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Liebe Lady Gaga

Leben

Liebe Lady Gaga

  • Text: Jacqueline Krause-Blouin; Foto: Getty Images

Sie haben mich mal acht Stunden warten lassen. Ich hasse Leute, die zu spät kommen. In der Hinsicht bin ich ein richtiger Spiesser. Aber könnte ich Ihnen jemals böse sein? Sie sind verdammt noch mal Lady Gaga, und wahrscheinlich hat Ihnen auch keiner gesagt, dass eine Journalistin auf Sie wartet und alle zwei Stunden ihren Heimflug erneut umbucht.

Ich fand mich damals jedenfalls in einer riesigen Suite in einem Londoner Grand Hotel wieder. Die schweren Vorhänge waren zugezogen, und um mich herum wedelten hypernervöse Angestellte hin und her, alles flüsterte. Kurz vorher hatte ein schwitzender Kollege vom “Spiegel” ein Interview mit Ihnen als schlimmste halbe Stunde seines Lebens bezeichnet. 

Ehrlich gesagt, machte mir ein bisschen Angst, dass alle vor Ihnen Angst zu haben schienen. Dann endlich stiess jemand die Flügeltür auf und schrie, als ob er grad einen Wrestling-Match ankündige: “Miss Jacqueline, thiiiiiiiis iiiiis Lady Gagaaaaaaaaaaaaa!” Fast hätte ich geklatscht. Bizarrer wurde die Situation nur dadurch, dass Sie, very unimpressed, tiefenentspannt durch die Tür schlurften, begleitet von einer riesigen Wolke Marihuana-Duft. Ein bisschen Gras hätte Ihren Angestellten auch gut getan.

Da sassen Sie nun, sprachen bedacht und ehrlich und schauten mir, was bei Celebrities Ihres Kalibers leider selten ist, auch mal in die Augen. Sie sprachen über Ihre Kämpfe als Künstlerin, über Ihre Depressionen, über Einsamkeit; so ehrlich, dass Ihr Publizist unser Gespräch zweimal unterbrach, worüber Sie sich aufregten, ihn zurechtwiesen und einfach weitererzählten. 

Ich habe nur 40 Minuten mit Ihnen verbracht, aber in diesen wurde mir klar, dass Sie kein narzisstisches Fame-Monster, kein schreibtischgemachtes Hit-Püppchen, sondern der wohl authentischste Popstar unserer Zeit sind. Sie schaffen das Unmögliche: ein Megastar sein und trotzdem eine ehrliche Künstlerin. Sie können beides: Über-Pop-Trash-Sensations-Inszenierung, aber auch die ganz verletzlichen leisen Töne. Ich gebe zu, ich mag Sie am liebsten barfuss und mit verschmierter Mascara am Klavier sitzend. Dann sind Sie einfach nur Stefani Germanotta und gar nicht so gaga. 

Mit Genugtuung verfolge ich, wie Sie die Plattenfirmenbosse reihenweise an der Nase herumführen. Sie machen, was Sie wollen. Weil Sie wissen, was Sie wollen. Im einen Moment sind Sie eine avantgardistische Chansonnière, im nächsten ein Pop-Alien, der Parfums mit seinem Namen drauf verkauft, und wenn Sie keinen Bock mehr auf Mainstream haben, hauen Sie, zur Überraschung aller, einfach ein Jazz-Album mit Tony Bennett raus. Klar, Madonna erfindet sich auch ständig neu. Aber der Unterschied ist, dass dies bei Ihnen nichts Effekthascherisches hat, sondern Ihnen diese Weiterentwicklung ein künstlerisches Bedürfnis ist. 

Ich könnte noch lang von Ihnen schwärmen: wie ich Ihren Einsatz für LGBTQ-Rechte bewundere, wie zauberhaft Sie an der diesjährigen Oscarverleihung in ihrem Brandon-Maxwell-Dress aussahen oder wie angenehm überrascht ich war, dass Sie so eine begabte Schauspielerin sind. Obwohl, wirklich überrascht hat es mich natürlich nicht. 

Dass Sie derzeit mehr in der Klatschpresse als im Feuilleton stattfinden, weil alle spekulieren, ob Sie und Bradley Cooper nun auch im echten Leben ein Paar sind, wird Ihnen nicht gerecht. Aber Sie wissen selbst am besten, dass es Teil des Spiels ist. In Ihrem Hit «Paparazzi» haben Sie das schwierige Verhältnis zur Presse selbst besungen. Ich jedenfalls würde es Ihnen gönnen, auch mal Glück in der Liebe zu haben. Obwohl Sie einmal gesagt haben, dass Sie zwanghaft Ihr eigenes Liebesglück sabotieren, damit Sie Stoff für Songs haben. Den haben Sie doch auch so mit Ihrer Beobachtungsgabe und Ihrem besonderen Sinn für Zeitgeist. Baby, there’s no other Superstar! Sie sehen, Lady Gaga, ich könnte wirklich noch lang von Ihrem Talent schwärmen. Mindestens acht Stunden lang. 

In grosser Bewunderung, 
Jacqueline Krause-Blouin

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