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Papa kann auch stillen: Franziska Schutzbach über gleichberechtigte Väter

Zeitgeist

Papa kann auch stillen: Franziska Schutzbach über gleichberechtigte Väter

Es gibt einen entscheidenden Moment in der Gleichberechtigung eines Paares: Dann, wenn das erste Baby kommt. Wie der Griff zur Flasche diese Zeit neu prägen kann – und weshalb das total natürlich ist.

Als ich vor zwanzig Jahren mein erstes Kind zur Welt brachte, stand ich am Anfang meines Studiums. Ohne den Hauch einer Vorstellung, was es bedeutet, in der Schweiz Mutter zu sein und gleichzeitig beruflich oder ausbildungsmässig dranzubleiben. Nun, es war ein Kampf. Einen Krippenplatz zu bekommen, ihn berappen zu können und das Kind dort mehr als zwei Tage betreuen zu lassen, ohne vom eigenen Umfeld für vollkommen abartig gehalten zu werden, war keinesfalls selbstverständlich.

Es trug sich aber zu, dass der Vater meines Kindes ein sogenannt aktiver Vater war. Von Anfang an übernahm er alle möglichen essenziellen Dinge. Er war ausgebildeter Krankenpfleger, mit Körperdingen um einiges vertrauter als ich. Beim Wickeln, Baden, der Nabelwundpflege verhielt er sich sicher und selbstverständlich. Er wusste, was ein Milchstau ist, wann man zum Arzt muss, dass es kein Weltuntergang ist, wenn das Baby mal drei Tage lang nichts Grösseres in die Windel legt, dafür am vierten Tag dann fünf Mal.

 

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«Durch das Stillen wurden wir auf eine Weise aneinandergebunden, die ich als Belastung empfand»

Zu erschöpft, um etwas zu verändern

Ich war jung und naiv und wusste wenig über die Fallen der geschlechtlichen Arbeitsteilung. Ich war einfach froh, dass mein damaliger Partner mir in diesen Dingen voraus war und dass er seine Erwerbsarbeit selbstverständlich auf siebzig Prozent reduzierte. Aber es gab Hürden. Denn in einer sehr zentralen Sache war unser Baby vollkommen auf mich fixiert: beim Stillen. Nachts stillte ich mehrmals, auch tagsüber liess sich das Kleine oft kaum beruhigen, wenn es nicht an die Brust konnte. Das band das Kind und mich auf eine Weise aneinander, die ich als Belastung und als sehr erschöpfend empfand.

Das Ganze hielt sich auch dann noch, als ich längst abgestillt hatte: Damit unser Kind einschlafen konnte, musste ich präsent sein. Die Erschöpfung war so gross, dass uns Kraft und Geduld fehlten, die Sache zu verändern – und so schleppten wir das Muster immer weiter. Bei meinem zweiten Kind mit neuem Partner viele Jahre später versuchte ich deshalb, das Stillen anders zu handhaben. Ich wünschte mir, dass Vater und Kind so früh wie möglich allein klarkommen. Ob beim Einschlafen oder auf dem Spielplatz.

Geteilte Verantwortung erarbeiten und erstreiten

Mein jetziger Partner ist kein Krankenpfleger, und nach dem ersten Wickeln sorgte er sich, er hätte das Baby umgebracht. Ich hatte aber erneut Glück: Der Mann ist Skandinavier, das Ideal der gleichberechtigten Familienarbeit war für ihn, im Jahr 2007, eine Selbstverständlichkeit. Er machte sich für eine Weile selbstständig, die fehlenden Sicherheiten nahmen wir in Kauf. Durch unsere Berufe waren wir aber überhaupt flexibler, wir verfügten über Möglichkeiten, die andere nicht haben.

Dennoch: Wir mussten uns diese geteilte Verantwortung damals erarbeiten, erstreiten. Was mir in diesem Zusammenhang aber wichtig ist zu betonen: Eine gleichberechtigte Aufteilung ist sicher nie allein auf die individuelle Anstrengung und den Willen von Eltern zurückzuführen, sondern hängt zu einem grossen Teil von strukturellen Bedingungen ab – etwa von Elternzeit, Teilzeit und flexiblen Arbeitszeiten.

Der Schoppen als Option

Wir kauften uns damals also eine Milchpumpe. Nach den ersten zwei Wochen begannen wir, unserer Tochter alle paar Tage abgepumpte Milch in der Flasche zu geben. Sie war in dieser Hinsicht sehr unkompliziert und akzeptierte das neue Fütterungsinstrument sofort. Der Schoppen wurde so zu einer Option, die wir nicht dauernd nutzten, aber nutzen konnten. Wenn ich erschöpft oder genervt vom Stillen war oder mein Partner länger mit dem Baby allein war, zückten wir die Flasche.

