Werbung
Mythos Maggie – Margaret Thatchers Comeback

Mythos Maggie – Margaret Thatchers Comeback

  • Text: Anne McElvoyPortrait: Brigitte Lacombe

Margaret Thatcher regierte Grossbritannien mit eiserner Hand. Das war in den Achtzigerjahren. Nun setzt Hollywood der «Iron Lady» ein filmisches Denkmal. Woher diese neue Ära Thatcher? Eine kritische Hommage an eine Frau, die noch heute polarisiert.

Margaret Thatcher regierte Grossbritannien mit eiserner Hand. Das war in den Achtzigerjahren. Nun setzt Hollywood der «Iron Lady» ein filmisches Denkmal. Woher diese neue Ära Thatcher? Eine kritische Hommage an eine Frau, die noch heute polarisiert.

Als Teenager war ich ziemlich wütend auf Margaret Thatcher, ganz besonders 1983, weil nur wenige Wochen vor meinem 18. Geburtstag gewählt wurde, sodass ich meine Stimme nicht der Opposition geben konnte.

In der heruntergewirtschafteten nordenglischen Industrieregion, in der ich aufwuchs, war Maggie kein Name, sondern ein Schimpfwort. Maggie Thatcher, die Politikerin, die das Land spaltete, die noch heute von vielen gehasst wird, die dreimal hintereinander britische Premierministerin wurde und am Ende so bekannt war, dass sie nun von der grandiosen Meryl Streep auf der Leinwand dargestellt wird.

Auch wenn uns das damals nicht klar war, die Achtzigerjahre, in denen Maggie auf so viel Widerstand stiess, waren ihre grosse Zeit. Sie war gegen Argentinien in den Falklandkrieg gezogen und hatte begonnen, die rezessionsgeschwächte Nation mit kontroversen Sparmassnahmen aus der Krise herauszuführen. Eine legendäre Konfrontation mit streikenden Bergarbeitern besiegelte ihren Ruf als eiserne Lady.

Wie kommt es, dass Margaret Thatcher ein Star wurde und ihr Name noch heute für Machtbewusstsein und politische Langlebigkeit steht? Die Antwort ist in gewissem Sinn einfach: Sie war anders als alle übrigen Politiker, und sie setzte ihre Weiblichkeit schamlos ein. Sie hatte, so das denkwürdige Urteil des damaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, «die Augen von Caligula und den Mund von Marilyn Monroe». Selbst wenn darin der gallische Hang zur Dramatisierung mitschwingen mag: Auf Fotos aus jener Zeit ist Thatchers Lust an der Macht nicht zu übersehen.

«The Lady is not for turning»

Das war, wohlgemerkt, lange vor Angela Merkel und Hillary Clinton. Die Achtzigerjahre waren eine Ära, in der graue Männer mit grossen Brillen und unförmigen Anzügen überall in Europa das Gesicht der Macht repräsentierten und den gleichen öden Politjargon sprachen. Frauen waren Sekretärinnen. Dann tauchte Maggie auf, in ihrem leuchtend blauen Costume, mit ihren Lackpumps und der zurechtbetonierten Frisur, die wie ein Lichtkranz in der Sonne funkelte, entschlossen, alle anderen in den Schatten zu stellen. Sie prägte ihre eigenen Bonmots, unvergessen und noch heute gern zitiert: «The Lady is not for turning» (die Lady lässt sich nicht von ihrem Kurs abbringen) oder «Frag einen Mann, wenn etwas gesagt werden soll, frag eine Frau, wenn etwas getan werden soll».

Diese Frau, die gegen Ende der Siebzigerjahre plötzlich auf der politischen Bühne der streikgeplagten Nation erschien, hatte etwas Elektrisierendes. Nicht zuletzt weil die schrille Hausfrau mit der herrischen Stimme und den überdimensionalen Schleifen an der Bluse selbst in der eigenen Partei anfänglich als Fehlbesetzung angesehen wurde.

Maggie war jedoch weit scharfsinniger, als viele ihrer konservativen Kollegen glaubten, von der linken Labour-Opposition ganz zu schweigen. Vor allem kannte sie das Milieu des britischen Mittelstands mit seinen Ängsten, Hoffnungen, Vorurteilen und Überzeugungen, und das machte sie sich gnadenlos zunutze. Sie sprach besonders Wählerinnen an, die sich stolz als Hausfrauen bezeichneten (weil das gleichbedeutend war mit verantwortungsvollem Wirtschaften) und sich den Männern insgeheim überlegen fühlten.

