Auch als Nichtsingle habe ich natürlich einiges von den digitalen Veränderungen in der Datingwelt mitbekommen. Ohne Plattformen und Apps läuft nichts mehr. Das sehe ich vor allem bei meinen Kolleginnen, die mich an ihren besten (und auch an ihren schlechtesten) Swipes teilhaben lassen; ein befreundetes Tinder-Paar zieht demnächst in die erste gemeinsame Wohnung.
So individuell ihre Liebe auch sein mag, was alle gemein haben: Das Finden war eine Herausforderung. Denn was sich da tummelt, sind nicht nur ehrliche und treue Seelen, sondern eben auch sehr fragwürdige Typen. Aus weiblicher Perspektive heisst das: anzügliche und sexistische Messages oder Bilder von seinem besten Stück. Verstehen Sie mich nicht falsch, im Flirtmodus kann so ein Foto absolut heiss sein. Aber gleich zu Anfang?
Sie, liebe Whitney Wolfe, haben diese Schwäche als ehemalige Tinder-Mitgründerin erkannt und mit der Dating-App Bumble den Frauen einen anderen Weg gezeigt. Auch wenn ich es hinsichtlich Geschlechtergleichstellung nicht 100%-ig gerecht finde, dass Männern die Möglichkeit genommen wird, den ersten Schritt zu tun, befürworte ich generell Ihren Versuch, Frauen mit Ihrer App zum Ergreifen der Initiative zu ermutigen. Bei Bumble entscheidet allein die Frau, mit welchen Matches sie chatten will. Damit versuchen Sie das archaische Rollenbild von Mann und Frau aufzubrechen, ohne dabei generell alle Männer mit erhobenem Zeigefinger abzumahnen. Ihnen ist vollkommen klar, dass es ebenso männliche Feministen braucht, um die Frauen in unserer Gesellschaft vollends bestärken zu können. Sie betonen diese Gleichstellung der Geschlechter immer wieder öffentlich – Toll! Und gleichzeitig haben Sie keine Angst, ganz offen zu sagen, dass Sie auch nach einem 12-Stunden-Tag noch für Ihren Mann kochen wollen. Selbst wenn sich das für manch radikale Feministin nach Hausmütterchen anhört. Sie stehen zu dem, was Sie sind und was Sie machen wollen.
Für mich stehen Sie nicht nur für eine feministische Art des Datings, auch platonischen Freundschaften und geschäftlichen Kontakten geben Sie mit der Option BFF und Ihrer neuesten App Bumble Bizz einen Raum. Als eine Art «virtuelles Café, in dem man sich ohne Erwartungen einfach begegnen kann», bezeichnen Sie es.
Auf geschäftlicher Ebene hatten Sie es selber nicht immer leicht. Da war zum Beispiel die unschöne private Trennung von Tinder-Mitgründer Justin Mateen, welche nicht nur in Ihrer Kündigung, sondern auch in einer Anklage gegen Mateen wegen sexueller Belästigung resultierte. Oder auch der kürzliche Rechtsstreit mit Online-Dating-Anbieter Match Group wegen angeblicher Patentverstösse und Geschäftsspionage.
Das muss an Ihren Nerven nagen! Und doch sind Sie nie in die Rolle des Opfers geschlüpft. Sie kämpfen stets tapfer weiter für Ihre Anerkennung als Unternehmerin im sonst sehr männlich dominierten Tech-Umfeld. Dabei denken Sie nicht nur an sich selbst, sondern sind sich auch Ihrer Vorbildfunktion für andere Gründerinnen bewusst. Diese Start-ups unterstützen Sie finanziell mit dem Bumble Fund, da weibliche Führungskräfte und Erfinderinnen von klassischen Risikokapitalgesellschaften häufig ignoriert werden.
Ich bewundere Ihren Ehrgeiz, Ihren Kampfgeist und Ihr Durchhaltevermögen! Sie sagten einmal, man müsse sein eigener grösster Cheerleader im Leben sein, um ans Ziel zu gelangen. Bei mir, liebe Whitney Wolfe, kommen Sie mit Ihrem Engagement sicher gleich an zweiter Stelle.
Herzlich,
Ihre Verena Edinger