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Pfarrerin Cindy Studer über das Abschiednehmen: «Der Trauerprozess ist universell»

Leben

Pfarrerin Cindy Studer über das Abschiednehmen: «Der Trauerprozess ist universell»

Sie sprach bereits als 14-Jährige mit anderen über den Tod. Heute organisiert Cindy Studer Trauerfeiern, aus denen die Menschen hoffnungsvoll herausgehen sollen – ob Gott darin vorkommt oder nicht, spielt für sie keine Rolle.

annabelle: Wann haben Sie den Tod für sich entdeckt?
Cindy Studer: Früh. Ich war ein recht wilder Teenager und schon als 14-Jährige mit gefälschtem Ausweis in Clubs unterwegs. Sogar dort sprach ich mit anderen – wenn sie wollten – über den Tod. Als in dieser Zeit mein Grossvater starb, rückten Fragen rund ums Leben und Sterben noch stärker in meinen Fokus – und interessieren mich bis jetzt.

Sie sind reformierte Pfarrerin und ausgebildete Trauerrednerin, die explizit auch Abdankungen ausserhalb der Kirche organisiert. Wie gestalten Sie eine gute Trauerfeier?
Der Schlüssel liegt in der Empathie. Es geht darum, sich einzufühlen, zuzuhören und zu verstehen, anstatt vorgefertigte Botschaften zu senden. Familien sind gerade nach einem Todesfall oft in Konflikten gefangen, häufig geht es um Erbschaften und Geld. Es ist wichtig, diese Dynamiken zu erkennen und die Familie dabei zu unterstützen, sich auf das Wesentliche zu fokussieren.

Wie muss man sich Ihre Dienste vorstellen?
Nach einem ersten Telefongespräch schicke ich einen Fragebogen zu. Er fragt ab, welcher Ort, welche Form, welche Musik gewünscht ist. Aber auch: Wo war die verstorbene Person wirklich glücklich? Was hat euch verbunden? Ebenso: Womit ist sie allen auf den Keks gegangen? Diese Fragen bereiten auf das intensive Gespräch vor, das ich dann persönlich führe und das etwa zwei Stunden lang gehen wird. Basierend darauf schreibe ich meine Abdankungsrede und gestalte die ganze Feier drumherum.

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«Mein Ziel ist, dass die Menschen hoffnungsvoll und leichter aus dem Gespräch und später auch aus der Zeremonie herausgehen»

Sind solche Gespräche ausschliesslich traurig?
Nein, wenn Lachen und Weinen sich die Waage halten, ist es ideal. Mein Ziel ist, dass die Menschen hoffnungsvoll und leichter aus dem Gespräch und später auch aus der Zeremonie herausgehen. Wobei man nicht pauschalisieren kann. Gerade bei dem Tod eines Kindes sind es eher die berührenden Momente, die im Fokus stehen. In diesen Fällen erweisen sich besondere Rituale als hilfreich: gemeinsam Luftballone steigen lassen, zusammen ein Bild malen, einen gemeinsamen Film machen, der in die Zeremonie integriert wird.

Sie sagten in einem früheren Gespräch, dass Sie in letzter Zeit viele junge Familienväter beerdigt haben. Können Sie dazu mehr erzählen?
Ich habe in den letzten zwei Jahren auffallend viele Männer zwischen vierzig und fünfzig verabschiedet. Die Todesursachen waren häufig Herzinfarkt oder Schlaganfall. Es ist natürlich nicht repräsentativ, aber es fällt mir deutlich auf. Meine Theorie: Viele von uns übernehmen sich in diesem Alter. Wir streben nach einer tollen Karriere, möchten Familie, Wohlstand. Ich stolpere immer wieder darüber, dass in der Rückschau mit den Angehörigen die Karriere fast keine Rolle spielt: Welche Position ein Mensch hatte, habe ich in ein paar Minuten abgehandelt. Das Zwischenmenschliche ist entscheidend.

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«Es gibt Kolleg:innen, die glauben, wenn weder Jesus noch Gott erwähnt werden, sei es keine richtige Abschiedszeremonie»

Sie bezeichnen sich selbst als spirituell Suchende. Was unterscheidet konfessionslose Klient:innen von Kirchenmitgliedern?
Nicht viel. Ob jemand in der Kirche ist oder nicht, alle wünschen sich Unterstützung in Zeiten der Trauer. Wenn jemand einen geliebten Menschen verloren hat, ist der Trauerprozess universell. Auch wenn die Kirchenmitgliedschaften abnehmen, wählen viele Menschen dennoch die Kirche als Ort für Trauerfeiern, da sie Ruhe und Trost spendet. Kritik hagelt es eher auf mich von Andersdenkenden jeglicher Couleur, welche das Gefühl haben, ich verrate die Institution Kirche.

Warum das?
Es gibt Kolleg:innen, die glauben, wenn weder Jesus noch Gott erwähnt werden, sei es keine richtige Abschiedszeremonie. Ich sehe das anders. Ausserdem: angesichts der zahlreichen Kirchenaustritte sollte man sich schon auch fragen, was es denn ist, das Menschen wirklich brauchen.

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