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Mann, mach mal!

Leben

Mann, mach mal!

  • Text: Silvia Binggeli; Foto: Flavio Leone

annabelle-Chefredaktorin Silvia Binggeli über unentschlossene Männer und das ewige Zaudern. 

Ein Mann versucht ein Jahr lang, eine Frau zu sein. Er fühlt sich in seiner Haut nicht unwohl, aber seine Partnerin ärgert sich über sein latent machoides Verhalten. Also lässt sich der deutsche Autor Jürgen Schmieder auf ein kühnes Rollentausch-Abenteuer ein, um herauszufinden, wie das andere Geschlecht tickt. Nun hat er ein Buch darüber geschrieben. Meine Kollegin Claudia Senn hat ihn interviewt.

Beim Lesen des Gesprächs habe ich herzhaft gelacht und seinen Mut bewundert: Jürgen Schmieder begab sich während seines Experiments in eine Cougar-Bar und erlebte, wie unangenehm plumpe Anmache ist. Er schaute Frauenfilme, simulierte die Menstruation und erfuhr, wie funktionsuntüchtig auch ein Mann in dieser Situation sein kann.

Meine Kollegin Yvonne Eisenring hat sich ebenfalls auf das andere Geschlecht eingelassen: Weil sie (zwar nicht unglücklich, aber trotzdem) seit längerem Single ist, machte sie sich ein Jahr lang in fünfzig Dates auf die Suche nach der Liebe. Eine ihrer spannendsten Einsichten: «Die guten Männer versuchen so sehr zu sein, wie sie denken, dass eine Frau sie haben will, dass sie am Ende gar nicht mehr wissen, wer sie sind.»

Dasselbe erfahre ich derzeit in meinem Um-die-vierzig-nochmals-alles-überdenken-Umfeld: Die Kernfamilie wird hinterfragt, der Partner, die Partnerin, der Job. Eine verständliche Standortbestimmung in der Mitte des Lebens. Der Weg kann danach beherzter in dieselbe – oder eben auch schmerzlich in eine andere Richtung führen.

Emanzipation sei Dank lassen sich Männer vermehrt auf ihre Gefühle ein, können besser zuhören, sind nicht mehr nur auf ihre Karriere fokussiert. Doch stelle ich fest, dass sie im Zwischenmenschlichen je länger, desto unentschlossener werden. Bei wichtigen, aber mitnichten lebensbedrohlichen Entscheidungen formulieren sie über Wochen Sätze wie: «Ich brauche noch einen Augenblick.» Zu Unglücklichsein sagen sie nicht Nein, aber zu Möglichkeiten auch nicht Ja.

Frauen werden in der Berufswelt zu Recht immer wieder aufgefordert, entschlossener aufzutreten und vorwärtszugehen. Parallel dazu sollten Männer nicht im Privaten vor lauter Frauenverstehen ihre Risikobereitschaft verlieren: Denn es gibt bei beiden Geschlechtern nichts Unattraktiveres als ewiges Zaudern.