Meine Meinung: Verschont mich mit den Klimakteriums-Verklärerinnen!
- Text: Claudia Senn, Illustration: Grafilu
annabelle-Redaktorin Claudia Senn würde die Menopause am liebsten mit Champagner begrüssen. So einfach ist das Ganze aber nicht.
Ich bin bald 49, und die Einschläge kommen langsam näher. Es begann damit, dass mir am Kinn plötzlich dicke, borstige Haare sprossen – ein Problem, dem vergleichsweise einfach beizukommen war: Ich kaufte mir eine teure, aber sehr effektive Präzisionspinzette. Seither rücke ich dem Wildwuchs mit unerbittlicher Entschlossenheit zu Leibe. Niemals wird mir ein Damenbart wachsen. NIEMALS!
Schwieriger in den Griff zu kriegen sind die heftigen Menstruationen. Konnte ich meine monatlichen Blutungen früher stets ohne grosses Murren ertragen, fühle ich mich nun jedes Mal wie eine total misslungene Version meiner selbst. Krämpfe, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und dazu eine so unterirdisch miese Laune, dass man meinem Mann eigentlich einen Orden verleihen müsste, weil er noch immer an meiner Seite ausharrt. Ich vermute mal, die Natur hat das zum Abgewöhnen so eingerichtet: Bevor die Mens ganz ausbleibt, kriegt man noch einmal richtig drastisch vor Augen geführt, was für eine fiese Quälerei sie doch ist. Am liebsten würde ich die Menopause deshalb mit offenen Armen und Champagner willkommen heissen – aber leider geht es danach ja erst richtig los.
Womit wir beim Thema wären: die Wechseljahre. Genauer: die Wechseljahres-Verklärerinnen. Noch ist die erste Wallung nicht in Sicht, und doch gehen sie mir schon mächtig auf die Eierstöcke. Neulich zum Beispiel fiel mir wieder einmal Julia Onkens Klimakteriums-Bestseller «Feuerzeichenfrau» in die Hände. Obwohl sonst eher schwer aus der Ruhe zu bringen, verlor ich beim Lesen die Contenance. Denn Frau Onken empfahl, die Beschwerden der Wechseljahre in eine Art Wellnessprogramm umzudeuten, «den Körper sonnenhaft durchglühen zu lassen» und die «Glut» der Hitzewallungen «vollumfänglich zu spüren». Ich soll mir vorstellen, ich liege im Solarium? Also bitte! Das erinnerte mich an die Taktik meines Zahnarzts, der mir einen Kopfhörer mit Walgesängen überstülpte, um das Kreischen des Bohrers zu übertönen. Lieb gemeint, Herr Doktor, aber vollkommen nutzlos.
Noch schlimmer finde ich jene spirituell oder feministisch angehauchten Gschpürsch-mi-Frauen, die mir einreden wollen, die Menopause katapultiere mich auf eine höhere Bewusstseinsebene, wo ich dann endlich ganz ich selbst sein dürfte, befreit von der Last der Fruchtbarkeit. «Es ist eine äusserst schwierige Zeit», schrieb beispielsweise die australische Feministin Germaine Greer, «in der eine Frau nach 35 Jahren der Kapitulation und Maskerade als sie selbst wiedergeboren wird.» Du liebe Güte, Frau Greer, das klingt ja, als hätten Sie Ihr Leben vor der Menopause vollkommen vermasselt!
Wenn es bei mir demnächst losgeht mit den Hitzewallungen, den Schlafstörungen und den Stimmungsschwankungen, dann möchte ich bitte laut aussprechen dürfen, wie ätzend das alles ist. Die Wechseljahre werden mich meinem wahren Ich nicht näherbringen, und sie sind auch keine Pforte zu spiritueller Weisheit. Sondern eine Hormonumstellung, die sich manchmal verdammt beschissen anfühlen kann. Schön wäre, wenn mein Mann mich dann trotz meines Genörgels immer noch mag und meine Freunde mir Mitgefühl und Toleranz entgegenbringen.
Aber bitte, erwartet nicht, ich werde ein neuer Mensch.