Nicht dass Maggie selbst zurückhaltend gewesen wäre: In ihrer Zanklust hatte sie etwas Xanthippenhaftes, das gelegentlich aus ihr herausbrach, wenn sie etwa im Parlament den Oppositionsführer als Schlappschwanz verspottete. Ihre schneidende Art war die Kehrseite ihrer Durchsetzungskraft – faszinierend war sie trotzdem.
Margaret Hilda Roberts, Tochter eines Kaufmanns und einer Hausfrau, wuchs in einem bürgerlichen England auf. Sie besuchte das öffentliche Gymnasium – worauf sie gern verwies, um sich gegen die Sprösslinge der konservativen Elite abzusetzen, die alle in Privatschulen waren. Diese Elite schaute auf sie herab, während sie selbst, die zielstrebige Aufsteigerin, furchtlos und mit Witz über die alte Garde herzog. Einmal attackierte sie einen vornehmen, aber entschlussschwachen Minister: «Das Dumme ist, dass Johns Rückgrat nicht bis zu seinem Gehirn reicht.»

Vieles in ihrem Leben erklärt sich aus ihrer Herkunft: aus dem distanzierten Verhältnis zur Mutter (Maggie hatte kaum Freundinnen, und noch heute, alt und dement geworden, schart sie nur einen kleinen Kreis männlicher Freunde um sich) und aus der tiefen Verehrung für ihren Vater, durch und durch Respektsperson, der ihr die Werte von Sparsamkeit, Fleiss und sozialer Verantwortung mit auf den Weg gab.

In Oxford, wo Margaret Chemie studierte, gehörte sie zur ersten Nachkriegsgeneration. Alkohol, Sex und ähnlicher Firlefanz waren damals definitiv nicht auf dem Lehrplan. Ihren ersten Job hatte sie in einem Labor, das ein Verfahren zur Fabrikation von Soft Ice entwickelte. Tatsächlich kann man sich die junge Margaret eher beim Herstellen als beim Essen von Soft Ice vorstellen.

Ihr Gefühlsleben war ein Muster an Schicklichkeit. Bei einem Ball, der von einer unromantischen Industrievereinigung gegeben wurde, verguckte sie sich in Denis Thatcher, einen eleganten Geschäftsmann aus der Ölbranche, dessen Geld ihr die juristische Ausbildung und den langen Weg bis zu einem Parlamentssitz ermöglichte.

Ihr Mann war der einzige der «Nun reicht es aber» zu ihr sagen durfte.

Gemeinsame Auftritte der beiden hatten oft etwas Komisches. Sie ging voraus, mit kleinen Trippelschritten, wie ein Rebhuhn, den Kopf neugierig ausgestreckt. Er schlenderte hinterher, ganz der First Husband, der längst akzeptiert hat, dass er die zweite Geige spielt. David Burnside, ein Freund der beiden, erinnert sich, wie Denis bei einem Parteitag der Konservativen auf ihn zukam und zischte: «Auf was für einem verdammten Empfang bin ich hier bloss. Besorg mir einen Gin Tonic.» Er war, anders als seine Frau, gegen die Todesstrafe, aber er war ihr ein loyaler Berater. Und er war der Einzige, der zur eisernen Lady «Nun reicht es aber» sagen konnte und auch gehört wurde.

Das Familienleben stand jedoch ganz im Schatten ihrer politischen Karriere – die härteste Lehre für viele Frauen, die sich angespornt fühlten, Margaret Thatchers Beispiel zu folgen. Ihre Kinder Carol und Mark litten darunter, dass sie kaum Zeit für sie hatte. Nur zweimal zeigte sie Anzeichen von Schwäche – einmal, als sie, vor lauter privatem und beruflichem Stress, im Unterhaus einen Ohnmachtsanfall erlitt. Und ein andermal, als ihr glückloser Sohn bei der Rallye Paris–Dakar als vermisst gemeldet wurde und sie, für die Öffentlichkeit irritierend und rührend, eine Träne zerdrückte. Carol Thatcher berichtete später, wie verzweifelt Mummy (die Kinder verwendeten immer das förmliche «Mummy», nie das ungezwungenere «Mum») auf Nachrichten gewartet habe. Es war einer der seltenen Fälle, in denen sich die eiserne Lady, dieser Inbegriff eines praktisch denkenden Menschen, machtlos fühlte.

