Werbung
Die Politicas: Alles wird besser

Leben

Die Politicas: Alles wird besser

  • Text: Lara Marty; Fotos: Dan Cermak

Diese Clique lehrt uns: Es ist anstrengend, die Welt zu retten. Aber es macht auch unglaublich Spass.

Wenn die Klimajugend zu Tausenden Parolen rufend durch die Strassen zieht und Lärm für die Umwelt macht, dann marschiert auch dieses Trio vorne mit: Louise (17), Isabelle (18) und Emma (18). Vor zwei Jahren lernten sich die Gymnasiastinnen auf dem Pausenplatz kennen. Inzwischen sind sie Freundinnen geworden und betreiben jeweils, am Samstagnachmittag, den Logisch-Store – einen ehemals leerstehenden Keller in der Berner Altstadt, den sie zum Secondhandshop umfunktioniert haben. Die Einnahmen spenden sie an Amnesty International und retten so nicht weniger als die Welt. Oder? «Wir sehen uns nicht als bessere Menschen, so ist einfach unser Lifestyle. Secondhandkleider und vegetarische Ernährung machen für uns Sinn – wir shamen aber niemanden, der diese Einstellung nicht teilt», sagt Isabelle.

Ihr improvisierter Kleidungsstil macht sie nicht unbedingt zu Trendsetterinnen, kürzlich heimste Louise trotzdem ein Kompliment ein: «Eine aus der Klasse meinte, dass mir meine neue Frisur eigentlich noch gut stehe. Sie war wohl ganz überrascht, dass jemand so herumläuft wie ich, es dann aber doch gar nicht mal so beschissen aussieht.» In der Schule bilden die drei ein «eher separates Grüppchen». Obwohl, im Frühjahr 2019, als die Klimabewegung die Schweizer Jugend ergriff, sei es «einisch höch cho», erinnern sie sich. Da habe ein Drittel der Klasse die Schule geschwänzt und sei mit ihnen zum nationalen Streik aufgebrochen. Tempi passati, das Interesse am Umweltschutz flaute bei den meisten Mitschülern schnell wieder ab. «Neulich prahlte ein Klassenkamerad, dass er mit seiner Karre an den Autosalon in Genf fährt und nach Madeira in die Ferien fliegt. Wie unvernünftig ist das denn?», redet sich Isabelle kurz in Rage und krempelt sich angriffslustig die Ärmel ihres schwarzen Hoodies hoch. Auf Diskussionen lasse sie sich aber nicht mehr ein: «Bringt nüt.»
 


Emma: «Ich glaube, meine Eltern sind froh, dass ich nicht ständig am Handy hänge und Selfies mache»
 

Auf Gleichgesinnte treffen Louise, Emma und Isabelle hingegen im Berner Kulturzentrum Reitschule. «Politische Arbeit ist ungesund. Sie bedeutet wenig Schlaf, viel Ausgang und viel Alkohol», sagt Isabelle. Ihre politische Einstellung ist den dreien nicht zufällig in den Schoss gefallen, sondern vielmehr sorgfältig in die Wiege gelegt worden. Emma: «Wir kommen aus linksorientierten Familien.» Von ihrem Engagement seien die Eltern aber nicht immer begeistert: «Wenn ich nach dem Ausgang erst morgens um sieben zur Tür rein stolpere, sehen sie nicht so glücklich aus. Aber ich glaube, sie sind auch froh, dass ich nicht ständig nur am Handy hänge und Selfies mache.» Social Media nutzen sie alle nur sporadisch. Statt Likes zu sammeln und nach Followern zu jagen, kümmern sie sich um internationale Angelegenheiten: Die Auswirkungen des Kapitalismus, Konflikte im Jemen oder in Syrien – das sind ihre Themen.

Wenn sie über Politik sprechen, sprechen sie über Menschen, über das Zusammenleben, über die Vergangenheit und über die Zukunft. Sie sprechen über sich. Und über ihre Freundschaft. «Ich könnte ihnen alles verzeihen, weil ich nicht ohne sie leben möchte», sagt Emma. «Ich hätte erst ein Problem, wenn sie einen Fascho als Freund mitbringen würden», meint Isabelle. Allein die Vorstellung davon erscheint ihnen jedoch so absurd, dass sie alle vergnügt losglucksen. Ein spezifisches Männerbild, das sie attraktiv finden, existiert in ihren Köpfen nicht. Sie sind sich aber einig: «Ein schöner farbiger Iro hat noch keinem geschadet.» Heiraten, Häuschen bauen, Kinder bekommen, das alles hat auf ihrer Wunschliste fürs Leben keine Priorität. Ihre Beziehungen führen sie locker – und offen. «Man gibt, nimmt und geniesst, solang man es gut hat. Es ist aber nicht schlimm, wenn sich das ändert», sagt Louise. Auch wenn ihnen jemand komplett den Kopf verdreht, mache das schliesslich nicht «immun» gegen andere, meint Isabelle, die ihren aktuellen Beziehungsstatus nicht genauer definiert haben möchte. Louise sagt: «Wenn man es zusammen schön hat, soll dafür Platz sein.» Und Emma resümiert: «Uns ist wichtig, dass wir niemanden einschränken. Auch uns selber nicht.»
 

 

Werbung

1.

…fühlen sich für keine ihrer Handlungen schuldig und beschreiben sogar ihren Stil als politisch. Was sie sonst noch ausmacht:

2.

3.

4.

5.