Politik
Trumps Wahlsieg: Wie soll ich das bloss meiner Tochter erklären?
- Text: Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: Privat
Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Editor-at-Large Jacqueline Krause-Blouin lebt in den USA und gibt uns einen Einblick in ihren Morgen danach.
Ich stehe im Dunkeln in der Küche und weine. Gerade habe ich nach vielen Stunden, in denen mir viele Zahlen um die Ohren geflogen sind, «CNN» ausgemacht: Donald Trump wird der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich kann von hieraus die Skyline von Los Angeles sehen, die glitzernden Lichter – den American Dream? Mein ganzer Körper tut weh, ich fühle mich wie nach einem schlimmen Streit. Schwer, taub, kraftlos.
Das Baby schreit, ich stille mein Kind, während ich auf dem Handy Trumps Rede höre. Dieses kleine Gesicht; sie weiss von nichts. Sie weiss nicht, was es jetzt bedeutet, in den USA ein Mädchen, eine Frau zu sein. Fast schlimmer als Trumps sinnbefreites Genuschel, an das ich mich bereits gewöhnt habe, finde ich die jubelnden Fans um ihn herum. Ich drücke die Stopptaste, schaue mir die Leute an, zoome in die fremden Gesichter. Wer sind diese Menschen?
«Trump-Wähler:innen sind schon lange nicht mehr irgendwelche Freaks im Hinterland, sie sind die verdammte Mehrheit»
Beim Schul-Pick-up heute habe ich mehrere Eltern mit «MAGA»-Caps gesehen. «Make America Great Again». Ich war schockiert, dass sie sich trauen, öffentlich zu Trump zu stehen. Meine bösen Blicke haben sie nicht einmal registriert. Aber es sollte mich nicht schockieren, denn die Wahrheit ist, dass sie überall sind: im Supermarkt, bei der Ballettaufführung, in der Babykrabbelgruppe. Trump-Wähler:innen sind schon lange nicht mehr irgendwelche Freaks im Hinterland, sie sind die verdammte Mehrheit.
Es war das erste Mal, dass meine fünfjährige Tochter verstanden hat, was eine Wahl ist. Sie durfte mit ihrem Vater in die Wahlkabine, hat den Harris-Knopf gedrückt, stolz einen «I voted»-Sticker getragen. In der Schule durfte ihre Klasse abstimmen, ob es Cookies oder Früchte als Snack geben soll; die Cookies haben gewonnen. Ganz einfach: Schaut her, Kinder – das ist Demokratie. Die Roten gegen die Blauen.
Leider hat meine Tochter aber auch mitbekommen, dass Trump «einer ist, der lügt», «einer, der Waffen gut findet» und «einer, der eigentlich ins Gefängnis müsste». Wie bitte soll ich einer Fünfjährigen erklären, dass das alles stimmt und dass man damit nicht nur irgendwie durchkommen, sondern sogar Präsident werden kann? Dass das Gute im wahren Leben eben nicht immer gegen das Böse gewinnt, wie bei Cinderella und Elsa. Vielleicht kann man das gar nicht früh genug lernen. Erst letzte Woche hat ihre Schulklasse ein Buch namens «My Body Belongs To Me» durchgenommen. Wenn es nur so einfach wäre.
«Was soll ich meinen Kindern vermitteln, wenn ich selbst nicht mehr weiss, woran ich glauben kann?»
Als sie mich fragte, wann das letzte Mal eine Frau Präsidentin war, musste ich ihr sagen, dass noch nie eine Frau dieses Amt innehatte. «Aber es gab doch schon 46 Präsidenten, Mami!» «Ja.» Schweigen. Was soll ich meinen Kindern vermitteln, wenn ich selbst nicht mehr weiss, woran ich glauben kann? Ich schlafe nicht, liege wach, stehe wieder auf, mache den Fernseher an – wie bei einem Unfall, bei dem man nicht wegschauen kann.
Im Morgengrauen rennt meine Tochter ganz früh in unser Zimmer, um zu fragen, ob Kamala gewonnen habe. Ihren Blick, als ich verneine, werde ich nie vergessen. Ich bemühe mich darum, positiv zu sein, murmle etwas von «In vier Jahren dürfen wir wieder wählen» und wische meine Tränen weg. Mit meinem Mann kriege ich mich fast in die Haare, weil er krampfhaft versucht, optimistisch zu sein. Er ist Amerikaner, ich weiss, dass es ihn trifft, so schmerzhaft, dass er es fast nicht aushält.
«Mein Mann predigt mir, wie wichtig es jetzt sei, positiv zu bleiben»
Er sagt, dass er froh sei, dass sein Vater das nicht mehr mitansehen müsse und macht Gospelmusik an: «Joy». Ausgerechnet. Für mich fühlt sich die Musik gerade an wie Hohn. Er predigt mir, wie wichtig es jetzt sei, positiv zu bleiben, die Liebe zu feiern, weiterzukämpfen. «Das können sie uns nicht nehmen, wir können sie nicht gewinnen lassen.» Dieses Superoptimistische – wir Europäer:innen würden es wohl als «typisch amerikanisch» bezeichnen. Aber was ist «amerikanisch» heute? Und was in vier Jahren?
Sie haben aber gewonnen. Es ist ein dunkler Tag und ich will jetzt nichts vom Licht am Ende des Tunnels hören. Unsere Nachbarin klopft an der Tür und umarmt mich wortlos. Es ist eine sehr lange Umarmung, keiner von uns will sie auflösen. «Was sagen wir unseren Töchtern?», fragt sie mich nach einer Weile leise. Ich weiss es nicht. Ich muss das Gefühl dieser menschlichen Niederlage erst zulassen, um dann – irgendwann – wieder anderer Stimmung sein zu können. Die USA haben ihre rassistische, misogyne Fratze gezeigt.