Ich weiss, dass manche Babies auch nach monatelangem Üben einen Schoppen kategorisch ablehnen. Und manche Frauen haben Probleme mit dem Abpumpen – das funktioniert je nachdem nicht auf Anhieb oder auch überhaupt nicht.

Von vorschnellen Argumenten, die gegen einen Wechsel aus Stillen und Flasche eingebracht werden, sollte man sich jedoch nicht einschüchtern lassen. Vom Mythos, dass das Baby dann die kompliziertere Brust-Trink-Technik verlerne oder die Milch versiegen werde, weil es nicht im eng getakteten Rhythmus trinkt. Es ist bekannt, dass, wenn das Stillen gut etabliert ist – also in der Regel nach zwei oder drei Wochen –, man im Wechsel und mit einer guten Pumptechnik weder das Trinken an der Brust noch die Milchproduktion gefährdet. Viele Babies switchen problemlos zwischen Brust und Flasche.

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«In der Schweiz werden nach wie vor bis zu achtzig Prozent der Haus- und Familienarbeit von Frauen geleistet»

Ein echter Beitrag zur Gleichstellung

Damals haben wir uns selbst einen Fütterungsrhythmus ausgedacht, in dem auch der fläschchengebende Vater fix eingeplant war. Heute weiss ich, Internet sei Dank, dass es dafür Begriffe gibt wie Pump-Stillen, Teilstillen oder Shared Breastfeeding. Kommen Kinder zu früh zur Welt, ist das ja selbstverständlich und oft ein Muss.

Wer will, kann sich auf diese Weise wirklich halb und halb aufteilen, und beispielsweise die nächtliche Fütterung vollständig einem Elternteil übergeben. Für die gemeinsame Ernährungsverantwortung ist eine exakt hälftige Aufteilung meiner Erfahrung nach aber nicht mal zwingend. Je nachdem reicht eine Flasche einmal täglich, um es für das Baby zur Gewohnheit zu machen, um es später als Option einzusetzen.

Irgendwann ergänzten wir mit Milchpulver. Das machte die Sache noch einfacher. Milchpulver ist in der Tat, wie vor einiger Zeit im Online-Magazin «Republik» zu lesen war, ein echter Beitrag zur Gleichstellung.

Übergang zur Elternschaft als Schlüsselmoment

Mein Partner schöpfte viel Selbstvertrauen und Motivation daraus, zu wissen, dass er die Bedürfnisse unseres Babys genauso befriedigen konnte wie ich. Das machte ihn noch engagierter, auf eine nachhaltige und dauerhafte Weise. Tatsächlich entwickelte unsere Tochter keinerlei Präferenz in Bezug auf Beruhigung, Einschlafen oder Fütterung. Wir waren beide gleichermassen gefragt. Und das ist bis heute so.

Insbesondere in der Anfangszeit nach der Geburt eines Kindes etablieren sich oft traditionelle Muster, die man später nur mühselig verändern kann. «Der Übergang zur Elternschaft stellt jenen Schlüsselmoment dar, in welchem die Weichen für die spätere Arbeitsteilung in der Familie gestellt werden», schreibt die Schweizer Geschlechterforscherin Karin Schwiter. Die Geburt des ersten Kindes ist der Moment, in dem die stärksten Retraditionalisierungen stattfinden, auch bei Paaren, die zuvor gleichberechtigt gelebt haben.

«Der heutige Vater packt den Turnsack. Daran gedacht hat aber in der Regel die Frau»

Hausarbeit ist immer noch Frauensache

Dass die Frau Haus- und Familienarbeit übernimmt und der Mann in die Ernährerrolle schlüpft, wurde bis vor Kurzem als selbstverständlich und nicht weiter erklärungsbedürftig dargestellt. Das hat sich verändert, heute gibt weit über ein Drittel der Befragten an, mit dem Traditionalisierungsschub, der mit dem ersten Baby in ihren Familien eintritt, unzufrieden zu sein.

Zahlen besagen, dass in der Schweiz in heterosexuellen Paarkonstellationen nach wie vor zwischen siebzig und achtzig Prozent der Haus- und Familienarbeit von Frauen geleistet werden. Auch dann, wenn die Frauen erwerbstätig sind. Und: Studien zeigen, dass diese Arbeitsteilung meist in den ersten Wochen nach der Geburt eines Kindes entsteht, etwa weil Väter – in der Schweiz auch mangels Elternzeit oder Teilzeitmöglichkeiten, aber durchaus auch wegen mangelnden Willens – abwesend sind.

