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Liebe Jane Fonda

Liebe Jane Fonda

  • Text: Jacqueline Krause-Blouin

«Als ich verstanden habe, dass ich etwas wert bin, wissen Sie was ich da gemacht habe? Ich habe meinen Mann verlassen!» So und nicht anders begrüssten Sie mich, als ich Sie kürzlich zum Interview treffen durfte. Dabei hatte ich noch nicht einmal eine Frage gestellt. Sie, eine Erscheinung in Ihrem babyblauen Powersuit aus reinster Seide, Sie, mit Ihren perfekt geföhnten Haaren, mit Ihren makellos geschminkten Lippen und diesen zusammengekniffenen Augen, die mich irgendwie herausfordernd anfunkelten. Zu sagen schienen sie: «Na, dann zeig mir mal, was du für originelle Fragen auf Lager hast, Schätzchen!» und Sie haben weiss Gott viele Vergleichsmöglichkeiten. Sie waren mit CNN-Gründer Ted Turner verheiratet, spielten selbst schon knallharte Journalistinnen («The China Syndrome», 1979) und liessen erst kürzlich einen Streit mit Ex-Fox-News-Darling Megyn Kelly eskalieren, die Sie als «mittelmässige Journalistin» bezeichneten. All das zu wissen, macht es einem nicht gerade einfacher, das Eis zu brechen.

Meine erste Frage lehnten Sie dann auch komplett ab. Bei der Zweiten erwärmten Sie sich, so schien es, langsam für mich und ab der Dritten brauchte ich eigentlich gar keine Fragen mehr zu stellen, weil Sie gar nicht mehr aufhören wollten zu reden. Nicht einer Ihrer Sätze war einfach so dahingesagt. Nennen Sie mich pathetisch, aber irgendwie gaben Sie mir das Gefühl, dass Sie in diesen zwanzig Minuten Interview nicht sich selbst und auch nicht die Produkte für die Sie werben, verkaufen wollten. Nein, ich hatte das Gefühl, Sie wollten die Zeit so gut wie möglich nutzen, um die Welt mit jedem Satz ein Stück weit zu einer besseren zu machen. Nun kann man mit einem Interview die Welt nicht retten, aber man kann, wenn man in einer einflussreichen Position wie Sie ist, in der jedes Statement Millionen erreicht, maximal vielen Frauen Mut machen.

Sie, liebe Jane Fonda, tun dies auch, indem Sie auch Ihre eigenen Konflikte aufzeigen. «Ich fühle mich selbst wie ein Bündel voller Widersprüche!», sagten Sie mir. So etwas Ehrliches habe ich selten von einem Hollywoodstar Ihres Kalibers gehört. Was Sie damit meinten, ist den Drang allen gefallen zu wollen (auch, oder gerade Männern!) mit dem Ziel eine ehrliche Feministin zu sein, zu vereinen. Ja, Sie sind eitel und haben Dinge chirurgisch an sich verändern lassen. Aber Sie posten auch unvorteilhafte Fotos von sich, lassen sich komplett unretouchiert aufs Cover von «Town&Country» setzen oder lassen verlauten, dass Sie wirklich «nur in gutem Licht» toll aussehen. Und dabei beweisen Sie Humor. Mein liebstes Quote von Ihnen lautet: «Mir ist bewusst, dass gewisse Teile von mir ziemlich alt sind.»

Sie sind 80 Jahre alt. Nun wird von älteren Frauen gerne erwartet, dass sie milder werden, aber darauf pfeifen Sie getrost. Sie nehmen weiter heiter an diversen Women‘s Marches teil, enervieren sich offen über amerikanische Politik und zeigen Jack Warner, dem legendären Filmstudiochef, dem Ihre Brüste nicht passten, postum den Stinkefinger. Sie haben das mit dem Feminismus erst sehr spät geschnallt, wie Sie heute zugeben. Sie dachten – was damals so viele dachten – dass man als Feministin «gegen Männer» sein müsse. Sie haben sich weitergebildet und Ihre Meinung geändert. Gut, soweit Ihre Aerobicvideos als «feministischen Akt» zu bezeichnen, würde ich jetzt nicht gehen, aber ich verneige mich vor Ihrer Leidenschaft und Ihrem Feuer. Dass Sie eine Spätzünderin sind, macht übrigens nichts. Was zählt ist doch nicht, was wir in der Vergangenheit getan oder gelassen haben. Was zählt, ist was wir mit der Zeit anstellen, die uns noch bleibt.

Ich habe nach dem Interview mit Ihnen allen erzählt, dass ich mit 80 genauso sein will wie Sie. Aber das trifft es gar nicht. Es hat nichts mit dem Alter zu tun. Ich möchte eigentlich in jedem Alter so wie Sie sein, Jane Fonda: souverän, engagiert und furchtlos.

Herzlich,

Jacqueline Krause-Blouin