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Liebe Fatima Moumouni

Liebe Fatima Moumouni

  • Text: Olivia Sasse; Foto: Getty Images

«Ja, die Schweizer sind ein gutes Volk: Schoggi, Chäs und Judegold.» Bei diesem Satz johlten die Zuschauer im Casinotheater Winterthur. Das war im März dieses Jahres, als Sie, zusammen mit Laurin Buser, beim Teamfinale der Poetryslam Schweizer-Meisterschaften 2018 teilnahmen. Das Video Ihres Auftritts habe ich mir im Zug von Zürich nach Luzern auf dem Handy angeschaut und habe bei diesem Satz auch ein wenig mehr gelacht, als wohl politisch korrekt gewesen wäre. Sie sprachen darüber, dass Sie sich jetzt mal langsam einen Schweizer Pass holen möchten. Mit Ihrem Teamkollegen diskutieren Sie die Immigrationskriterien: was man alles tun und wissen muss, um Schweizerin zu werden. Von der Hochkultur der Basler Fasnacht über Begrüssungsrituale bis zur Schweizer Geschichte: Buser erklärt: «Historisch gesehen, musst du eigentlich nur wissen, dass die Schweiz neutral ist.» Sie folgerten: «Was unterm Strich heisst, dass ihnen alles egal ist.» Und auch wie Sie die sozialen Kontakte pflegen müssen, wissen Sie schon: Spaghettiplausch mit Freunden, pünktlich um 18 Uhr, Salate und Rotwein dürfen mitgebracht werden.

Sie verstehen die Schweiz ganz gut, liebe Fatima Moumouni, das ist nicht weiter verwunderlich, denn Sie leben ja auch schon seit sechs Jahren hier. Von etwas anderem auszugehen, etwa weil Ihr Name nicht schweizerisch klingt, wäre – nun ja, Vorurteil-behaftet. Aber nicht nur die Schweizer denken manchmal in Schubladen. Auch in Ihrer Heimatstadt München begegnete man Ihnen, aufgrund Ihres afrikanischen Aussehens und Namens, manchmal voreingenommen. So erzählten Sie bei Ihrem Slam «back to your roots», dass Sie in Ihrer Heimatstadt einmal von einem Hausmeister mit folgenden Worten begrüsst wurden: «Ähm, Servus, ich weiss ja nicht, wie man sich in Ihrem Land begrüsst, aber ich gebe Ihnen jetzt einfach mal die Hand.» Dass diese Situation an einer Schule stattfand, an der Sie einen Antirassismus-Workshop gaben, macht die Situation besonders skurril. Auf der Bühne sagten Sie, dass Sie eigentlich gern mit einem afrikanischen Tanz und einem «Jetzt du, Bruder» geantwortet hätten, eingefallen sei Ihnen das aber erst im Nachhinein. Dass auch Ihnen – trotz Ihrer Schlagfertigkeit auf der Bühne – mal die Worte fehlen können, macht Sie sehr sympathisch.

Die Zugfahrt von Zürich nach Luzern dauert gut 45 Minuten, was mir für einmal nicht lang, sondern kurz vorkam. Ich verbrachte die ganze Zeit damit, verschiedene Auftritte von Ihnen auf Youtube anzusehen. Das erste Mal live gesehen habe ich Sie letzten Freitag, und zwar auf der Bühne des Volkshaus Zürich, beim Teamfinal der deutschsprachigen Slam-Meisterschaft 2018. Kaum begannen Sie Ihre Performance, war ich ein Fan von Ihnen. Ihre Mimik ist auf dem Punkt und Sie geben vollen Körpereinsatz. Ruhig und leise am Mikrofon stehen ist nicht Ihr Ding. Sie bringen viel Comedy und Souveränität mit auf die Bühne. Und, was ich besonders mag: eine gute Portion (Selbst-)Ironie.

Sie sind schwarz, eine Frau und muslimisch – ich bin sicher, dass Sie viel direkten und auch unterschwelligen Rassismus erleben. Sprache ist die Waffe, mit der Sie dagegen ankämpfen. Dabei begrenzen Sie sich auch nicht nur auf den Poetryslam Sie sind als Spoken-Word-Poetin auch auf multikulturellen Festen anzutreffen, da wo Ihrer Aussage nach: «Alle weiss sind, ausser die, die bezahlt werden, um zu kommen». Zudem geben Sie auch noch Antirassismus-Workshops mit einem Fokus auf Sprache. 2015 und 2016 waren Sie Mitorganisatorin des Antirassistischen Humorfestivals in Zürich und Sie haben an einer muslimische Poetry Slam Liga, die sich für Empowerment von muslimischen Jugendlichen einsetzt, teilgenommen. Sie machen Moderationen, schreiben eine Kolumne und geben Interviews. Und ganz nebenher studieren Sie auch noch Sozialanthropologie, Philosophie und Volkswirtschaft – wow!

Als Ihr Auftritt im Casinotheater Winterthur sich dem Ende neigte, zogen Sie ein Fazit: «Liebe Schweiz, ich würde trotz alledem gerne ein Schweizerpass machen, denn die Schweiz ist ein Ort, wo die Kulturen mega schön vermischt sind – wie ein gutes Riz Casimir.» Wenn es Ihnen trotzdem mal zu fad wird, dann wüssten Sie, die die Schweiz schon durchschaut hat, sich auch zu helfen: «Es steht ja auf jedem Tisch ein Aromat parat.»

Liebe Fatima Moumouni, ob mit Schweizerpass oder nicht: Bitte bleiben Sie noch weiter in der Schweiz. Sie tun uns gut.