Die palästinensische Bierbrauerin Madees Khoury
- Redaktion: Helene Aecherli, Interview: Noemi Schneider; Foto: Jonas Opperskalski
Madees Khoury ist die erste Bierbrauerin Palästinas und Juniorchefin der Taybeh-Mikrobrauerei, der ersten Bierbrauerei im Westjordanland, die nach dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516 braut.
annabelle: Sie sind in den Vereinigten Staaten geboren und aufgewachsen und dann in das christlich-palästinensische Heimatdorf Taybeh ihrer Eltern im Westjordanland zurückgekehrt um die erste Mikrobierbrauerei im Nahen Osten zu gründen, wie kam es dazu?
Madees Khoury: Wir sind nach den Oslo-Vereinbarungen 1994 zurückkehrt. Es gab damals keine Bierbrauerei in Palästina. Bierbrauen für den Hausgebrauch war schon immer das Hobby meines Vaters, schon zu Studienzeiten im Studentenwohnheim in den Vereinigten Staaten. Nach unserer Rückkehr sagte er sich, es gibt es kein palästinensisches Bier, wieso fangen wir nicht damit an es zu brauen, jetzt ist der ideale Zeitpunkt. Das meiste habe ich von meinem Vater gelernt und dann habe ich noch einen 45-tägigen Brauerei-Kurs in China absolviert (lacht). Ja ich weiß, China. Aber das war eine tolle Erfahrung, sehr interessant und seitdem bin ich die Juniorchefin hier.
Welchen Stellenwert hatte und hat Bier denn überhaupt in der palästinensischen Gesellschaft, die ja mehrheitlich muslimisch geprägt ist?
Es wurde hier immer Bier getrunken. Aber bevor es uns als erste Bierbrauerei gab, wurde vor allem israelisches Bier getrunken und importierte Massenware ohne Geschmack, an die sich die Einheimischen hier allerdings gewöhnt hatten. Als wir mit dem qualitativ hochwertigen Bierbrauen begannen, war es eine ziemliche Herausforderung, die Leute hier davon zu überzeugen. Das hat ganz schön gedauert.
Nochmal zurück zur mehrheitlich muslimisch geprägten palästinensischen Gesellschaft, produziert Taybeh denn auch alkoholfreies Bier?
Ja klar, denn der alkoholische Biermarkt hier ist begrenzt. Um das «Taybeh» auch unter den Muslimen zu verbreiten, haben wir begonnen, alkoholfreies Bier zu brauen mit 0.0% Alkohol. Das ist sehr beliebt und für jeden geeignet, der ein kühles, ein bisschen süssliches Erfrischungsgetränk mag, für Teenager, für Schwangere – denn es enthält viel Folsäure, das ist sehr gesund für die ungeborenen Babys – für Autofahrer, kurz: für alle.
Wohin wird «Taybeh» denn exportiert?
Wir exportieren nach Israel, Japan, Schweden, Dänemark, in die Schweiz, Italien und nach Belgien. Momentan sind wir dabei, die Märkte in Jordanien, die Vereinigten Staaten, England und Spanien zu erschliessen.
Welche Erfahrungen haben Sie als Bier brauende Frau in der männerdominierten arabischen Gesellschaft gemacht?
Als junge Bierbrauerin habe ich mit vielfältigen Herausforderungen zu kämpfen, weil ich nicht so viel Erfahrung habe, aber vor allem, weil ich eine junge Frau bin. Ich mache etwas, von dem die Leute hier denken, dass es eine reine Männerdomäne ist, ich mache Geschäfte in einer Männerwelt. Die ältere Generation nimmt mich nicht wirklich ernst, die wollen lieber mit meinem Vater und meinem Onkel verhandeln. Aber auch das ändert sich gerade. Denn jetzt beginnt meine Generation, Restaurants, Kneipen, Bars und Clubs zu eröffnen und die Jungen verhandeln lieber mit mir als mit meinem Vater oder meinem Onkel. Da ändert sich gerade etwas ganz gewaltig. Das geht übrigens nicht nur mir so, Frauen überall in der Welt erobern die Brauereien vor allem im Mikrobrauerei-Sektor und die machen alle dieselben Erfahrungen.
Seit 10 Jahren veranstaltet die Taybeh-Brauerei alljährlich sogar eine zweitägige Miniaturausgabe des grössten Volksfestes der Welt, ein palästinensisches Oktoberfest. Was wird da geboten? Und wer kommt?
Unser Oktoberfest ist sehr gemütlich und hat palästinensisches Flair durch die Bands, die dort spielen und die Besucher aus allen Teilen Palästinas, aus Israel, Touristen und Einheimische. Es geht vor allem auch darum, der Welt eine andere Seite von Palästina zu zeigen. Denn was man tagtäglich in den Nachrichten sieht, ist vollkommen anders als das was hier passiert – im wahren Leben. Die Menschen kommen hierher und sagen: «Oh mein Gott, ihr trinkt Bier?» (lacht)
Madees Khoury (30) ist in den USA aufgewachsen und 1994 mit ihren Eltern in ihr christlich-palästinensisches Heimatdorf Taybeh im Westjordanland zurückgekehrt. Dort gründete ihr Vater die erste Bierbrauerei Palästinas. Madees Khoury trat in dessen Fussstapfen und wurde die erste Bierbrauerin des Nahen Ostens. Sie arbeitet 60 Stunden pro Woche, ist Single und lebt bei ihren Eltern.