People
Meinung: Warum Khloé Kardashian den Fatshaming-Shitstorm verdient hat
- Text: Kerstin Hasse
- Bild: Shutterstock
Ein altes Interview mit Khloé Kardashian, in dem sie Leute für ihre fehlende Disziplin kritisiert, sorgt zurzeit im Netz für Furore. Als Millionen-schwerer Teil der Kardashian-Familie über andere Leute zu urteilen, ist halt eher problematisch, schreibt unsere stv. Chefredaktorin Kerstin Hasse.
«Ich kann Leute nicht ausstehen, die einen Eimer Häagen-Dazs-Eis essen und sagen: ‹Ich bin so fett›. Sie trainieren nicht, sie ändern ihre Ernährung nicht, sie trinken nicht mehr Wasser – sie tun nichts, ausser sich zu beschweren, beschweren, beschweren.» Dieses Statement von Khloé Kardashian geht zurzeit viral. Es stammt aus einem Interview mit dem Podcaster Jay Shatty aus dem Jahr 2019. Khloé, der im Netz Fatshaming vorgeworfen wird, redet weiter darüber, dass diesen Leuten die nötige Selbstreflexion fehle und dass sie sich in eine Opferposition manövrierten. «Alle anderen sind schuld», sagt sie.
Als hätte man einen Kardashian-Filter über sie gelegt
Das kommt bei vielen User:innen nicht gut an. Weshalb? Nun, Khloé war lange Zeit das am wenigsten angepasste Familienmitglied. Sie war nicht ganz so operiert, nicht ganz so schlank, nicht ganz so Kardashian. Dann trennte sie sich 2013 von ihrem Ex Lamar Odom und lancierte wenig später das Projekt «Revenge Body» (Rache-Körper). Sie liess ihre Follower natürlich an ihrem Prozess teilhaben, teilte auf Social Media Ernährungstipps und ihre verschwitzten Stunden im Gym.
Es folgte ein Buch, eine eigene Reality-Serie und diverse dazu passende Kooperationen mit Nahrungsergänzungsmittel-Herstellern oder Fitness-Labels. Über 20 Kilo habe sie abgenommen, wird im Netz gemunkelt. Doch dabei blieb es ganz offensichtlich nicht: Die Wangenknochen wurden definierter, das Kinn schmaler, die Nase kleiner, die Lippen voller und der Popo grösser. Und von Jahr zu Jahr verschwand die alte Khloé mehr und mehr. So, als hätte man einen Kardashian-Filter über sie gelegt.
Jeder Person ist es selbst überlassen, über das eigene Aussehen zu entscheiden. Doch klar ist auch: Nicht alle Menschen, die mit ihrem Aussehen nicht zufrieden sind, haben einen Personal Coach und einen Personal Chef angestellt, geschweige denn Millionen von Dollar zur Verfügung, um vermeintlich imperfekte Körperstellen operieren zu lassen. Millionen von Dollar, die notabene unter anderem damit eingenommen wurde, jungen Mädchen vorzugaukeln, dass irgendwelche Fitness-Shakes und Diätpillen satt, glücklich und schlank machen.
Und genau hier liegt das grosse Problem der Kardashians: Die Reality-Familie, die das Influencertum quasi erfunden hat, lebt davon, dass ihre Follower sie bewundern und nachahmen wollen. Das hatte – in Bezug auf Body positivity – sogar seine guten Seiten. Denn die Familie machte grosse Popos im Prinzip wieder salonfähig. Doch ihr Leben ist und bleibt eine Luxus-Scheinwelt, die nichts mit der Lebensrealität von schätzungsweise 90 Prozent ihrer Follower zu tun hat.
«Stormi durfte heute arme Leute spielen»
Das merkt man dann, wenn Kim mitten in der Pandemie eine Insel mietet, um ihren Geburtstag zu feiern. Oder wenn Kylie Jenner verlauten lässt, dass ihre 3-jährige Tochter Stormi bald ihren eigenen Brand lanciert. Stormi war es übrigens auch, die sich anscheinend schon lange eine Busfahrt mit einem klassisch amerikanischen Schulbus gewünscht hat. Auf Instagram teilte Kylie Fotos von Stormi in so einem gelben Bus, den ihr Papa Travis Scott kurzerhand für die Kleine gemietet hat. Auch da folgte der Social Media Shitstorm umgehend. Ein User brachte es dabei auf den Punkt: «Stormi durfte heute arme Leute spielen». Denn Fakt ist: Die kleine Kardashian wird so einen Bus kaum je wieder von innen sehen.
Die Kardashians führen kein normales Leben – das ist ganz offensichtlich. Sie verprassen ihr Geld für Pony-Partys und Botox – und die Menschen schauen dabei zu. Natürlich ist das ein Teil des Problems, doch es ist auch ein Deal, den beide Parteien miteinander eingehen. Das Publikum könnte jederzeit wegschalten. Wenn es das nicht tut, lässt es sich offensichtlich auf die Filterwelt von Kim und Co. ein.
Problematisch ist allerdings, wenn der Kardashian-Clan versucht, sich «real» zu geben – oder wenn Khloé, wie passiert, über das Leben anderer urteilt. Denn schliesslich hat diese Familie ihr Vermögen auf den Unsicherheiten und Komplexen von Millionen von Menschen aufgebaut. Und damit Milliarden eingenommen. Menschen, die sich in Skims-Unterwäsche zwängen und hoffen, damit eine Wespentaille wie Kim zu bekommen. Menschen, die Kylie Jenners Lipgloss auftragen und beten, dass ihre Lippen so voll sind wie die «unoperierten» Kylies. Menschen, die zu Hause mit ihrem Häagen-Dazs-Eis sitzen und sich «Keeping Up with the Kardashians» anschauen.