Mark Wahlberg: Vom Strassen-Jungen zum Charakter-Darsteller
- Interview: Jan Freitag; Fotos: Ascot Elite
Hollywood machts möglich: Mark Wahlbergs Karriere ist typisch amerikanisch – deshalb ist er auch die Idealbesetzung für den Helden in «Broken City».
Mark Wahlberg ist erkältet. «Kein Handshake», sagt er, «zu Ihrer eigenen Sicherheit.»
Der Schauspieler ist nach Berlin gekommen, um über seinen neuen Film zu reden, «Broken City», in dem er den gestrauchelten Ex-Polizisten Billy Taggert spielt. Es ist die alte Story des gefallenen Helden, der sich aufrappelt – aber auch ein wenig die Lebensrolle Wahlbergs, die auch ganz anders hätte verlaufen können: 1971 als jüngstes von neun Kindern in einem Bostoner Arbeiterquartier geboren, kommt Mark Robert Michael Wahlberg als Jugendlicher früh mit dem Gesetz in Konflikt. Die Anklage lautet abwechselnd Vandalismus, Diebstahl, Körperverletzung.
Vom Knast zur Karriere
Er sitzt wegen bewaffneten Raubüberfalls im Knast, bevor ihm Bruder Donnie, Mitglied der Boygroup New Kids on the Block, zu einer Karriere als rappendes Unterwäschemodel Marky Mark verhilft. Als er Mitte der Neunziger nach L. A. zieht, um Schauspieler zu werden, pendelt er verlässlich zwischen Goldener Himbeere und Golden Globe. Kritikerlob erhielt er für seine Rolle als Pornostar in «Boogie Nights» (1997), dann als GI in der Kriegssatire «Three Kings» (1999). Heute gehört Mark Wahlberg nicht nur zu den interessanteren Charakterdarstellern Hollywoods, auch als Filmproduzent zeigt er geschmackssicheres Gespür, etwa für die preisgekrönte Serie «Boardwalk Empire». «Ich habe mich lange genug durch mein Leben geblufft», sagt er über seinen Erfolg im Filmgeschäft. «Zeit, endlich Geld damit zu verdienen.»
Annabelle: Mark Wahlberg, wissen Sie, warum ich Sie als Jugendlicher immer gehasst habe?
MARK WAHLBERG: Bitte was?! Warum denn?
Weil Sie die Mädels trotz Ihrer Muskelberge noch immer süss fanden.
Tja, ich kann gut verstehen, dass es blöd ist, wenn die Mädchen im eigenen Umfeld ständig von anderen schwärmen.
Ich weiss inzwischen auch, woran das lag.
Woran denn?
An Ihrem Stirnrunzeln. Diese Mischung aus hart und verschmitzt fanden alle süss, noch heute! Wie viele Arten die Stirn zu runzeln haben Sie genau?
Ob Sies glauben oder nicht: Ich verbringe kaum Zeit vor dem Spiegel, weil ich mich einfach nicht so gern selber sehe. Haben Sie die Runzeln denn gezählt?
In «Broken City» müssen es Hunderte sein. Ist das eine Art Trademark von Ihnen?
Zumindest kein kalkuliertes. Ich bin einfach ich und ziehe mein Ding durch; sobald man zu sehr darüber nachdenkt, kriegt man Probleme mit der Selbstwahrnehmung und wird jemand anderes.
Aber es gibt schon Eigenschaften, die Sie als Mensch vom Schauspieler unterscheiden?
Sicher. Als Person versuche ich, ein frommer Katholik und guter Ehemann, Vater, Sohn, Freund, Nachbar, Mitmensch zu sein, was mir meistens sogar ganz gut gelingt. Und im Job will ich meine Arbeit einfach in jedem Projekt so gut machen, wie ich kann. Wenn das meine Trademarks sind, wäre ich zufrieden.
«Ich habe im Knast mit Workouts begonnen — als Überlebensstrategie»
Früher war Ihr Bodybuilderkörper das wichtigste Markenzeichen.
Aber selbst da war es kein bewusstes Stilmittel. Ich habe ja im Knast mit Workouts begonnen; wenn man sich dort verteidigen will, ist es ratsam, so stark und eindrucksvoll wie möglich zu sein. Es war eine Überlebensstrategie.
Wie wichtig ist ein durchtrainierter Körper für einen Schauspieler von 41 Jahren?
Das hängt davon ab, welche Rolle ich gerade spiele. Ich hatte zuletzt ein wirklich hartes Jahr mit vier Filmen, die mich auf unterschiedlichste Weise gefordert haben. Da war überhaupt keine Zeit für Hanteln. Als ich jung war, wollte ich am liebsten Boxer, besser noch Bodybuilder spielen, und zwar mit meinem Körper in der Hauptrolle. Damals hatte mich die Welt des Bodybuilding in Los Angeles fasziniert. Heute sehe ich die Sache, für die man Steroide und so Zeug schluckt, weit kritischer.
Haben Sie das je selbst getan?
