In Schweizer Kindertagesstätten arbeiten lediglich rund acht Prozent Männer. Das soll sich ändern! Wie genau, darüber haben sich Ende November 120 Fachleute beraten.
Rund 34’000 Personen arbeiten in der Schweiz in der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung – also etwa in Kindertagesstätten. Dass davon nur etwa acht Prozent Männer sind, stösst verschiedenen Dach- und Fachorganisationen sauer auf. Am 30. November fand deshalb im ausverkauften Zentrum Liebfrauen in Zürich eine Impulstagung statt. Veranstaltet wurde sie durch die Organisationen Kibesuisse (Verband Kinderbetreuung Schweiz), Savoirsocial (Schweizerische Dachorganisation der Arbeitswelt Soziales) sowie Männer.ch (Dachverband Schweizer Männer- und Väterorganisationen). Das erklärte Ziel: Langfristig sollen in der professionellen Kinderbetreuung in der Schweiz mindestens ein Drittel Männer arbeiten.
Ein ambitioniertes Vorhaben. Denn noch herrscht laut Kibesuisse-Geschäftsleiterin Nadine Hoch das weit verbreitete Vorurteil, dass Frauen von Natur aus besser Kinder betreuen können als Männer. Für Kinder sind aber vielfältige Rollenvorbilder wichtig: «Es geht nicht darum, dass Buben mehr Männer brauchen», wird Hoch im Communiqué zur Fachtagung zitiert.
Vorurteile stehen Männern im Weg
Dass momentan weniger als zehn Prozent Männer in der Kinderbetreuung arbeiten, liegt laut Fränzi Zimmerli von Savoirsocial auch daran, dass sich viele Männer mit der Exotenrolle als Kinderbetreuer nicht zurechtfinden. Dafür spricht auch die hohe Aussteigerquote nach der Grundausbildung. Diese Rolle entsteht auch deshalb, weil die Arbeit schon immer eher mit Frauen verbunden wird, sagt Julia Nentwich, Professorin für Gender-Balance in der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung an der Universität St. Gallen. Das führe dazu, dass sich männliche Kinderbetreuer im Beruf schnell in die Rolle des «typischen Mannes» einfinden – also eher mit den Kindern Fussball spielen oder an der Werkbank basteln.
Einen weiteren Grund dafür, dass nur wenig Männer in der Kinderbetreuung arbeiten, sieht der Sozialwissenschafter Michael Cremers im Generalverdacht, dass Männern eher unlauteres Verhalten mit Kindern unterstellt wird als Frauen. Cremers plädiert daher für Offenheit und Professionalität von allen Seiten: «Wir müssen nicht fragen, wie Kinder vor Übergriffen durch Männer geschützt werden können, sondern wie Kinder überhaupt vor Übergriffen geschützt werden können.» Dafür braucht es laut Cremers klare Konzepte und Haltungen seitens der Institutionen.
Gesellschaftliches Umdenken nötig
Dass gesellschaftliche und politische Unterstützung helfen können, den Männeranteil in der Kinderbetreuung zu erhöhen, zeigt ein Blick nach Deutschland: Dort hat sich der Männeranteil in Kitas in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht, auch aufgrund einer bundesweiten Koordination und zahlreichen regionalen Projekten, erklärte Tim Rohrmann, Professor für Bildung und Entwicklung im Kindesalter an der Evangelischen Hochschule Dresden.
Auch in der Schweiz tut sich diesbezüglich etwas: Das Projekt «MaKi – Mehr Männer in die Kinderbetreuung» im Rahmen von Mencare Swiss wird vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau unterstützt, eine Kampagne und Auftritte in Social Media sind in Planung. Und für Männer, die erwägen, in der Kinderbetreuung zu arbeiten, bietet ein Teilprojekt von «MaKi» die Möglichkeit, in den Beruf reinzuschnuppern.
Markus Theunert, Leiter des nationalen Programms Mencare Schweiz, freut sich über die Ergebnisse der ersten grossen Fachtagung in der Deutschschweiz zum Thema «Männer in der Kinderbetreuung»: «Ich bin überrascht und erfreut, dass sich kaum mehr die Frage stellt, warum es mehr Männer braucht – sondern nur noch, wie das gelingt.»
Mehr Informationen auf www.maki-projekt.ch