annabelle-Chefredaktorin Silvia Binggeli findet: Es gibt keine komplexere Beziehung als die zwischen Mutter und Tochter.
Was habe ich mich früher genervt, wenn meine Mutter nach dem Duschen oder Baden gleich die Wasserspuren und Ränder in der Wanne abrieb und mich dezidiert dazu anhielt, dasselbe zu tun. Wenn sie in der Küche und überhaupt überall in der Wohnung die Dinge in Behälter packte, damit nicht alles übereinanderpurzelt, sondern mit einem Griff gefunden wird. Wie unnötig fand ich das. Ich wollte in ihr vor allem die Rebellin sehen, die sie auch ist. Aber diese Macke: wie kleinlich.
Heute, Jahre später, ertappe ich mich dabei, wie ich dasselbe tue. Freundinnen, die mich zuhause besuchen, sagen: Bei dir hat alles seinen Platz – ich höre im Unterton «wie kleinlich». Und amüsiere mich. Denn es stimmt, ich, im Wesen eher leidenschaftlich-kreativ-chaotisch, mag Ordnung. Daheim den Überblick zu behalten, hilft mir im hektischen Alltag, mich zu entspannen. In der Hinsicht bin ich wie meine Mutter.
Mutter und Tochter: Es gibt keine komplexere Beziehung. Sie ist so nah, dass sie über alles hinwegtragen, und gleichzeitig so eng, dass sie einem den letzten Nerv rauben kann. Manchmal reicht ein Blick der Mutter, eine Geste der Tochter, schon ist das Gegenüber auf hundertachtzig. Gleichzeitig denken die meisten Frauen in grossen Momenten an ihre Mutter, selbst wenn sie sie nicht dabeihaben wollen. Kaum eine andere Beziehung ist von so vielen Erwartungen, Ängsten, Wünschen und Hoffnungen geprägt. «Meine Mutter hat immer …» ist möglicherweise der am meisten zitierte Satz in Therapiestunden. Und doch sagen selbst Töchter, die ihre Mutter nicht als beste Freundin bezeichnen: Keine Ahnung, was ich tun würde, wenn sie nicht mehr da wäre.
Erstaunlicherweise sprechen trotzdem die wenigsten Mütter und Töchter offen über ihre besondere Bindung. Wir haben acht von ihnen gebeten, sich gegenseitig zu befragen. Und waren begeistert von den Erkenntnissen, die ihr Mut zum schonungslosen Austausch brachte. Für unser Modeshooting haben wir Mütter mit ihren Töchtern vor die Kamera gebeten und sie gefragt, was sie sich für ihre Kleinen wünschen. Persönlich werde ich in der Beziehung zu meiner Mama besonders den Rat von Rea Köppel beherzigen: Die 38-Jährige hat für uns in bewegenden Worten aufgeschrieben, wie sie ihre kranke Mutter bis zum letzten Tag pflegte. Sie rät Müttern und Töchtern: Spannt euren Faden, verwebt ihn mit den Fäden anderer und bleibt gespannt.