Make Feminism great again
- Text: Jacqueline Krause-Blouin
Feminismus ist nicht nur für Intellektuelle, findet Redaktorin Jacqueline Krause-Blouin. Denn längst hat sich der Begriff – auch abseits von Simone-de-Beauvoir-Literatur und BH-Verbrennungen – in unserem Alltag etabliert.
Der Feminismus hat viel erreicht. Vieles, worauf man stolz sein kann. Und trotzdem grassiert da plötzlich eine Abneigung gegen dieses Wort. Was ist nur passiert, dass Feminismus zum neuen F-Wort geworden ist? Ja, Beyoncé performte vor einem gigantischen Backdrop mit dem Wort «Feminist» bei ihrer Mrs-Carter-Tour. Ja, selbst harte Rapper setzen sich mit dem Thema auseinander. Und ja, es gibt mittlerweile Feminism-T-Shirts und -Duschgel, wahrscheinlich sogar irgendwo die Feminism-Salami. Eigentlich ist also das passiert, was immer gefordert wurde: Der Feminismus ist im Mainstream angekommen. Das Dilemma dabei: Coole Kids wenden sich schleunigst und nur schon aus Prinzip von Dingen ab, die der Masse gefallen. Wie von einer Band, deren erste EP man abfeierte, die dann aber «ihre Seele an eine Major-Plattenfirma verkauft» hat.
Stimmt schon, wenn sich Emily Ratajkowski bis auf den String auszieht und das Feminismus nennt, Chanel eine Frauenrechtsdemo in 10 000-Franken-Kleidern inszeniert, der Proletenfreund der Nagelstudiotussi ein T-Shirt mit «Ich bin Feminist» trägt, dann nervt das, dann sieht das banal und nach Schönwetter-Kaugummi-Feminismus aus, weil die alle wohl nichts von Simone de Beauvoir gelesen haben – ist aber doch schliesslich genau das, was der Feminismus erreichen muss: allumfassende Gleichheit, die niemanden ausschliesst. Feminismus ist nicht nur für Intellektuelle und Trendsetter. Und Feminismus ist nichts, von dem man sich als selbst ernannter Avantgardist distanzieren muss, bevor es peinlich wird.
Wie kann man sich heute guten Gewissens NICHT als Feminist oder Feministin bezeichnen? Wenn sich Frauen, die in den 1960ern und 1970ern für unsere Rechte gekämpft haben, heute nicht mehr mit dem Wort identifizieren können, weil ihnen die Sache zu poppig geworden ist, zu bunt, ja womöglich einfach zu jung, dann irritiert mich das. Nur weil wir heute (Gott bewahre!) sogar Spass am Feminismus haben, heisst das nicht, dass es uns mit der Botschaft nicht ernst ist. Und nur weil ein Diskurs in den Social Media ausgetragen wird, nicht, dass alles ein grosser Kindergarten ist. Diese Arroganz können wir Frauen uns nicht leisten.
Und dann gibt es ja noch die Sorte Frau, die sich nicht Feministin nennt, weil sie Angst davor hat, als Männerhasserin mit Haaren auf den Zähnen zu gelten. Der Feminismus ist heute so weit entfernt von BH-Verbrennung und Achselhaar-Wucher wie Kim Jong Un von einer Freundschaft mit Dennis Rodman (kleiner Scherz). Und wenn mir nochmal jemand sagt «Ich bin Humanist, nicht Feminist», dann will ich ihn am liebsten schütteln und ihm sehr laut ins Ohr schreien: «Das ist das Gleiche, du Vollpfosten!»
Natürlich ist Feminismus ein mächtiges Wort und auch Definitionssache, in seinem Grundsatz jedoch sehr einfach. Deswegen nochmal für alle, sehr vereinfacht, zum Mitschreiben: Der Feminismus fordert gleiche Rechte für alle. Alle Geschlechter, alle Hautfarben. Und es steht auch nirgendwo geschrieben, dass man nie mehr einen Lippenstift verwenden darf. Na, jetzt an Bord?