Demonstrieren ja, streiken nein! Junior Editor Jessica Prinz geht am Nationalen Frauenstreiktag auf die Strasse. Aber auf ihre eigene Art.
«Natürlich nehme ich am Frauenstreik teil!», antwortete ich einem Freund prompt, als er mich neulich danach fragte. Was für eine Frage! Natürlich will ich mich für mehr Gleichberechtigung einsetzen, für Lohngleichheit, ökonomische und rechtliche Gleichstellung oder Elternzeit. Für Frauen und für Männer. Auch wenn ich mich selbst in meinem Alltag nicht benachteiligt oder ungerecht behandelt fühle. Ich bin überzeugte Feministin, setze mich für eine Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann ein und zeige an diesem grossen Tag Solidarität. Streiken und meiner Arbeit fernbleiben werde ich deswegen aber nicht. Nicht zuletzt, weil ich als Journalistin über diesen Tag berichten will.
Feministin, ein Wort, das leider viel zu oft auch negativ verstanden wird und gerade aktuell im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Frauenstreik gern das Bild der schreienden – entschuldigen Sie das Wort – Emanzen hervorruft. Dabei kann Feminismus auf verschiedenste Arten von verschiedensten Menschen ausgeübt werden. Immer mit dem klaren Ziel Gleichberechtigung der Geschlechter. Für Frauen – und für Männer. Ein Ziel, das auch Feministinnen durchaus ruhig und sachlich verfolgen können, ohne zu «fraulenzen». Oder auf «das Patriarchat zu streikmenstruieren». Das jedenfalls hat das Frauenstreik-Kollektiv Zürich am Nachmittag des 14. Juni vor.
Ich bin der Meinung, dass Streiks und Demonstrationen gut sein können. Um das Bewusstsein zu fördern, um politischen Druck auszuüben. Die mediale Aufmerksamkeit im Vorfeld des Nationalen Frauenstreiks brachte so viel Bewegung, ein merklicher Ruck ging in den letzten Wochen durch die Gesellschaft, und auch vermeintlich Unbetroffene befassten sich endlich mal wieder mit den doch so wichtigen Anliegen des Feminismus. Dennoch ist ein Streik doch eher ein unkooperatives Kommunikationsmittel. Ich persönlich bevorzuge es, meine Anliegen direkt anzugehen. Fühlte ich mich im Job ungerecht behandelt, was beispielsweise meinen Lohn betrifft, würde ich meine Chefin nach dem Warum fragen. Und begegne ich Sexismus in meinem Umfeld, dann spreche ich es direkt an. Damit erhoffe ich mir mehr Erfolg, als wenn ich auf der Strasse Parolen brülle.
Keine Entschuldigung gibt es dafür, wenn man sich im Alltag nicht für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse einsetzt, und dafür, dass man fair behandelt wird. Was das Streiken betrifft, finde ich aber, ganz Millennial: Niemand muss, alle dürfen! Und damit meine ich auch wirklich alle, ob Frau oder Mann. Wohin kommen wir denn, wenn wir die Gleichberechtigungsdiskussion ohne das andere Geschlecht führen, ja es gar davon auszuschliessen versuchen? Es muss doch auch möglich sein, als Mann an diesem Streik teilzunehmen oder als Frau ganz offen und ehrlich sagen zu können, dass einem ein Streik nicht liegt. Denn zumindest in meiner persönlichen Bubble braucht es mittlerweile deutlich mehr Mut zuzugeben, dass man nicht streiken will.
Ich persönlich lernte als junge Frau schnell, dass ich eher durch schlaue Argumentation als durch Gezeter und Aggressivität bekomme, was ich will. Sei das im Job oder in der Liebe. Mit den doch eher penetranten Parolen der Streikbewegung fühle auch ich mich also nicht wohl und bin eher stille Mitläuferin, Solidarisierende. Ich habe weder ein Transparent gemalt, noch Schlachtgesänge einstudiert, und ich werde auch kein violettes T-Shirt mit der Aufschrift «Wenn Frau will, steht alles still» tragen. Da weigere ich mich – mit gutem Gewissen. Das laute Ausrufen ist halt einfach nicht meine Art. Dass ich das nicht tue, macht mich aber nicht weniger zur Feministin. Und geht es beim Frauenstreik eigentlich nicht auch um das: um die Freiheit, Dinge so tun zu dürfen, wie frau will?