Werbung
Liebe Phoebe Waller-Bridge

Liebe Phoebe Waller-Bridge

  • Text: Annik Hosmann; Bild: Getty Images

Ihr Name geistert schon lang in meiner digitalen Bubble herum: in Podcasts, auf Instagram, in britischen News, immer wieder habe ich ihn gelesen. Phoebe Waller-Bridge. Und eng damit verknüpft: «Fleabag». Die BBC-Erfolgsserie, die Sie berühmt machte.

Unter meinen Freunden bin ich – trotz Netflix-Abo – bekannt als Serienmuffel. Aber nachdem ich so viel über Sie und Ihre Serie, die Sie geschrieben haben und in der Sie gleich selbst die Hauptrolle spielen, erfahren habe, wurde ich neugierig. Und wenig später war ich begeistert!

Inspiriert ist die Serie, deren erste Staffel 2016 und die zweite sowie bereits letzte im Frühling 2019 ausgestrahlt wurden, von Ihrem eigenen Zynismus, den Sie in Ihren Zwanzigern fühlten. Und wie Sie im sehr sehenswerten «Vogue»-Format «73 Questions» auch erzählten, wollten Sie weibliche Wut thematisieren. Etwas, das viel zu wenig auf der Leinwand zu sehen ist. Denn nein, Wut ist nicht Hysterie. Die Hauptfigur Fleabag, so der Haupthandlungsstrang, versucht, mit allerlei Verlusten umzugehen. Und ja, es geht auch um Liebe. Und um Sex.

Zu Beginn der Serie wurden Sie kritisiert, dass sie so explizit sei. Explizit sexuell – etwa dann, wenn sich die Hauptfigur zu einer Rede von Barack Obama selbst befriedigt. Fleabag schläft mit vielen Männern, weiss, was sie will. Das empfinden Sie, sagten Sie der «New York Times», nicht als feministisch. Sowieso wollen Sie sich nicht, nur weil Sie jetzt berühmt sind, dazu äussern müssen. Sie wollen einfach, dass lustige und kluge Frauen Ihre Serien bestimmen. Wohl deshalb ist auch eine Ihrer meistgehassten Fragen, die Sie beantworten müssen: «Wie ist es, eine Frau in der Comedy-Branche zu sein?» Sie wollen einfach Ihr Ding machen, als Frau klar, aber sich nicht dafür rechtfertigen müssen. Trotzdem sind Sie für mich eine Feministin, ja auch ein Vorbild. Denn sich äussern zum Thema, das tun Sie. Etwa, als Sie dem britischen «Guardian» sagten, dass Sie Frauen, die gegen die moralischen und gesellschaftlichen Regeln verstossen, selbst gern auf den Bildschirmen sehen. Und deshalb die Rollen entsprechend schreiben bzw. geschrieben haben. Typisch Frau und Stereotype, das findet man in Ihren Serien – ein weiterer Hit, der aus Ihrer Feder stammt ist «Killing Eve» mit Sandra Oh – nicht. Es ist das Narrativ der von den Frauen ständig zu befriedigenden und zufriedenstellenden Männern, das Sie aufbrechen wollen. Das ist Ihnen gelungen. Dafür ein Danke und einen kleinen Applaus. Denn was 2020 selbstverständlich tönen mag, ist es nicht. Stereotype Rollenbilder, das wissen wir mittlerweile alle, ändern sich nur sehr, sehr langsam.

Als Sie letztes Jahr bei den Emmy-Verleihungen drei der vier Kategorien, in denen Sie nominiert waren, gewannen, sagten Sie irgendwann in Ihrem breiten britischen Akzent: «This is getting ridiculous», weil Sie Ihren Erfolg nicht glauben konnten. Denn «Fleabag» war am Anfang keine grosse Produktion, sondern eine One-Woman-Show. Die von Ihnen.

Ursprünglich war «Fleabag» nämlich ein Comedy-Stück, das Sie in London und dann am Edinghburg Festival Fringe 2013 performten. Schnell wurden Sie angefragt, ob Sie nicht eine TV-Adaption daraus machen möchten. Sie wollten – und der Rest, der ist Geschichte. Dass Sie nun nach dem weltweiten Hype das Stück zurück auf die Bühne brachten, schien nur logisch. Nur diesmal war die Bühne etwas grösser – Sie spielten unter anderem am Broadway in New York. Und vor Kurzem erschien auch das Buch zur Serie. Mit dem Untertitel «This Is a Love Story».

«Panic, panic, hope» («Panik, Panik, Hoffnung») – so beschrieben Sie Ihren Schreibprozess einmal. Und auch bei einer Award-Verleihung sagten Sie, dass Sie Schreiben äusserst schwierig finden. Das mag überraschend sein, denn gefeiert werden Sie vor allem für Ihre cleveren, witzigen und zugleich tiefgründigen Dialoge. Für Ihr Sprachgefühl. Schaut man Interviews mit Ihnen, spürt man diesen feinen (und manchmal erfrischend groben) Humor. Es braucht mehr selbstironische Schauspielerinnen und Autorinnen wie Sie. Eine, die es schon länger ähnlich macht, ist Greta Gerwing. Ich bin froh, ist sie mit Ihnen nun in guter Gesellschaft.

«Fleabag» ist nun auch bei den Golden Globes als beste Comedyserie nominiert und Sie als beste Schauspielerin in einer solchen. Diese Auszeichnungen hätten Sie natürlich meiner Meinung nach mehr als verdient. Es wäre ein würdiger Abschluss, denn Sie sagten selbst, dass es weder eine weitere Staffel geben wird noch dass Sie die Figur auf die Bühne zurückbringen würden.

Ich drücke Ihnen die Daumen – und hoffe, dass es bald Neues von Ihnen zu sehen gibt. Vielleicht schaue ich mir Ihretwegen den neuen James-Bond-Film an, für den Sie ins Boot geholt wurden – als Drehbuchautorin sollten Sie 007 mehr Humor und den Dialogen mehr Schwung verleihen.

Herzlich,
Annik Hosmann