annabelle-Redaktorin Helene Aecherli über die gesellschaftliche Herausforderung der Gleichstellung von Männern und Frauen.
Wirklich, sie war entzückend und wunderbar unschuldig mit Ballerinafrisur und blütenweissem Kleid: Knapp 14 Minuten lang warb die britische Schauspielerin Emma Watson (24) vor den Vereinten Nationen in New York für die Kampagne «He for She», die Männer dazu auffordert, gemeinsam mit Frauen gegen die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts anzukämpfen. Die Kampagne wurde von der Organisation UN Women lanciert, Emma Watson, bekannt als Hermine Granger aus den Harry-Potter-Filmen, ist deren Goodwill-Botschafterin, somit hatte mit ihrem Auftritt alles seine Richtigkeit, dennoch fragte ich mich: Wo bitte blieb Harry Potter? Warum stand er bei diesem feierlichen Akt, bei dem es ja darum ging, Männer für die Gleichstellung zu gewinnen, nicht an Hermines Seite? Und überhaupt: Warum präsentierte man als Werbeträger für diese Kampagne nicht gleich einen Mann, und zwar einen Typen wie Daniel Craig oder George Clooney, einen, der Frauen wie Männer gleichermassen begeistert? Letzterer wäre ja als Gatte der Menschenrechtsanwältin Amal Alamuddin geradezu prädestiniert dafür gewesen: «Hey, guys! Gender equality. What else?» Eine verpasste Chance.
Denn die öffentliche Diskussion um Gleichstellungsfragen dreht sich im Kreis und irgendwie im Leeren: Der Ton ist quengelig bis übercool, die immer gleichen TV-Podium-und-Kolumnen-gestählten Protagonistinnen verharren meist in der Opferhaltung (selbst Emma Watson blickte mit einem gehetzten Bambiblick in die Runde), produzieren brav die immer gleichen unverbindlichen Floskeln, die irritieren statt inspirieren. Mittlerweile muss sogar ich mir eingestehen, dass mich Diskussionsrunden, Veranstaltungen und auch Netzwerke, die mit dem Prädikat «Frauen» und «Gleichstellung» versehen sind, mit Unbehagen erfüllen. Nicht weil ich ihre Anliegen gering schätze, sondern weil mich das Gerede ratlos lässt. Und mein Unbehagen scheint ein Indiz für eine grössere Baisse zu sein: So ist der Begriff Feminismus längst zum altmodischen Unwort verkommen. Frauen machen um firmeninterne Frauenförderungsprogramme einen Bogen, weil sie fürchten, damit ihre Aufstiegschancen zu schmälern. Zudem haben Verleiher von Gleichstellungspreisen Mühe, Firmen zu finden, die sich für ihre Ausschreibungen bewerben, da solche Auszeichnungen eher als imageschädigend empfunden würden. Klar, dies könnte man so interpretieren, dass Gleichstellungsthemen im heutigen Wettbewerb der Talente als überholt gelten. Was zählt, ist der individuelle Ehrgeiz: Wer genug will, kommt vorwärts. Egal, ob Mann oder Frau.
Tatsache ist aber, dass in Sachen Gleichstellung längst nicht alles so ist, wie es sein sollte. Die Bestrebungen für Lohngleichheit, für eine familienfreundliche Politik, für mehr Frauen in leitenden Positionen müssen weitergehen. Allerdings ist in der Debatte um Gender Equality ein Paradigmenwechsel nötig, um sie wieder flott- zumachen: Es braucht neue Protagonistinnen, die das Thema frech, sachlich und selbstbewusst vertreten und die Dinge beim Namen nennen, etwa explizit Firmen anprangern, die sich standhaft weigern, Frauen in der Hierarchie aufsteigen zu lassen, oder den Schwangeren kündigen. Es braucht das Bewusstsein, dass die Gleichstellung von Frau und Mann kein Frauenanliegen ist, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung, dass Frauen und Männer an einem Strick ziehen müssen. Und für diese Parforce-Leistung braucht es echte Kerle. What else?