Yoga-Matten, mit Chia-Samen in glutenfreien Frühstücksflocken oder back to Woman’s Roots beim Makrameeknüpfen. Eigentlich müsste Frau längst grinsend durch rosa Welten hüpfen. Tut sie, tendenziell, eher nicht.
Und nein: Die Tatsache, dass sich in diesem vermeintlichen Glücksrad der Selbstkasteiung mittlerweile auch immer mehr Männer einen abnudeln in viel zu engen und viel zu bunten Multifunktionssportklamotten, macht die Sache nicht besser.
Und nein, das ist kein Plädoyer für die fleischfressende Sofakartoffel. Geht raus. Esst gesund. Tut euch und allen anderen Gutes. Hängt euch von mir aus auch rosafarbene Kristalle um den Hals. Macht, was ihr wollt. Aber tut dies bitte im Bewusstsein, dass das unbeschwerte, das schmerz-, sorgen- und faltenfreie Glück eben doch eher die Ausnahme als die Regel ist. Und dass es im Leben hoffentlich zuerst hinauf, dann aber tendenziell eher nach unten geht, nicht nur mit den Brüsten. Aber auch. Das erdet.