Nie. Das bringt dich um. Und die 37 000 Dollar Preisgeld beim Wettbewerb gewinnt nur einer, die anderen müssen weiter schlucken. Ich hab immer ganz klassisch trainiert.
Womit Sie es immerhin zum Unterhosenmodel gebracht haben.
Mann, Sie sind aber fokussiert auf meinen Körper …
Nur um hervorzuheben, dass «Broken City», Ihr neuer Film, für Ihre Verhältnisse ein völlig unkörperlicher Film ist.
Weil er sich an den figuren- und inhaltsgetriebenen Filmen der Siebzigerjahre orientiert. «Chinatown» oder «French Connection».
Unüberhörbar ist die Kritik, dass die USA in einem Sumpf aus Korruption, Habgier und sozialer Kluft zerfallen.
Mag sein, aber der Film ist da ebenso optimistisch wie ich selbst. Diesen Sumpf trockenzulegen, ist zwar ein schwieriger Prozess, aber mit den richtigen Leuten an den nötigen Hebeln kann es funktionieren. Präsident Obama bräuchte sicher viel mehr als vier weitere Jahre, um die Riesenprobleme, die er geerbt hat, in den Griff zu kriegen. Aber ich glaube an die Selbstheilungskräfte der Gesellschaft, solange sich Menschen finden, die es gemeinsam packen.
Harte Jugend in Boston
Sie spielen einen Ex-Cop namens Billy, der tief gefallen ist, doch wieder aufsteht und es endlich mal richtig machen will. Ein sehr amerikanisches Thema, das auch ein bisschen nach Ihrem eigenen Leben klingt.
Da gibt es sicher Parallelen. Ich habe eine Menge Fehler gemacht, gerade als ich jünger war. Da musste ich sehr viel Zeit damit verbringen, all die falschen Entscheidungen von früher wieder auszubügeln. Deshalb kann ich mich wohl mit Billy so gut identifizieren.
Wie viel aus Ihrer Jugend in Boston steckt heute noch in Ihnen?
Oh, eine Menge. Die Zeit in Dorchester war zwanzig Jahre lang mein Leben, und alles davon ist noch in mir. Ich bin als Person, als Erwachsener natürlich gereift. Und als Schauspieler kann ich jetzt aus einem grossen Schatz an Lebenserfahrung schöpfen. Die meisten Schauspieler haben ihre Techniken und Trainingsmethoden, um sich einer Rolle anzunähern. Ich brauche mich einfach an meine Zeit auf der Strasse zu erinnern. Das ist gerade für Rollen wie diese hilfreich und gibt diesem kleinen Betrug namens Schauspielerei etwas Aufrichtiges.
Hat Sie die Schauspielerei gerettet?
Sehr richtig, die Schauspielerei hat mich vor dem Abgrund bewahrt.
Und die Musik? Ihre Erfolge als Marky Mark?
Die Musik hat mir geholfen, meinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn sie Fluch und Segen zugleich war. Einerseits gab der Erfolg meinem Leben eine Richtung, andererseits hinderte sie mich daran, als Schauspieler ernst genommen zu werden.
«Der männliche Mann»
Wie würden Sie Ihr heutiges Leben als Star beschreiben. Gediegen? Bürgerlich? Rotwein und Zigarre?
Dazu ist meine Herkunft zu ausgeprägt. Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie. Ich bin noch immer der Typ, dem es nichts ausmacht, sich die Finger schmutzig zu machen, der das kaputte Rohr im Keller selber repariert, der jeden Tag rausgeht, um für sich und seine Familie hart zu arbeiten, zum Abendessen heimzukehren und danach mit den Kindern zu spielen. Ich werde öfter gefragt, mit welchen Schauspielern ich mich identifiziere, und nenne da gern Steve McQueen oder Jimmy Cagney, diese unfreiwilligen Mittelklassehelden, statt leuchtender Vorbilder, die schöner sind als das Mädchen, um das sie kämpfen. So was kauft mir keiner ab. Ich glaube, ich bin eher so der männliche Mann.
Was genau heisst das?
Was es eben heisst: mehr ein männlicher als ein weiblicher Mann.
Klingt konservativ.
Nein, es zeigt nur meine praktische Sicht auf die Rolle im Leben. Ich bin ein ganz normaler Mann, der nicht ständig ungewöhnliche Sachen macht, sondern den geraden Weg geht.
Immerhin holen Sie nun Ihren Highschool-Abschluss nach. So geradeaus ist das nun auch wieder nicht.
Meine Lebenserfahrung mag mir beruflich helfen, nicht aber meine verpassten Schuljahre. Ich möchte nicht, dass ich meinen Kindern bei den Hausaufgaben immer sagen muss: Frag Mami. Drum zieh ich das jetzt durch.
— Ab 18. April im Kino: «Broken City» von Allen Hughes. Mit Mark Wahlberg, Russell Crowe, Catherine Zeta-Jones.
1.
Brilliert in «Broken City» als Ex-Cop an der Seite von Russel Crowe (l.): Mark Wahlberg.