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Meine Meinung: Lasst die Maus in der Hose

Meine Meinung: Lasst die Maus in der Hose

  • Text: Helene Aecherli, Illustration: Grafilu

annabelle-Redaktorin Helene Aecherli bekommt von ihrem Verehrer lieber Blumensträusse als ein Nacktselfie zugesandt.

Wenn ich gefragt werde, was mir an Männern, die mir gefallen, besonders gefällt, antworte ich, ohne zu überlegen: «Ein neckischer Blick. Sehnige Unterarme. Ein knackiger Po.» Und ich mag Blumen jeglicher Art mit Kärtchen, gerne per Kurier ins Büro geschickt. Vor kurzem aber erhielt ich ein Zeichen der Anerkennung, welches das eben Genannte so altbacken aussehen liess wie ein bodenlanger Tweedjupe: ein Foto eines erigierten Glieds, keck in die iPhone-Linse starrend, ein Nacktselfie. Darunter stand: «Ich denk an dich.» Es war, als hätte mir ein Kater mit stolzer Miene eine gefangene Maus vor die Füsse gelegt: «Schau, was ich dir Schönes gebracht habe!» Zugegeben, ich war erst mal ein bisschen verwirrt.

Nacktselfies sind in Zeiten von Youporn, Cybersex und Sexchats zwar fast so alltäglich geworden wie Partyselfies oder Fotos vom selbst gebratenen Lammfilet im Kräutermantel. Mehr noch: Seit der Affäre um den Badener Stadtammann Geri Müller hat das Nacktselfie gar eine gewisse Salonfähigkeit erreicht, zumindest in dem Sinn, dass heute selbst konservative Politiker das Wort in den Mund nehmen können, ohne sich daran zu verschlucken. Jegliche Aufgeregtheit darüber wäre also so unnötig wie passé.

Trotzdem: Nacktselfies sind vielleicht eine Quelle der lustvollen kollektiven Empörung, nicht aber des haltlosen Entzückens. Wie Recherchen in meinem Bekanntenkreis zeigen, würde jede der befragten Frauen zwischen 19 und 74 einem Mann dringend davon abraten, sich die Smartphone-Kamera unter die Gürtellinie zu halten. Umgekehrt käme es kaum einer Frau in den Sinn, einem Flirt unaufgefordert Fotos ihrer primären Geschlechtsorgane zu schicken. Eher sendet sie einen Kussmund oder ein Bild von sich unter Palmen. Fazit: Ein Mann ohne Slip ist ein Muss beim live Sex, nicht aber auf Bildern (ausser man sieht ihn von hinten), und noch viel weniger, hoch aufgelöst auf sein vermeintlich bestes Stück reduziert.

Nun, ich war weder brüskiert, noch fühlte ich mich in meinem Selbstverständnis als Frau erschüttert. Ich fand das Foto sogar irgendwie süss. Doch wunderte ich mich: Warum tun Männer das? Ist ihnen bewusst, dass sie sich damit der Empfängerin ausliefern? Denn schickt er ihr ein Porträt seines Gemächts, hat sie ihn in der Hand.

Er vertraue mir, erklärte der Absender «meines» Nacktselfies, als ich ihn darauf ansprach. Er sei sich sicher, dass ich sein Bild hegen und vor fremden Blicken schützen würde. «Weisst du, es war ein Geschenk für dich, so etwas wie ein Rosenstrauss. Es sollte dir zeigen, wie sehr ich dich begehre.» Ihm sei klar, dass er sich mit dem Foto entblösse – nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Denn während Blumen Raum lassen für Interpretationen, konfrontiert ein Nacktselfie mit den «Hard Facts». Hart wie ein Sprung auf den Asphalt. Er hätte es mir jedoch nicht geschickt, wenn er nicht davon ausgegangen wäre, dass ich mich darüber freue.

«Rosen hätten mir aber fast noch besser gefallen», konterte ich sanft. «Zudem sehen die auf Fotos besser aus.» Na ja, meinte er, sein Geschlechtsorgan sei für ihn halt das ultimative Symbol für Sex und Romantik. «Und wir Männer hoffen natürlich, dass ihr Frauen dies auch so seht.»

Ach Jungs, diese Hoffnung wird sich nicht erfüllen. Frauen sehen einfach anders. So liebevoll «mein» phallisches Stillleben auch gemeint war – ich habe es sofort gelöscht. Denn wer bitte bewahrt schon tote Mäuse auf?