Fussball – ein Spiel der Leidenschaft? Reportagen-Praktikantin Larissa Hugentobler plädiert für Pragmatik vor Sexappeal.
Im heutigen Spiel geht es für uns Schweizer um etwas, für die Franzosen um nicht sehr viel. Die Gastgeber sind seit ihrem 2:0 gegen Albanien definitiv für das Achtelfinale qualifiziert. Mit einem Sieg oder Unentschieden im heutigen Spiel wäre auch die Schweiz sicher dabei.
Ob die französischen Fans das Spiel überhaupt mitverfolgen, ist fraglich. Vor allem weil ihr Lieblingsspieler nicht auf dem Rasen stehen wird und die Franzosen bei so etwas schon mal «täubele» können wie ein Kleinkind vor dem Süssigkeitenregal. Karim Benezma, ehemaliger Starstürmer der Les Bleus, wird lautstark vermisst. Es handelt sich um einen jungen Mann, der seit Ende letzten Jahres vor allem durch seine Verwicklung in eine Sextape-Affäre auf sich aufmerksam machte und deshalb nicht fürs EM-Kader aufgeboten wurde. Sogar der französische Staatspräsident soll dabei ein Wörtchen mitgeredet haben. Eine komplizierte Sache, der Prozess läuft noch. Was jedoch bereits klar ist: Benzema bewegt sich gern auf moralisch grenzwertigem Gelände. Bereits 2009 machte er von sich reden, als er gemeinsam mit Franck Ribéry wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten angeklagt wurde. Die beiden wurden damals freigesprochen, weil sie das Mädchen älter eingeschätzt hatten. Mag ja wahr sein, befördert Benzema trotzdem nicht in die Liga meiner Idole. Fussballbesessene Männer ticken da etwas anders.
Männer lieben ihre Fussballhelden – unabhängig davon, ob diese konstant am moralisch Korrekten vorbeischrammen. Bei der fussballerischen Leistung ist aber vor allem, so habe ich mir sagen lassen, das wie von grosser Bedeutung. Benzema sei eben ein Ballvirtuose, da mache es richtig Spass ihm zuzuschauen, weil man ihm die Leidenschaft fürs Spiel eben auch ansehe.
Französische Männer gelten ja als die besten Liebhaber überhaupt. Ohne das grosse Drama der Italiener aber mit derselben Leidenschaft. Zu schade bringt der Benzema-Ersatz davon zu wenig mit. Zwar Tor-technisch ganz vorne mit dabei, kann der 29-jährige Olivier Giroud die Franzosen trotzdem nicht überzeugen. Für mich als fussballinteressierte Frau wenig verständlich. Giroud schiesst von allen Stürmern im französischen Kader die meisten Tore (und süss ist er obendrein auch noch). Was gibt es da also nicht zu mögen?
Laut französischer Fans verkörpere Giroud seine Leidenschaft für den Sport einfach nicht richtig. Der Mann spiele nicht schön. Und die Buhrufe während der Spiele, ganz unabhängig von Girouds Leistung, bezeugen diesbezüglich Einigkeit auf den Rängen.
Mitspieler Antoine Griezmann schiesst zwar nicht so viele Tore wie Giroud, bei den Franzosen ist er aber dennoch beliebter. Der 25-jährige Stürmer, der im letzten Spiel in der 68. Minute eingesetzt wurde und die Franzosen endlich in Führung schoss, entspricht schon eher dem stereotypischen Fussballer. Er macht gern mal ein bisschen zu lange Party und tänzelt so gekonnt mit dem Ball über das Spielfeld, dass bereits Messi- und Ronaldo-Vergleiche angestellt wurden.
Dass Schönheit im Spiel so bedeutend ist, macht wenig Sinn. Ja, Shaqiris Rückwärtskick aus der Luft beim Spiel gegen Rumänien war hübsch anzusehen, doch was wirklich zählt, ist wenn Mehmedi einfach «fadegrad» drauf knallt und dann das Goal trifft. Pragmatik vor Schönheit, so meine – doch recht schweizerische – Einstellung zum Fussball.
Sollen sie doch schön spielen, die Franzosen. Wir machen sonst gern die Tore. Allez hopp la Suisse.