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Coachella 2023: Jetzt schocken nur noch die Normcore-Looks
- Text: Jacqueline Krause-Blouin
- Bild: Nick Wiesner / Revolve
Das Coachella Festival im kalifornischen Indio hat modisch an Relevanz verloren. Warum Kendall Jenner und Co. uns nun mit ihren Normcore-Looks beeindrucken wollen.
Was ist schlimmer: zu einer Party overdressed oder underdressed zu erscheinen? Das kommt auf die Situation an. Bei der Krönung von King Charles wäre es wohl Zweiteres. Beim Coachella – dem Musikfestival, bei dem heute mehrheitlich Tequila- und Automarken Menschen einladen, deren Namen zwar keiner kennt, denen aber aus unerfindlichen Gründen Millionen von Leuten folgen – ist es seit neustem definitiv schlimmer, overdressed zu sein.
Wer in diesem Jahr Federn, Pailletten und Glitzersteinchen zur blauen Zöpfchenfrisur gestylt hat, muss sich ungefähr so gefühlt haben wie Bridget Jones als Bunny auf der Gartenparty oder Kids aus der Agglo am Donnerstagabend in Zürich. Oder Emily in Paris. Wie man in Indio sagen würde: wie ein riesengrosser try hard.
«Das Coachella war immer ein Makramee-Mekka»
Egal welche Trends gerade angesagt waren – Nineties, Normcore, Y2K – das Coachella war immer ein Makramee-Mekka, ein Ort der Forever21-Bohème, an dem selbst modische kulturelle Aneignung als sexy galt. Schon im letzten Jahr fielen Kendall Jenner und Hailey Bieber, die ja leider noch immer als trendangebend gelten, durch ihre – Skandal! – simplen weissen Tanktops auf.
Kendall Jenner kam in diesem Jahr in einem auffallend minimalistischen, schlichten Look: Sie trug eine tief sitzende schwarze Hose mit ausgefranstem Saum und ein schwarzes Tanktop, dazu schwarze Lederlatschen. Alles stammt aus der noch nicht im Handel erhältlichen Herbst-/Winterkollektion 2023 von St. Agni, dem australischen Label, das für seine lässige Schnittführung bekannt ist. Also für, ehm, Basics.
Auch Hailey Bieber, Camila Morrone oder Suki Waterhouse schlossen sich dem Normcore-Look an. Bei Jenner wurde innerhalb der modischen Berichterstattung mehrfach betont, dass sie ein ganz normales Festivalbändchen trug. Ein Festivalbändchen zu einem Festival! Danke für diesen bahnbrechenden Stylingtipp. Das werden wir im nächsten Jahr ganz bestimmt nachmachen. Ich sehe schon die Artikel vor mir: Five ways to style a festival wristband.
Aber im Ernst: Der Anti-Coachella-Stil zeigt vor allem eins: Diese Stars wissen genau, dass das Festival längst nicht mehr cool ist. Dass sie in der Wüste auftauchen, ist aber wichtig fürs Geschäft. Jenner promotete unter anderem ihre Tequilamarke 818.
«Man lässt es so aussehen, als hätte man Wichtigeres zu tun, als Outfits zu planen»
Und was macht man, wenn man zeigen will, dass man eigentlich cooler ist als die Party, auf der man sich befindet? Man grenzt sich modisch ab. Möglichkeit 1: Man kleidet sich «ironisch» (kann aber schnell schiefgehen). Möglichkeit 2: Man lässt es so aussehen, als hätte man sich in letzter Sekunde doch noch dafür entschieden, zu kommen, hatte davor aber viel Wichtigeres zu tun, als so etwas Banales wie Outfits zu planen.
Ironischerweise gibt Dani Michelle, die Stylistin von Kendall Jenner und Hailey Bieber, aber bereits Interviews darüber, warum sie sich mit ihren Klientinnen genau für diese Basic-Looks entschieden hat, hinter denen «sehr viel Arbeit» stecke. So, und wer ist jetzt der try hard?