annabelle-Korrespondentin Tanja Ursoleo wohnt seit zwanzig Jahren in Paris und kann ihrem Sohn noch nicht beschreiben, was letztes Wochenende passiert ist. Ihr Bericht:
Es ist Montag Mittag und in Frankreich steht die Zeit still. Heute ist der zweite Tag der nationalen Trauer, die insgesamt drei Tage dauert. Die Riesenstadt Paris steht komplett still während der Schweigeminute in Andacht an die Opfer der Terror-Anschläge von Freitag Abend. Im Moment spricht man von 129 Toten und 352 Verletzten.
Als Freitag Abend die ersten Nachrichten der News Portale auf meinen Handy aufpoppen, bin ich plötzlich wieder hellwach. Was passiert gerade? Man spricht von 40 Toten bei Schiessereien. Ich schalte auf BFM TV und sehe Chaos und Verwirrung. Draussen heulen die Sirenen. Alles ist konfus, ich schaue auf Twitter und Facebook. Eines der ersten Bilder ist so schockierend, dass mir die Tränen herunterlaufen: Ein Anwohner der Rue de Charonne postet ein Bild der Strasse und man sieht mehrere Körper, die unten auf der Strasse liegen. Nachbaren werfen Laken aus den Fenstern, um die Toten zu bedecken.
Und das ist nur der Anfang dieser Horror-Nacht. Selbstmord-Attentäter haben sich beim Stade de France in die Luft gejagt, und ich muss an die Bombendrohung vom Mittag im Hotel Molitor denken, wo die Deutsche Fussballmannschaft untergebracht war. Menschen werden in meinem Quartier, in Cafés und Restarants, die ich alle kenne, brutal erschossen, hingerichtet. Im Bataclan ist eine Geiselnahme im Gange. Ich habe vor einigen Jahren gegenüber dem Bataclan, Boulevard Voltaire gewohnt. Das war ganz am Anfang meiner Zeit in Paris, ich war eine junge angehende Journalistin und habe die Chemical Brothers dort gesehen, obwohl ich kein Ticket hatte. Die Organisatoren hatten sich über meinen Eifer amüsiert und mich reingelassen. Bestimmt gab es auch beim Konzert der Eagles genau so eine «Tanja», die vielleicht neu und voller Tatendrang in Paris war.
Später spricht Präsident Hollande und verhängt den Ausnahmezustand. Wie geht es nun weiter hier? Welche politischen und sozialen Konsequenzen werden auf diese Ereignisse folgen? Müssen wir mit dieser, für uns neuen Bedrohung der Selbstmord-Attentäter leben und uns fragen, wann und wo der nächste Anschlag verübt wird und wird dieser noch brutaler sein? Ich weine wieder, als das ganze Ausmass und der Ablauf der Anschläge immer klarer wird, die Zahl der Toten steigt und Überlebende berichten. «Mama was ist passiert, wieso weinst du?», fragt mich mein 6-jähriger Sohn Moses. Ich habe im Moment keine edukativ wertvolle und angebrachten Worte oder Argumente. Ich nehme ihn einfach in die Arme: «Ich liebe dich».