Die Politologin Regula Stämpli über moderne Männer.
Kürzlich bekam ein guter Freund zum Geburtstag das Buch «Der gastrosexuelle Mann» geschenkt, und ich wusste: Nun ist es aus. Aus mit betörenden Männern mit Machismo à la Marcello Mastroianni, aus mit dem verführerischen Spiel von Erotik und Begehren, aus mit Kavalieren, die Frau mit der Grandezza des bourgeoisen 19. Jahrhunderts den Hof machen, einfach aus.
Was bleibt, ist der perfekt inszenierte Einheitsbrei des gastrosexuellen Neutrums, dem der Küchenmixer mit 22 frei wählbaren Programmen und Häckselfunktion vertrauter ist als der Verschluss eines BHs.
Tja, vom Mammutjäger zum Eintopfkocher – diesen Weg sollen mir Evolutionsbiologen wie Richard Dawkins bitteschön erklären. Oder kann sich das egoistische Gen in seiner vollen männlichen Entfaltung nur in der Küche manifestieren? Die Lebens- und Weltentwürfe von Menschen ohne Menstruationshintergrund verwirren immer wieder: Während die Islamisten via Hackebeil, Fusselbärte und Scharia mit ihren geballten männlichen Frustrationen die ganze Welt in Angst und Schrecken versetzen, haben die Westmänner Zeit, sich um Gastrosex inklusive teurer Gadgets zu kümmern, welche die «starken» Frauen dann putzen dürfen.
Seit die postindustrielle Werbeindustrie den Mann als Zielgruppe entdeckt hat, sitzt dieser in der gleichen Optimierungsfalle wie wir Frauen. Wer sich im Jahr 2015 in einer Parfumerie umschaut, wird fast gleich viele Regalmeter für Männerparfums messen können wie für Frauendüfte. Und wer Men’s System Moisturising Face Gel oder die Miracle24 Face Mask for Men zunächst noch belächelt, wird angesichts der männlichen Käufer sofort still. Eben waren das noch avantgardistische Metrosexuelle, aber die sind bereits Schnee von gestern. Der nächste Trend lauert schon im Badezimmer oder eben in der Küche. Kommt uns alles ungemütlich bekannt vor, nicht? Klingt gefährlich nach Hanna Rosins «Plastikfrauen», igitt. Diese sind auf dem Gipfel der Macht angelangt, doch vor lauter Disziplin, Härte und Kraft denken sie nur noch an ihren Status. Oder rennen hysterisiert in die Buchhandlungen (und jetzt auch ins Kino) und lassen sich von einem egomanen und unsicheren Jüngling «emotional» so richtig durchpeitschen.
Gastrosexuell, meine Güte! Seufz. Wie schön wäre es doch gewesen, die modernen Männer hätten sich, bevor sie sich dem Schrott der Schönheits- und gastrosexuellen Perfektionsmanie unterwerfen, all die tollen Eigenschaften von Frauen wie Empathie, Intelligenz, Kreativität und Schaffenskraft zu eigen gemacht. Wenn das Spiel der Geschlechter zur neuen Sachlichkeit mutiert, können wir alle einpacken. Mein Freund hat das Geschenk ausgepackt und wegen Foulspiel des Felds verwiesen. Fortan schmückt es das Gäste-WC. Es steht passend neben Sloterdijks «Kritik der zynischen Vernunft».
Wo auch immer also Sie, liebe Leserin, einen gastrosexuellen Mann finden: Hauen Sie ihm seine grösste Bratpfanne um die Ohren, und machen Sie sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen, unperfekten, klischeefreien Unbekannten. Seien Sie mutig. Es lohnt sich. Denn eine Welt voller starker Frauen braucht ebenso viele starke Männer.