Kommentare wie «Yeah, du bist super» mögen Sie genauso wenig lesen wie «Du bist scheisse». Das erklärten Sie diese Woche in einem Interview mit dem «Spiegel». Solche Kommentare seien unreflektiert. Blöd nur, dass diese Rubrik «Das Kompliment» heisst, und ich Sie mir ausgesucht habe, weil ich Sie mag. Lassen Sie mich versuchen, möglichst reflektiert zu begründen, weshalb.
Das erste Mal mit Ihnen in Berührung gekommen bin ich auf der Toilette sitzend, als ich einen Ihrer Auftritte auf meinem Handybildschirm angeschaut habe. Die nüchterne Boshaftigkeit ihrer Witze haben Suchtpotenzial, wenn man nicht davor zurückschreckt, auf die Bescheidenheit des eigenen Lebens zu blicken. Denn die grösste Angst unserer Generation ist es doch, dass man uns mit unserer Durchschnittlichkeit konfrontiert. Ich bin also froh, dass ich meine Hosen schon vor ihnen runtergelassen habe.
Ihre Auftritte sind weit entfernt von Effekthascherei. Sie schreien nicht mit hoher Stimme Geschlechterklischees durch den Saal wie manch eine Ihrer Berufskolleginnen. Ihre Stimme dümpelt manchmal so monoton dahin, dass einen die unverschämte Treffsicherheit Ihrer Wortwahl fast erschreckt. Nun, für Ihre Stimme können Sie ja nichts, und auch nicht für Ihre Ernsthaftigkeit. Die Angewohnheit, dass Sie bei Ihren Auftritten fast nie lachen, ist aus einem ersten nervösen Auftritt entstanden, bei dem Sie Ihr Gesicht nicht unter Kontrolle hatten. Also lassen Sie mich Ihnen stattdessen dafür ein Kompliment machen: für Ihre unprätentiöse Ehrlichkeit und für die Erkenntnis, die Sie damals schon nach dem ersten Auftritt hatten, nämlich wie gut ihre versteinerte Mimik ihre Pointen ergänzt.
Während alle furchtbar damit beschäftigt sind, das Leben zu verstehen, widmen Sie sich gern dem Tod. Sie sagen, dass der Tod dem Leben einen Sinn gibt und Sie ihn gar begrüssen werden. Das klingt beeindruckend furchtlos. Ob das stimmt oder nicht: Sie haben jedenfalls keine Angst, Tabus anzusprechen. Natürlich impliziert das Comedy, denn auf der Bühne zu stehen und Themen zu umschiffen, die unangenehm sind, nennt man Politik. Deren Vertreter Sie übrigens herrlich in der ZDF-«Heute-Show» demaskieren.
Mut braucht es sicher auch, sich zum Thema Sexismus zu äussern, wie Sie es kürzlich getan haben – und dabei eine Position einnahmen, die man von einer jungen Frau so nicht erwartet hätte. Sie sind unter anderem gegen eine Frauenquote, weil Sie glauben, dass Quotenfrauen sich dann weniger anstrengen als die Männer, um besser zu werden. Und das in 20 Jahren wieder ein schlechtes Licht auf die Frauen wirft. Ach Frau Brugger, das ist doch Quatsch. Weil Sie damit pauschalisieren, dass alle geförderten jungen Frauen sich automatisch weniger Mühe geben. Sie sagen es selber: Wird man als Frau begünstigt, hat man umso mehr Verantwortung, richtig gut zu sein. Ich denke, diese Verantwortung allein motiviert viele Frauen, stetig besser zu werden. Siehe da, das war jetzt doch ganz schön viel «Sie sind super» und doch noch ein bisschen «Sie sind scheisse» zum Schluss.
Herzlich, Viviane Stadelmann
PS: Ein letztes Kompliment für Ihr Hochdeutsch. Schön, mal eine Schweizerin im Ausland zu sehen, die das Publikum nicht mit ihrem Dialekt zum Lachen bringt.