Politik
Meinung: Mütter, wie wärs mit weniger Druck?
Jacqueline Krause-Blouin
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Mutter sein, eine erfolgreiche Karriere haben und daneben noch eine ausgewogene Work-Life-Balance geniessen? Klappt nicht, schreibt unsere Chefredaktorin Jacqueline Krause Blouin. Vor allem, wenn Frauen und Mütter sich zusätzlich unter Druck setzen.
«It takes a village». Ein abgedroschenes Sprichwort, das besagt, dass für eine gelungene Kinderbetreuung alle mithelfen müssen – Tanten, Cousins, Nachbarn. Das «village» heisst heute «Kita Gartenzwerg» und zieht den halben Monatslohn oder mehr ein. Im neuen «village» arbeiten oft weniger privilegierte Mütter, die ihre eigenen Kinder morgens den Grosseltern in den Arm drücken, oder gleich in ihrem Heimatland zurücklassen müssen. So kann die privilegiertere Mutter die Kinderbetreuung outsourcen, arbeiten gehen und sich nebenbei die Frage gefallen lassen, warum sie überhaupt Kinder habe. It’s complicated! Im Zuge unserer «annajetzt»-Studie baten wir Frauen, Jüngeren einen Rat zu geben. Überraschend oft lautete dieser: «Hab lieber keine Kinder!» Oder: «Ich liebe meine Kinder, aber ich war glücklicher ohne sie.»
Unser Rentensystem baut darauf, dass wir Kinder zeugen. Sobald diese aber mal da sind, kommen auch wir auf die Welt und merken: Kinder sind Privatsache – und das bringt viele an den Rand der Verzweiflung. Auch ich muss ehrlich sagen: Hätten wir in der Schweiz ein Elternzeit-Modell ähnlich dem unserer deutschen Nachbarn, würde ich wohl über ein zweites Kind nachdenken. So aber lässt allein schon die Vorstellung davon mein Herz rasen – und zwar nicht vor Freude. Gudrun Sachse schrieb dazu kürzlich für annabelle: «Heute soll eine Mutter schaffen, was nie ein Vater geschafft hat: Job, Haushalt, Kinder, Pilates.»
«Ja, unser System ist nicht familienfreundlich»
Was hier überspitzt geschrieben nach dem Wehklagen einer Wohlstandsmutter klingt – denn natürlich muss keine Mutter Pilates machen – benennt doch einen wichtigen Punkt: In Zeiten von #selflove soll Mutter eben auch noch mit ihrem holistischen Ich im Reinen sein und die Sonne soll ihr bitte partout aus dem vom Intervalltraining gestrafften Allerwertesten scheinen. Ja, unser System ist nicht familienfreundlich. Das müssen wir ändern. Aber was wir auch ändern müssen, ist der Druck, den wir auf andere und uns selbst ausüben. Mich hat zutiefst schockiert, dass laut Umfrage Mütter die unzufriedensten Frauen in diesem Land sind. Überraschend ist es nicht: Mal soll sie wie Uhu an ihrem Baby kleben, zwei Jahre stillen, nicht stillen oder gleich für drei Wochen ohne Kind in die Ferien fahren – da ist es schwer, nicht zu vergleichen und zu urteilen. Dabei ist doch einzig wichtig, dass es sich für jede Einzelne richtig anfühlt. Denn nur zufriedene Mütter sind auch gute Mütter.
Du sprichst mir aus dem Herzen! Danke für diesen Artikel. Mir war nur unbewusst klar, wie anti Familie und anti Frau die Schweiz ist, bis ich selber Kinder hatte. Nun gibt es Tage, an denen denk ich mir: Jetzt hab ich den Dreh raus und meistere Supermama, Superselbstständige, Superehefrau, Superfreundin und all die anderen Rollen, die ich auch noch sein sollte. Und dann gibts Tage, an denen ich nicht mehr kann, am Ende bin und mir wünsche, die Zeit zurückdrehen zu können, alles Ungeschehen machen zu können. Man ist einfach so alleine hier. Und ja, ich wünschte mir, ich könnte all die Stimmen manchmal ignorieren, die einem diesen unglaublichen Druck geben. Dazu muss sich aber der gesellschaftliche Blick aufs Familienbild, auf die Elternrolle und auf die Frau ändern.