Meinung: Joyce Ilg hat den Shitstorm für ihren K.-o.-Tropfen-Witz verdient
Vanja Kadic
Co-Leiterin Digital
Die deutsche Komikerin Joyce Ilg postete bei Instagram ein Foto mit dem Comedian Luke Mockridge, gegen den wegen sexualisierter Gewalt ermittelt wurde. Das Bild versah sie mit einem Witz über K.-o.-Tropfen – und erntete dafür einen Shitstorm. Berechtigterweise, findet Redaktorin Vanja Kadic.
Meine persönliche Oster-Idylle durchbrach am Wochenende ein Thema bei Instagram, das auf meinen abonnierten Kanälen immer wieder kommentiert wurde: der «K.o.-Tropfen-Witz». Diesen erlaubte sich die deutsche Komikerin und Schauspielerin Joyce Ilg. Sie teilte bei Instagram ein Foto mit dem Comedian Luke Mockridge, gegen den wegen versuchter Vergewaltigung ermittelt wurde, und schrieb dazu: «Hat hier irgendwer von euch Eier gefunden? Ich hab nur ein paar K.O. Tropfen bekommen. Frohe Ostern! #Partnerlook #FreedomOfHumour» Mockridge repostete den Beitrag und schrieb dazu: «Auf der Suche nach Eiern die grössten in der Szene gefunden.»
«Unnötig und vollkommen unangebracht»
Die Wut in meinem Bauch über Ilgs deplatzierten Post und ihre Reaktion auf die Kritik, die folgte, hält sich auch Tage später noch. Und ich bin damit nicht alleine: Mehr als 20 000 User:innen haben Ilgs Beitrag inzwischen kommentiert, unzählige davon sind empört und angeekelt. «Bin fast mal an K.-o.-Tropfen gestorben. Nicht cool, Joyce. Again», schreibt etwa die Künstlerin Silvi Carlsson. «Mach Selfies mit wem du magst, total legitim und fair enough. Aber was soll dieser Seitenhieb, der auf Kosten von Opfern sexualisierter Gewalt geht? Und bitte verstecke dich jetzt nicht hinter ‹Humor darf alles›, weil es ist ja nicht mal ein Gag … es ist lediglich Nachtreten und nach unten treten. Unnötig und vollkommen unangebracht», kommentiert Autorin und Aktivistin Jasmina Kuhnke.
Der geschmacklose K.-o.-Tropfen-Scherz ist besonders in Verbindung mit dem Foto brisant – denn mit dem «Witz» spielt sie auf die Vorwürfe gegen Luke Mockridge und einen Joke aus seinem Bühnenprogramm an. Zur Erklärung: Eine Ex-Freundin warf Luke Mockridge 2020 versuchte Vergewaltigung vor. Nachdem bei Social Media der Hashtag #KonsequenzenfürLuke viral ging, erklärte der Entertainer im August in einem Video: «Das, was mir vorgeworfen wird, das ist nicht passiert.» Das Ermittlungsverfahren gegen Mockridge wurde eingestellt. Ende September 2021 doppelte der «Spiegel» mit einer längeren Recherche nach, in der sich mehrere Frauen zu Mockridge äusserten. Gegen den Artikel ging Mockridge rechtlich vor.
Über die Vorwürfe macht Mockridge heute Witze
Nach den Vorwürfen verkündete der Comedian eine längere Auszeit und gab an, er brauche Zeit, «um zu verstehen, zu lernen und zu heilen». Dafür brauchte er gerade mal sechs Monate: Am 24. März feierte er in Hagen (D) sein Bühnen-Comeback. Und über die Vorwürfe gegen ihn macht er inzwischen Witze: Bei Instagram parodierte er sogar sein Entschuldigungsvideo, um Werbung für seine Bühnenshow zu machen. Für eine von der Cancel Culture – die ja angeblich eine Männerkarriere nach der anderen zerstört – betroffene Person scheint er sich also ganz gut erholt zu haben.
Nun kuschelt sich der geläuterte Entertainer also an Joyce Ilg, die munter über K.-o.-Tropfen witzelt. Nachdem sie für ihren Beitrag Kritik einstecken musste, ergänzte sie ihren Post: «Da es zu Missverständnissen gekommen ist, erkläre ich hiermit den Gag: Das sollte kein Witz auf Kosten von K.O. Tropfen Opfern sein, sondern eine Anspielung darauf, dass Luke diesen K.O. Tropfen Gag ja damals in seinem Programm hatte und ihm das nachträglich als vermeintlicher ‹Beweis von Schuld› ausgelegt wurde», so Ilg. «Er hat aber ja nie jemandem K.O. Tropfen gegeben. Mir war klar, dass das nicht jeder lustig findet, muss ja auch nicht. Mein Humor hat wenig Grenzen und dazu stehe ich auch. Das war einfach nur ein lockerer Spruch … wer da mehr Aussage meinerseits reininterpretiert, dann liegt das an der persönlichen Wahrnehmung, nicht an dem, was ich aussagen wollte.»
Besonders schlimm ist, dass Joyce Ilg in ihrer «Erklärung», die sie anfügte, noch einmal nachtritt und zeigt, wie internalisierte Frauenfeindlichkeit aussehen kann. In wahrer «Pick Me Girl»-Manier will sie Leser:innen damit eigentlich klarmachen, dass sie halt einfach einen sehr verrückten Humor hat, sich nicht wie alle anderen um Grenzen schert – und damit anders ist als andere Frauen. Auf die, wie ich finde, völlig berechtigte Kritik, dass sie sich mit ihrem «Witz» auf Kosten Betroffener sexualisierter Gewalt amüsiert und dies auch noch unter dem Deckmäntelchen der künstlerischen Freiheit tut, sagt sie also im Grunde genommen: Juckt mich nicht, wenn du das schlimm findest, ist dein Problem – du verstehst halt einfach nicht, was lustig ist.
Blanker Hohn für Opfer von K.-o.-Tropfen
Joyce Ilgs «Witz» ist nicht nur unsensibel und wahnsinnig schlecht, sondern schlicht blanker Hohn für alle, die Opfer von K.-o.-Tropfen geworden sind. K.-o.-Tropfen können zu Bewusstlosigkeit und im schlimmsten Fall zum Tod führen – und machen Opfer bereits in geringen Mengen leicht manipulierbar und willenlos, weshalb sie gezielt für Sexualdelikte eingesetzt werden. Was an der Droge, die viele Leben zerstört hat, lustig sein soll, verstehe ich nicht.
Ja, Scherze können auch mal daneben gehen. Manchmal, wie in diesem Fall, furchtbar daneben. Für mich ist das Schlimmste an der Sache aber Ilgs ignorante und empathielose Reaktion darauf. Dass der «lockere Spruch», wie sie es nennt, für viele Menschen verletzend ist, interessiert sie offenbar nicht. Gerade weil die Komikerin bereits Grenzüberschreitungen erlebte – wie sie in einem Video sagt, in dem sie Mockridge verteidigt – müsste sie eigentlich wissen, wie sich das anfühlt. Und dass es Betroffenen sexualisierter Gewalt schon schwer genug gemacht wird. Auch ohne blöde Witze und «lockere Sprüche».
Dass sich Ilg nicht zum ersten Mal öffentlich mit Luke Mockridge solidarisiert (der rechtlich unbescholten ist und gegen den die Unschuldsvermutung gilt) und sich mit ihm gemeinsam über Betroffene sexualisierter Gewalt lustig macht, finde ich traurig. Und es tut besonders weh, wenn dies von einer Frau kommt.
Word! Humor hat definitiv Grenzen und diese wurden heftig überschritten.