«Man muss den Wandel lieben»
- Text: Stefanie Rigutto, Fotos: Ornella Cacace
Architektin Xi Zhang (34) sieht in China das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Früher war Amerika das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Heute ist China dieses Land. Zumindest für Xi Zhang. «Shanghai hat eine Qualität, die man in Europa nirgends mehr findet: eine Energie, die einem erlaubt, alles auszuprobieren. Einfach alles.» Kürzlich hatte sie Lust, ein paar Taschen zu gestalten. Wenig später war sie damit in der chinesischen «Vogue». Aber was ist mit der Politik? Schränkt diese ihr Leben nicht ein? Xi Zhang sagt: «Wer in China Business machen will, muss sich das Ganze wie eine Autobahn vorstellen: Die Politik bildet die Leitplanken. Solange man nicht zu nah an sie herankommt, kann man so schnell fahren, wie man will.»
Xi Zhang spricht perfekt Deutsch. Sie hat an der ETH Zürich Architektur studiert. «Ich hatte schon immer Mühe mit dem Schulsystem in China.» Nachahmung, Gleichschaltung – so funktioniere der Unterricht in ihrer Heimat. Kreativität wird nicht gefördert, Individualität abtrainiert. «Als mich an der ETH der Professor fragte ‹Und was sagen Sie dazu?›, da war ich völlig überrascht.» Sie arbeitete zwei Jahre für Herzog & de Meuron, die damals gerade das Bird’s Nest in Peking entwarfen. Dann kam sie zurück nach Shanghai. «Für eine Architektin ist die Schweiz anstrengend: viel Wettbewerb, wenige Projekte, und eigentlich ist alles gebaut», sagt sie.
Heute hat Xi Zhang ein Architekturbüro mit zwanzig Angestellten. Sie gestaltete etwa die Visa-Sektion der Schweizer Botschaft in Peking. Einmal entwarf sie eine Siedlung auf einem Berg, den ein reicher Chinese gekauft hatte. Man war vor Baubeginn, als der Mann anrief: «Stopp, ich habe einen neuen Berg gekauft!» Xi Zhang sagt: «Man muss den Wandel lieben, sonst wird man hier nicht glücklich.»