Wie sah die private Maggie aus? Kaum jemand würde sie mit einem Leben voller Spass assoziieren. Sie arbeitete pausenlos und erwartete diesen Einsatz auch von anderen. Charles Powell, ihr aussenpolitischer Berater, erinnert sich aber auch an die Whiskys, die sie zu nächtlicher Stunde gemeinsam tranken, besonders nach anstrengenden Sitzungen mit Vertretern der Europäischen Gemeinschaft, zu der sie immer mehr auf Distanz ging. Einen extragrossen Whisky benötigte sie nach Konferenzen mit Helmut Kohl, zu dem sie ein schwieriges Verhältnis hatte. «Er ist so furchtbar deutsch», beklagte sie sich bei Powell.

Unvergessen, wie Kohl ein Treffen mit der Premierministerin am Wolfgangsee unter einem Vorwand beendete – und wenig später von ihr in einer Konditorei gesichtet wurde, wo er ein grosses Stück Torte verdrückte. Tatsächlich waren sie beide Figuren, die die Politik ihres Landes dominierten und Wahlen im Multipack gewannen – und daher viel zu sehr gewohnt, ihren Willen durchzusetzen, um miteinander auszukommen. Kohl war einer der raren Fälle, die immun gegen ihre Ausstrahlung schienen. Denn wie auch immer man zu Margaret Thatcher stehen mag: Sie besass Sexappeal, und sie setzte ihn gern ein.
Alles in allem war Maggies private Seite ziemlich mysteriös. Sie strahlte eine gewisse Sinnlichkeit aus – halb Sirene, halb Schulleiterin – und wirkte doch prüde, als sie 1979 an die Macht kam, in einem Grossbritannien, das mit den Rolling Stones, Glamrock und den rebellischen Punks alle Hemmungen über Bord geworfen hatte.

Sie legte Wert auf konservative, gute Kleidung, die aber schon bald als altbacken wahrgenommen wurde. Lady Carla Powell, die Frau ihres Beraters, ist eine flamboyante Italienerin mit Beziehungen zu Topdesignern und einem Faible für Luxus. Sie kümmerte sich um Maggies biedere Garderobe, entschärfte die Schleifen an ihren Blusen und brachte sie dazu, bei festlichen Anlässen glamouröse Roben zu tragen. Carla erinnert sich, wie ihr Mann während einer internationalen Krise nachhause kam und ihr atemlos zurief: «Leg sofort auf, die Premierministerin ruft jeden Moment an.» Worauf sie erwiderte: «Darling, ich spreche gerade mit ihr!» Und weiter mit Mrs. T. über Rocklängen plauderte.

Die Sorgfalt, die sie auf ihr Äusseres verwendete – es gibt kein einziges Foto, auf dem sie nicht aussieht wie aus dem Ei gepellt –, hatte auch mit der Einsicht zu tun, dass die Öffentlichkeit nicht nur politische Führung, sondern auch eine eindrucksvolle Erscheinung erwartete.

Shirley Williams, Labour-Ministerin vor Thatchers Machtübernahme, erinnert sich an eine Begegnung in einem Umkleideraum, der von den wenigen Parlamentarierinnen benutzt wurde. Maggie bügelte gerade eine Bluse. Die beiden Frauen, politische Kontrahentinnen, kamen ins Gespräch, redeten darüber, wie schwierig es für Frauen sei, sich im lärmerfüllten Tollhaus namens Parlament Gehör zu verschaffen. «Wir dürfen uns nicht unterkriegen lassen», sagte Mrs. Thatcher – die vielleicht einzige offen feministische Aussage in ihrer gesamten Karriere. Heute ist man versucht, eine Feministin in ihr zu sehen. Ja, sie war tatsächlich eine Inspiration für viele junge Frauen. Viele von uns übernahmen ihre Werte: unabhängig sein, an sich glauben. Nach Ansicht der Historikerin Amanda Foreman wurde Thatchers feministische Seite unterschätzt. «Sie scherte sich zwar nicht um Förderung, Quoten oder Theorien – aber sie wollte besser sein als die anderen.»

Ihren Finanzminister machte sie wegen seiner Frisur zur Schnecke

Dennoch führt nichts daran vorbei, dass Solidarität ein Fremdwort für sie war. Andere Frauen in der Politik interessierten sie nicht, weil diese keine Macht hatten und ihr nichts daran lag, sie zu fördern.

