Twitter explodierte, Sie wurden mit Hasskommentaren überschüttet, löschten gar Ihren Account. Diese Woche mussten Sie viel einstecken. Und weswegen? Sie werden die nächste Superheldin in «Batwoman». «Yeah!», sollte man schreien, eine offen lesbische Hauptrolle in einer US-Serie. 2018, wir sind auf einem guten Weg! Doch stattdessen hagelt es wüste Kritik, weil Sie «nicht lesbisch genug» seien. Was Ihre Hater nicht kapiert haben: Sie sind längst eine Superheldin. Und das wird sich auch nicht ändern, nur weil Internet-Trolle ihren Frust an Ihnen auslassen.
Wie lächerlich diese Kritik ist, unterstrich vor allem Ihr eigenes Statement, als Sie Ihren Twitter-Account löschten: «(…) Ich habe mich im Alter von 12 Jahren geoutet. In den letzten fünf Jahren musste ich mich immerzu mit dem Vorwurf ‘sie ist zu gay’ herumschlagen. Und jetzt dreht ihr das einfach so um?»
Liebe Ruby Rose, danke für Ihre ehrlichen Worte. Sie halten der Gesellschaft den Spiegel vor, mit welcher Absurdität der Dialog um die Sexualität Einzelner und die von Celebrities – selbst im Zeitalter von Batwoman und Jessica Jones – noch immer geführt wird. Sie mussten die Erfahrung machen, dass Sie es weder der Internet-Community, noch sonst allen je recht machen werden. Aber das wissen Sie längst viel besser als andere: Denn Sie outeten sich bereits in sehr jungen Jahren und schlugen den Weg in eine Branche ein, in der viele Schauspielerinnen und Schauspieler ihre Homosexualität erst offenbaren, wenn ihre Karriere vorbei ist. Sie taten das, bevor Sie überhaupt anfing. Für Ihr kompromissloses Zugeständnis an sich selber bewundere ich Sie.
Sie wissen auch, dass die einzige Person, die sich selber mit Wohlwollen und Stolz im Spiegel anschauen können muss, Sie sind. In Ihrem Kurzfilm «Break free» auf Youtube, der 2014 erschien, machen Sie dies eindrucksvoll deutlich. Dort verwandeln Sie sich von einer langhaarigen Blondine auf High Heels in die, die Sie sind – burschikos, mit Tattoos. Wie gern wollte ich Sie danach umarmen und Ihnen beherzt auf die Schulter klopfen, ja ein ganzes Trommel-Crescendo anstimmen. Wie viel Mut Sie jungen Frauen auf der Welt so schenken, vermag man aus den Kommentaren unter dem Video nur zu erahnen. Sie machten nie einen Hehl daraus, dass Sie sich als genderfluid sehen, sich manchmal weiblich und manchmal männlich fühlen. Sie leben die Werte der LGBTQ-Community im und abseits des Scheinwerferlichts so selbstverständlich in einer Zeit vor, in der viele noch nach dem Q googeln müssen, weil sie nicht wissen, für was es steht.
Mit dem Schritt, Ihren Account zu löschen, verschliessen Sie sich nicht dem Dialog mit anderen. Nein, Sie setzen ein Zeichen, dass Ihre Zeit zu kostbar ist und Sie sich zu wichtig sind, um diesem Hass Raum zu geben.
Liebe Ruby Rose, dank Ihnen wünsche ich mir manchmal, noch einmal ein kleines Mädchen zu sein. Ein Mädchen, das neben der Disney-Kämpferin Mulan so ein Bad-Ass-Rolemodel wie Batwomen zur Stelle hätte. Eine Kämpferin, die sich nicht nur auf der Leinwand, sondern auch im echten Leben für Frauen, ihre Rechte und ihre Sexualität engagiert.
Herzlich,
Viviane Stadelmann