Eher rhetorisch als praktisch

Wenn ich mich heute umschaue, scheint mir der Wunsch nach einer gleichberechtigt aufgeteilten Familienarbeit unter jüngeren Vätern auch in der Schweiz verbreiteter. Das bestätigt die Forschung. Es liegt jedoch nah, dass es sich dabei auch um eine «rhetorische Modernisierung» handelt – das heisst theoretisch ist man für gleichberechtigte Aufteilung und unterstreicht das auch gegen aussen, in der praktischen Umsetzung widerspiegelt sich das dann aber weniger. Selbst in Ländern, die im Unterschied zur Schweiz längst Elternzeit auch für Väter eingeführt haben, ist eine gleichberechtigte Elternschaft nach wie vor eher rhetorisch als praktisch.

Diese theoretische Modernisierung kann den Blick auf die noch immer fortbestehenden Ungleichheiten verstellen. Soziologin Allison Daminger etwa beschreibt es so: Moderne Paare sähen sich so gern gleichberechtigt und fortschrittlich, dass sie ein Ungleichgewicht einfach schönreden oder verdrängen. Besonders die Verantwortungsübernahme der Frauen für den Gesamtüberblick in der Familie ist vielen Paaren nicht bewusst. Väter übernehmen heute Papi-Tage, kochen, entscheiden in vielen «häuslichen» Belangen mit.

Vollstillen als einzige Variante

Aber das Management bleibt bei den Frauen. So sind sie es, die viele Stunden Vorbereitung investieren, damit überhaupt Entscheidungen getroffen werden können, etwa Recherchen dazu, welche Kita in der Gegend infrage kommt, welcher Kinderarzt, welcher Sportverein. Auch die Übersicht über Impfpläne, Geburtstagsvorbereitungen und Turnsack- Packen bleibt bei den Frauen. Auch dann, wenn diese hochprozentig erwerbsarbeiten.

Kurzum: Der heutige Vater packt den Turnsack. Daran gedacht hat aber in der Regel die Frau. Gerade auch vor diesem Hintergrund empört mich, dass mir damals das Vollstillen als einzige Variante nahegelegt wurde. Sowohl seitens Hebammen und Stillberaterinnen als auch im Umfeld, in dem ich Mutter wurde. Ich habe viele Frauen kennengelernt, die Krisen hatten, weil das Stillen gar nicht klappte oder ihnen immer wieder Probleme machte. Sie glaubten, nicht der angeblich «natürlichen Pflicht» zu entsprechen.

Gestaltungsraum, den es zu nutzen gilt

Das Argument der «Natürlichkeit» wird gerade rund um die Mutterschaft besonders gern angeführt. Die Vorstellung, es gebe einen Plan der Natur, den Mütter auf ideale Weise zu erfüllen hätten, ist eine der brutalsten Ideologien, mit denen Frauen Schuldgefühle und bestimmte Rollen auferlegt werden. In anderen Bereichen akzeptieren wir problemlos, dass es «das Natürliche» in der Geschichte der Menschheit und der Frage, wie wir leben, nicht gibt.

Wir lassen niemanden mit dem Argument, es wäre «natürlich», an Herzproblemen sterben, wenn man einen Herzschrittmacher als Hilfsmittel einsetzen kann. Kaum ein Zahn wird noch ohne Betäubung gebohrt. Und wir verhüten. Wie absurd erschiene es uns heute, zu sagen, es sei halt «natürlich», zwölf oder zwanzig Kinder zur Welt zu bringen.

Es gibt nicht die Natur versus Nichtnatur. Menschliches und technologisches Eingreifen gehört auch zur Natur – Natur ist immer auch Kultur und umgekehrt. Oder anders gesagt: Es gibt einen grossen Gestaltungsraum. Für Eltern, für Mütter und für Väter. Nehmen wir ihn uns. Und fordern wir in der Schweiz vehement die Bedingungen ein, die es möglich machen, diesen Raum auch wirklich frei und selbstbestimmt zu nutzen.

Franziska Schutzbach ist Soziologin, Geschlechterforscherin und Autorin. Ihr neuestes Buch «Die Erschöpfung der Frauen: Wider die weibliche Verfügbarkeit» erschien im Oktober, Verlag Droemer Knaur, ca. 29 Fr.

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Britta Shawcross

Ich stille mein Kind seit 3 Jahren, arbeite seit es 16 Wochen alt ist 80%. Mein Mann arbeitet seit der Geburt 30% ausser haus. Anfangs habe ich abgepumpt und mein Baby hat den Schoppen vom Papa bekommen während ich arbeiten war. Mit 13 Monaten habe ich aufgehört zu pumpen. Wenn ich Spätdienst habe bringt mein Mann unser Kind zu Bett, wenn ich Frühdienst habe macht er die Nachtaktion mit unserem Kind (wenn benötigt). Er packt die Tasche für die Waldspielgruppe genau so gewissenhaft wie ich. Meiner Meinung nach schliesst das (lange) Stillen eine gleichberechtigte Elternschaft nicht aus.