Ihre Persönlichkeit hatte auch eine beschränkte Seite. Sie las nicht viel und interessierte sich kaum für Kunst. Ihr Humor ging meist auf Kosten anderer. Ihre Gnadenlosigkeit ist unvergessen, besonders in den Regionen Englands, die unter dem Niedergang der Industrie litten. Sie polarisierte das Land, riss es aber aus Selbstzufriedenheit und Selbstmitleid und machte es wieder konkurrenzfähig.

Manche fanden diese Art weiblicher Machtpolitik abschreckend. Maggie konnte manchen Minister ziemlich rüde zurechtweisen. Ihren Finanzminister machte sie einmal wegen seiner ungepflegten Frisur zur Schnecke. In der berühmten TV-Satire «Spitting Image» wurde sie als Lederdomina gezeigt. Ein anderes Mal sitzt sie mit ihrer Ministerriege im Restaurant und bestellt Rindfleisch, britisches natürlich. «Und wie sieht es mit dem Beigemüse aus?», fragt die Kellnerin. «Die nehmen alle dasselbe wie ich.»

Ihr Ende war das Resultat mehrerer Faktoren: Ermüdungserscheinungen nach zehn Jahren im Amt, die Einführung einer umstrittenen Kopfsteuer sowie wachsender Unmut im Kabinett über ihren autokratischen Führungsstil. Sie reagierte unklug auf die deutsche Wiedervereinigung und verkannte die Dynamik dieses Prozesses, über den sie sich abfällig äusserte. Ihr Rückhalt in der Partei bröckelte, und die Verständnislosigkeit in ihren Augen sprach Bände. «Komische alte Welt» waren ihre letzten Worte, als sie Downing Street verliess und die Nation sich fragte, wie das Leben ohne Maggie weitergehen würde.

Das Leben ging weiter, aber für sie selbst war es keine glückliche Zeit. Sie kaufte ein teures Anwesen im vornehmen Chelsea, das sie wie eine Miniaturausgabe von Downing Street führte. Natürlich war sie als Rednerin gefragt, vor allem in den USA, aber das typische Wanderleben ehemaliger Regierungschefs behagte ihr nie.

Wie ihr alter Freund und Verbündeter Ronald Reagan wurde auch sie von Altersdemenz heimgesucht, die weder Status noch Reichtum respektiert. Ich habe Margaret Thatcher in den Neunzigerjahren einige Male erlebt. Manchmal führte sie Diskussionen in gewohnter Schärfe, aber immer öfter sah man die Leere in ihren Augen. Einmal erschienen mein Mann und ich zu einer Gesellschaft, die die Society-Dame Annabel Goldsmith in ihrem Haus in Richmond gab. In der Tür stand, aufbruchbereit, Lady Thatcher. Wir traten zur Seite, doch sie winkte uns herein: «Kommen Sie, treten Sie ein!» Es war nicht klar, ob da einfach die alte befehlsgewohnte Maggie vor uns stand oder ob ihr nicht bewusst war, dass sie hier nicht zuhause war.

Einer ihrer wenigen Vertrauten berichtet, nun trete eine weichere Seite an ihr hervor – sie streichle Tiere und sei gern in der Gesellschaft alter Freunde. Zeitweilig glaube sie, wie im Film «The Iron Lady» zu sehen, ihr Mann Denis lebe noch. Grossbritannien ist tief zerstritten über die Art, wie ihre Hinfälligkeit auf der Leinwand gezeigt wird. Für manche ist es ein Verrat an unserem Bild von der eisernen Lady, für andere eine Missachtung ihrer Privatsphäre.

Angesichts der aktuellen Rezessionsangst sind die politischen Debatten der Achtziger – und mit ihnen Thatchers Name – wieder allgegenwärtig. Debatten, die wohl weder zu ihren Lebzeiten noch danach ein Ende finden werden. In einem aber ist Maggie unerreicht. Sie hat in einer Männerwelt den Frauen den Weg gewiesen. Das ist der Stoff, aus dem Legenden sind.
Und das Beste ist: Diese ist wahr.

Anne McElvoy ist Redaktorin bei der britischen Zeitschrift «Economist» und moderiert auf BBC Radio das Kulturmagazin «Night Waves»
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork