Nachgefragt bei SRF: Wie wichtig ist die junge weibliche Zielgruppe?
- Text: Marie Hettich
- Bild: Mirjam Kluka
Politikerinnen kritisieren in der «NZZ am Sonntag» den Entscheid des SRF, den Podcast «Zivadiliring» abzusetzen. Ist für SRF die junge weibliche Zielgruppe wirklich unwichtig? annabelle hat nachgefragt.
Vergangene Woche gab das SRF bekannt, den Erfolgspodcast «Zivadiliring» per sofort einzustellen. Als Grund wurden neue Bestimmungen bezüglich Werbeengagements von Mitarbeitenden genannt – und dass sich «Zivadiliring» mittlerweile auch privat finanzieren liesse.
Im Gespräch mit annabelle sagten die drei Hosts Yvonne Eisenring, Maja Zivadinovic und Gülsha Adilji: «Wir waren sprachlos, als wir davon erfuhren.» Sie könnten den Entscheid bis heute nicht nachvollziehen.
Die Fangemeinde von «Zivadiliring» zeigte sich auf Social Media entrüstet. Auch wurde Kritik am SRF laut: Nachdem im September 2024 kommuniziert wurde, dass «We, Myself & Why» – ein Videoformat für junge Frauen – eingestellt wird, hätten die SRF-Verantwortlichen nun den nächsten Beweis geliefert: Ihnen liege offenbar nichts an der jungen weiblichen Zielgruppe, so der Tenor.
«Zum Service public gehören auch Programme für Frauen»
Nun sagte auch GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy zu «NZZ am Sonntag»: «Ich bedaure, dass das SRF erneut ein Format für jüngere Frauen einstellt.» Es gebe beim SRF zahlreiche Sport- oder Comedy-Programme, die sich primär an Männer richteten. «Zum Service public gehören auch Programme für Frauen.» Die Grünen-Fraktionschefin Aline Trede vermutet, SRF würde im «vorauseilenden Gehorsam» agieren: «Aus Angst, konservative Zuschauer zu vergraulen, setzt es ein feministisches Format ab.»
Diese Woche wird im Bundeshaus über die Halbierungsinitiative debattiert. Die Initiant:innen kritisieren, dass – obwohl die Qualität bei der SRG «oft zu wünschen übrig» liesse – die Schweizer Bevölkerung mit 335 Franken im Jahr weltweit die höchsten geräteunabhängigen Zwangsgebühren bezahle. Private sollten künftig nur noch 200 Franken pro Jahr bezahlen und Unternehmen von der Abgabe befreit werden.
SVP-Nationalrat Gregor Rutz, einer der Initiant:innen der Halbierungsinitiative, findet die Entscheidung, «Zivadiliring» abzusetzen, richtig. Obwohl er den Podcast – wie fast alle von der «NZZ am Sonntag» angefragten Männer – nicht kannte, sagte er: «Wenn die SRG unter der Führung der neuen Direktorin Susanne Wille Programme abstösst, die sich auch am Markt finanzieren können, ist das ein überfälliger Schritt in die richtige Richtung.»
Auf die Frage, ob für SRF die junge weibliche Zielgruppe so wenig relevant sei, wie von einigen kritisiert wird, antwortet das SRF annabelle: «Themen, die Frauen interessieren, werden in vielen Angeboten von SRF verhandelt: Unter anderem in den Reportage-Angeboten ‹rec.› und ‹Impact› oder in den Podcasts ‹Input› und ‹Focus›. Diese Zielgruppe ist und bleibt für SRF wichtig.»
Auf den Hinweis, dass keines der genannten Formate ein explizit junges weibliches Publikum anspreche, wurde nicht weiter eingegangen.
Aber ist es nicht riskant, einen Teil dieser Zielgruppe so zu verärgern? «Selbstverständlich können wir die Enttäuschung der Fangemeinde von ‹Zivadiliring› nachvollziehen», so SRF. «Aber die publizistischen Standards haben für SRF als öffentliches Medienhaus oberste Priorität. Unsere Glaubwürdigkeit basiert stark auf der publizistischen Unabhängigkeit. Zudem bedeutet der Entscheid nicht, dass es den Podcast in Zukunft nicht mehr geben kann. Im Gegenteil.» Der Erfolg von «Zivadiliring» zeige, dass das Angebot ein grosses Potenzial habe und sich «mit grosser Wahrscheinlichkeit» privat finanzieren liesse.
SRF«Die Schweizer Gesellschaft ist divers, das versucht SRF auch im Angebot abzuhandeln»
Auf die Frage, wie das SRF zu feministischen Inhalten stehe, erreicht uns folgende Antwort: «Die Schweizer Gesellschaft ist divers, das versucht SRF auch im Angebot abzuhandeln. Darüber hinaus spielt Diversität auch bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden eine wichtige Rolle.» Was das konkret für feministische Inhalte bedeutet, wurde nicht beantwortet.
Auf Nachfrage, ob etwas Neues für die junge weibliche Zielgruppe in Planung sei – wie Kathrin Bertschy in der «NZZ am Sonntag» fordert –, schreibt das SRF: «Die Zielgruppe U45 hat für SRF einen hohen Stellenwert. Die Weiterentwicklung der bestehenden Angebote und die Entwicklung neuer Angebote ist ein permanenter Prozess, der im gewohnten Zusammenspiel der bei SRF beteiligten Kräfte stattfindet.» Konkrete Angebote für junge Frauen als Teil dieses «Prozesses» wurden allerdings nicht erwähnt.
Einer Sache können sich die Verantwortlichen vom SRF sicher sein: Die Augen sind mehr denn je auf sie gerichtet.