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Die lustigen Weiber der Schweizer Comedy-Szene

Leben

Die lustigen Weiber der Schweizer Comedy-Szene

  • Text: Daniele Muscionico; Fotos: Gian Marco Castelberg

Fröhlich säbeln sie am Thron der Herren der Pointen. Bühne frei für die biestigsten, bissigsten und witzigsten Frauen des Landes. Wie zum Beispiel Suzanne Kunz, der kratzbürstige Promi-Schreck.

Millionen kennen Suzanne Kunz: die telegenste Zahnlücke der Schweiz. Keiner kennt Suzanne Kunz. Denn keiner kennt sie wirklich, der nicht weiss, dass sie eine heimliche Kabarettistin ist.

Eine explosive, beisslustige, wie 2009 ihr erstes Programm «Schlagzeugsolo» bewies. In ihrer Satire auf die Instant-Promis hatte sie den Mut, ihr eigenes Image als Strahle- und Sauberfrau gegen den Strich zu bürsten.

Nun steht die Moderatorin mit Teil zwei ihrer Prominentenpersiflage auf der Bühne: «Elsbeth! Eine Tischbombe reitet aus». Dass diese Bombe für einmal nicht wirklich zündet, ist so überraschend nicht.

Die Frauen erobern die Comedy-Szene

Humor und Satire leben von treffender Überzeichnung der Charaktere und Situationen. Die Herstellung des Leichten ist Schwerarbeit, auch Glückssache. In der Vergangenheit war das ein Privileg komischer Männer. Doch das hat sich geändert, zum Frauenglück!

Es ist nicht mehr zu übersehen und noch weniger zu überhören: Frauen haben das Terrain der öffentlichen Komik erobert.

Was in Deutschland Anke Engelke oder Hella von Sinnen leisten – die Verabreichung von kritischem Humor ohne Zeigefinger –, das vollbringen Schweizer Schauspielerinnen mindestens so fulminant. Sie bewitzeln die Welt aus ihrer Perspektive jenseits der Zynikerkultur. Und wie!

Frauen mit entstellenden Grimassen

Gardi Hutter war die Erste, die sich das Recht nahm, hässlich zu sein und den Clown zu spielen. Die Bühne ist ein Spiegel der Gesellschaft, und weibliche Plumpheit galt bis dahin nicht als damenhaft. Hofnärrinnen sind eine Spezies, die in der Schöpfung nicht vorgesehen ist.

Eine Elsie Attenhofer, eine Voli Geiler, eine Ines Torelli damals, Komikerinnen erster Klasse allesamt, hatten äusserlich gefällig zu sein, wollten sie ernst genommen werden und Gehör finden, als sie auf der Bühne (politisch) Ungefälliges postulierten.

Doch Komik spielt auch mit der Verformung des Körpers, mit entstellenden Grimassen. All das war nicht vereinbar mit den gesellschaftlichen Anforderungen des Schönseins, und es strengt auch heute noch an.

Die Psychoanalyse meint, in jedem Witz steckt ein Quäntchen Aggression. In der Vergangenheit lernte frau, die Aggression gegen sich selbst zu wenden. Gardi Hutter beschädigte dieses Tabu, nachhaltig und ohne dass je eine Komikerin hinter dieses anarchische Moment wieder zurückkonnte.

Antonia Limacher, die weibliche Hälfte des Duo Fischbach, ging mit ihrer Figur noch einen Schritt weiter. Sie war nicht nur abgrundtief hässlich, sondern zeigte sich als Lilian gegen ihren Bühnenpartner von einer Übellaunigkeit, die real existierende Kratzbürsten nachgerade versöhnlich wirken liess.

Der weibliche Humor

Spätestens als in der Chronologie der Geburt eines öffentlich-weiblichen Humors das Theater Rosalena auf der Bühne auftauchte, gab es kein Halten mehr. Delia Dahinden und Esther Übelhart waren wie aus dem Bilderbuch für fortgeschrittene Clowns, gebeizt im Feminismus der reiferen Sorte.

