Mannsein verbindet
- Text: Sven Broder; Illustration: Ping Zhu
Reportageleiter Sven Broder über die Reaktionen seiner Redaktionskolleginnen auf Roger Köppels seltsame Äusserungen über Feminismus und Frauen.
Gehts um Frauen, schiesst Roger Köppel gern aus der Hüfte. Da ist es verständlich, weil anatomisch nahe liegend, dass er öfters grad mit seinem Pinsel schreibt. So jedenfalls empfinden dies meine Kolleginnen in der annabelle-Redaktion und empören sich immer schampar über seine Ergüsse in der «Weltwoche» zum So-Sein von Frau und Mann. Und weil er jetzt als Nationalrat und SVP-Zugpferd – nun auch offiziell – die grösste Partei des Landes auf die rechte Gesinnung peitscht, fröstelt es meine weiblichen Redaktionsgspänli zunehmend. Sie machen sich Sorgen um nicht weniger als den nationalen Zusammenhalt zwischen den Geschlechtern. Also nehmen sie mich ins Gebet. Stellvertretend. Ich bin schliesslich ein Mann. Wie er.
Nach seinem Verständnis sind wir zwei, Herr Köppel und ich, tatsächlich Seelenverwandte. Mann versteht sich. Naturgemäss. Warum nur fühlt sich das nicht so an? Etwa wenn er schreibt: «Der Feminismus ist der Kommunismus der Frauen, die unter der Tatsache ungleich verteilter Schönheit leiden.» Ist mein Pinsel womöglich nur Dekoration, weil ich mich da ganz ehrlich frage: Noch alles roger, Herr Köppel? Oder Folgendes: «Vor allem schöne Frauen müssen rechtzeitig eine Familie aufbauen, die auch dann noch hält, wenn die Macht der Schönheit schwindet. Die Wahl des richtigen Mannes ist die wichtigste und schwierigste Lebensaufgabe der Frau.» Hm?! Ich kenne also tatsächlich Frauen, ausserordentlich schöne sogar, die sich wichtigere und schwierigere Lebensziele gesetzt haben – und damit glaubs ganz zufrieden sind. Jedenfalls entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass er Besagtes unter dem Titel «Die Welt ist flach» geschrieben hat; nein, Roger Köppels Welt hat definitiv keine Brüste.
Doch auch das Weltbild, das er von unsereinem pinselt, vermag mich nicht zu überzeugen: «Der Mann muss sich vor der Frau in Pose werfen, auf die Brust trommeln, durch Macht und Geld oder in Ermangelung desselben wenigstens durch Intelligenz, Witz oder Charme bestechen.» Gut möglich, dass er es selbst nie so erlebt hat. Tatsache aber ist, dass er da eine Showeinlage frech unterschlagen hat: die Schönheit nämlich. So ein bisschen gut aussehen, auch als Mann, das finden schon auch ein paar Frauen läss. Ich schwörs!
Was will man tun gegen diese chauvinistisch-männerzentristische Sicht der Dinge? Lustigerweise hat er das Rezept dagegen kürzlich selber entdeckt. Es ging (hört!) um Frauenquoten in Führungsgremien internationaler Sportverbände. Roger Köppel wörtlich: «Frauen sind an sich wahrscheinlich nicht weniger korruptionsanfällig als Männer, aber sie würden es in einem Männergremium durch ihre schiere Präsenz vielleicht erschweren, dass jene schwüle Umkleidekabinenvertrautheit entsteht, die Filz und unlautere Vorteilsnahme begünstigt.» Läck, wenn er jetzt noch herausfindet, dass Frauen nicht nur Mittel zum Zweck sind, sondern ihren Wert durchaus auch in sich selbst haben, und dass diese «schwüle Umkleidekabinenvertrautheit» womöglich nicht nur in Sportverbänden vorherrscht (Parteien? Redaktionen?), ja dann ginge vielleicht sogar noch zwischen mir und ihm das Sünneli auf.
Wobei – wir hatten es schon mal probiert, wir zwei. Das war vor gut neun Jahren, er war eben Chefredaktor geworden bei der «Weltwoche», ich dort Produzent. Als solcher sollte ich zu einem Essay über die weibliche Brust einen Titel finden. Ich habs probiert. Gefühlte hundert Mal. Der Chef hat alle Vorschläge in die Tonne gehauen. Und irgendwann selber in die Tasten gegriffen. Sein Titel lautete: «Tragbare Speisekammern» – nein, darauf wäre ich nie gekommen.
Sven Broder ist Reportageleiter bei annabelle. Er schreibt abwechselnd mit Frank Heer und Thomas Wernli übers Mannsein bei einer Frauenzeitschrift und andere Extremsituationen