Als Sie diese Woche im proppenvollen Literaturhaus in Zürich aufgetreten sind, erzählten Sie, wie Sie zu Ihrer «Spiegel»-Kolumne kamen. Als Sie damals erfuhren, dass Sie eine Kolumne pro Woche abliefern müssten, rechneten Sie fest damit, nach einem Monat aufzugeben. «Als der Monat durch war, dachte ich mir: Okay, dann mache ich es halt ein Jahr lang, dann habe ich eh alles gesagt, was ich im Leben je sagen wollte.»
Dem war nicht so. Zum Glück. Seit 2015 schreiben Sie für «Spiegel» Online Woche für Woche pointierte, schlaue, feministische Texte. Das tun Sie nicht angestrengt oder mit erhobenem Zeigfinger, sondern wunderbar zugänglich und klug, manchmal sehr bewegend und manchmal lustig und eigentlich einfach immer sehr treffend. Sie verfassen keine Regeln, wie man sich als Feministin verhalten muss und wie nicht. Weil Sie wissen, dass es nicht so einfach ist.
Margarete Stokowski, auf Sie ist Verlass. Ihre Bücher «Untenrum frei» und«Die letzten Tage des Patriarchats» sollten in jedem gut gepflegten Bücherregal stehen. Die Stokowski, das wissen auch die Mädchen und Jungs hier in der Schweiz, die muss man gelesen haben. Dieses Buch habe ich schon viele Male verschenkt, ich empfehle es allen weiter, die nicht so ganz verstehen, was ich denn immer mit diesem ganzen Feminismus überhaupt meine und will.
Es gibt hier in der Schweiz einen Kochbuchklassiker, der «Betty Bossi» heisst und der eigentlich zum Schweizer Nationalgut gehört. Nach «Betty Bossi» zu kochen, ist eine sichere Sache, jeder hat irgend so ein Buch zuHause, für den Fall, dass man halt doch noch mal nachschauen muss, wie man Rösti genau selber macht. Ihr Buch ist für mich ein «Betty Bossi» Werk des Feminismus. Sie vereinfachen das Komplizierte. Sie beobachten präzis und aufmerksam, Sie vergessen keine Details und zeigen auf, dass das grosse Ganze eben auch immer im Kleinen beginnt. Und genau das ist meiner Meinung nach die grosse Chance, um den Kritikern, den Trolls und den vielen Arschgeigen da draussen zu erklären, warum das alles, worüber wir reden, auch mit ihnen etwas zu tun hat. Feminismus geht uns alle an. Für mich ist das eine zentrale Botschaft in diesem Diskurs, den wir führen, und Ihre Texte bestätigen mich in dieser Überzeugung.
Sie haben an der Lesung in Zürich erzählt, dass Sie viele schöne Momente mit Leserinnen und Lesern erleben. Ihnen schreiben Leute, die durch Ihre Worte die Dinge nun ganz anders sehen, die verstehen und akzeptieren und auch etwas ändern wollen. Aber dann gibt es halt auch die anderen. Die, die hassen, die Hass verbreiten und ihren ganzen Frust über ihr Leben und ihr verkapptes Frauenbild und ihre Angst vor Fremdem auf Sie projizieren. Sie werden bedroht, beschimpft und bekämpft. Leute drohen, Sie zu vergewaltigen und zu töten. Das tut mir unglaublich leid. Weil das feige ist und bösartig. Und weil ich es bedaure, dass dieser Hass Sie Energie kostet. Energie, die Sie für viel Wertvolleres gebrauchen könnten. Denn auf dieser Welt, das wissen wir beide, gibt es noch so viel zu tun.
Ich mag die Vorstellung eines Kampfs für den Feminismus eigentlich nicht, weil das impliziert, dass es beim Feminismus um Sieg und Niederlage geht, um Macht und Herrschaft. Und wie Sie so treffend in Ihrem ersten Buch festgehalten haben, geht es eben genau nicht darum, Herrschaft zu erlangen, sondern sie abzuschaffen. Aber manchmal fühlt es sich schon an, als würden wir an einer Front stehen. Es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass da eine starke Stokowski vor mir herstapft, die den Weg für andere Autorinnen ebnet, die klug denkt und schreibt und so schon manchen Angriff abgewehrt hat. Sie können sich sicher sein, dass hinter Ihnen nicht nur ich, sondern eine ganze Armada an Frauen und Männern steht, die echt richtig fest schätzen, was Sie tun.
Herzlich,
Kerstin Hasse