Gibt es einen weiblichen Humor? Die Bilanz der weltweit wenigen Gender-Humorforscherinnen ist klar: Seit den Achtzigern schlagen sich lachende Frauen nicht mehr mehrheitlich auf die Seite des Mannes. Sie lachen heute nicht mehr nur mit ihm, sondern besonders gern auch über ihn.

Komik und Humor wurden immer auch zur Karikierung herrschender Normen genutzt und damit auch zur Karikierung von Geschlechterverhältnissen. Weibliche Komik zielt auf Geschlechterdifferenzen.

Indem der Humor Normen bricht, und seien es nur sprachliche, beeinflusst er sie, kreiert neue Perspektiven auf den Gegenstand. Er vermittelt damit Souveränität und einen eigenen Zugriff auf die Welt.

Die Frauenrolle im Zentrum des Schalks

Komikerinnen bespötteln die Frauenrollen und schauen dabei sehr genau hin. Sie laden zum Lachen über Klischees ein, die dadurch überwindbar scheinen oder zumindest als solche ins Blickfeld rücken.

Ihre Schlüsse müssen die Zuschauerinnen selber ziehen. Wollen sie nur lachen, ist es auch recht. Keine Frau, die öffentlich komisch ist, wird dagegen etwas einzuwenden haben.

Margrit Bornet zum Beispiel. In ihrem Programm «Spliss», einer Satire aus der Innenwelt eines Coiffeursalons, surft sie auf der Dauerwelle ihres eigenen Erfolgspersonals: Sie ist Rockerwitwe, Teilzeitmutter, Teenager, ein Gör, das die auf SMS fixierte Sprachkultur auf den Punkt bringt.

In ihrem neusten Solo «Bornet to be wild» spielt sie mit links einen ganzen Frauenverein. Bornets Feld ist die Situationskomik, und das pflügt sie mit Ernst.

Oder Anet Corti. Auch ihre Figuren sind dem weiblichen Leben abgeschaut, abgelauscht und ins Grobe verfeinert. «Henriette Hilpert» hat als «Fachfrau für perfektes Marketing» zwar 1001 Ratschlag für andere zur Hand, doch in der Vermarktung ihrer eigenen Person ist sie eine Niete. Es mangelt ihr an Selbstvertrauen, wahr wie im richtigen Frauenleben ist das.

Frauenförderung ist Hilfe zur Selbsthilfe

Anet Corti gehört zur raren Sorte komischer Bühnenkünstlerinnen, die nicht nur Pionierinnen sind, sondern auch Geburtshelferinnen eines öffentlich-rechtlichen Frauenhumors. Frauenförderung ist Hilfe zur Selbsthilfe, denn eine staatlich verordnete Frauenkabarett-Quote zu fordern, taugt nicht einmal als Bühnenwitz.

Corti tritt damit in die Fussstapfen von Nadja Sieger alias Nadeschkin. Beide fördern ihre Berufsgenossinnen nach Kräften, indem sie ihnen Sichtbarkeit und Auftritte verschaffen. Nadeschkin im Duo mit Ursus im Rahmen ihrer Programme, Corti anlässlich des nationalen Comedy-Festivals, das in Zürich und Luzern stattfindet.

Seit sieben Jahren präsentiert sie dort eine exklusive Frauenrunde, den Abend «Ladies Comedy», doch erst seit diesem Jahr stammen alle Teilnehmerinnen aus der Schweiz.

Überlassen Frauen das Politische den Männern?

Heisst das zum abschliessenden Ende, dass komische Frauen auf der Bühne vor allem privat sind? Dass sie das Politische den Männern überlassen?

Vielleicht, die Tendenz ist nicht von der Hand zu weisen. Vielleicht hat aber auch die jüngste Kabarettistinnengeneration die Aktualität des Slogans erkannt, den ihre Grossmütter noch auf der Strasse skandierten: «Das Private ist politisch!»

Mehr zu Schweizer Komikerinnen finden Sie in unserem Dossier «Schweizer Comedy-Frauen»